Patrick Hausding im Interview:"Soll ich wegen Kopfschmerzen meinen Wettkampf abbrechen?"

Rio 2016 - Schwimmen Wasserspringen

15 000 Mal pro Jahr kopfüber ins Becken: Patrick Hausding.

(Foto: Patrick B. Kraemer/dpa)

Olympia-Wasserspringer Patrick Hausding erklärt im SZ-Interview, weshalb medizinische Ausnahmeregelungen nötig sind - auch wenn es um Mittel geht, die auf der Dopingliste stehen.

Interview von Saskia Aleythe

Die Hackergruppe Fancy Bears hat die Namen von bisher 66 Athleten veröffentlicht, die in der Vergangenheit medizinische Ausnahmegenehmigungen (TUEs) bekommen haben, um Medikamente von der Dopingliste legal einnehmen zu können. Darunter Robert Harting, Rafael Nadal oder Simone Biles. Die Unterlagen stammen ursprünglich von der Seite der Weltantidopingagentur (Wada).

Die TUEs haben eine Debatte ausgelöst: Wie weit sind sie vom Doping entfernt, sollten sie generell verboten werden? Patrick Hausding gewann Bronze bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro vom Drei-Meter-Brett, er ist selber immer wieder von Verletzungen geplagt. Zu den Spielen reiste er mit Schulter- und Knieproblemen.

SZ.de: Sie waren in der Vergangenheit oft verletzt und sind auch schon unter Schmerzen in Wettkämpfe gegangen. Haben Sie selber schon Anträge für Ausnahmegenehmigungen gestellt?

Patrick Hausding: Nein, aber ich habe öfter Kortison bekommen in diesem Jahr, zwei Mal in die Schulter, einmal ins Knie, das ist schon überdurchschnittlich oft bei mir. Dafür bekommt man dann ein Schriftstück vom Arzt, das bei den Dopingkontrollen vorgelegt wird. Ich habe eine Kortisonspritze fast unmittelbar vor der Abreise zu Olympia erhalten. Das IOC hatte die No-Needle-Policy ausgerufen, also dass in Rio keine Spritzen verabreicht werden durften. Deswegen habe ich mir vorher noch eine bei meinem zuständigen Schulterspezialisten abgeholt.

Haben Sie nie daran gedacht, sich eine Ausnahmegenehmigung zu besorgen?

In Rio hätte das passieren können, wenn eine weitere Spritze nötig gewesen wäre. Das hätte ein Kontrollgremium dann entscheiden müssen, ob es eine Notwendigkeit gibt. So etwas ist objektiv natürlich total schwer einzuschätzen. Es kann keiner in meinen Körper reinschauen. Ich bin mir bei dieser Thematik sicher: Es gibt genügend Wege, zu tricksen. Und sicher auch Athleten, die sich Genehmigungen im Hinblick auf einen Vorteil ausstellen lassen. Ob die No-Needle-Policy von allen Ländern so verfolgt wurde wie von Deutschland, bezweifele ich. Dann geht man halt raus aus dem Olympischen Dorf auf neutralen Boden und verabreicht sich dort die Mittel, wenn man will.

Also gibt es einen Spielraum, was die Ausnahmegenehmigung angeht?

Bei der Menge an Dopingfällen, die wir in der Welt haben, wage ich zu bezweifeln, dass alle sauber arbeiten. Auch in diesem Punkt.

Wie weit sind die Ausnahmegenehmigungen von Doping entfernt?

Das hängt von den einzelnen Medikamenten ab, finde ich. Bei solchen, die stark leistungsfördernden Charakter haben, muss man unbedingt ein Auge drauf haben. Das ist die Aufgabe der Wada. Man kann nicht alle Medikamente in einen Topf werfen, aber man kann auch nicht alles zu lax nehmen.

Also vertrauen Sie der Wada?

Vertrauen kann man ihr momentan nicht, bei all den Affären. Die lassen sich ja auch mal schnell hacken, immer wieder gibt es Dopingfälle. Da sollte man das System überdenken.

Manche Experten fordern das Verbot aller Medikamente für Sportler, die sich im Wettkampf befinden. Wie sinnvoll finden Sie das?

Gar nicht, das kann man nicht machen. Da müsste man ja bei kleinen essenziellen Dingen anfangen. Meine Nase ist zu, ich muss springen und brauche Nasenspray. Oder ich habe tierisch Kopfschmerzen, soll ich deshalb dann meinen Wettkampf abbrechen? Das sind die einfachsten Dinge, die jeder normale Mensch nimmt, das kann man nicht verbieten. Moderner Leistungssport ist auf maximale Leistung mit viel Entbehrung und körperlichem Stress verbunden, Schmerzen sind ein normaler Begleiter. Leichte Medikamente sollten deshalb keine Hürde sein.

Finden Sie es richtig, dass Sportler gegen Sie antreten, die Medikamente nehmen, die auf der Dopingliste stehen?

Richtig oder falsch ist immer eine schwierige Frage. Man sollte es auf jeden Fall gut kontrollieren. Die Hackergruppe hat auch einen Namen von einem Wasserspringer veröffentlicht, den ich kenne, er hat nachweislich ADHS und nimmt dagegen etwas. Wenn das zum Beruhigen ist, ist es ja okay.

Also fühlen Sie sich nicht benachteiligt?

Nein, was soll er machen, wenn er eine Krankheit hat? Es ist unfair, da jemanden zu diskriminieren und vom Sport auszuschließen.

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