Auslosung zur Fußball-WM:Wunschgemäß in Gruppe F

2014 FIFA World Cup Final Draw

Und hier ist der nächste Zettel: Findige Kritiker bemerkten, dass Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke die Loskugeln etwas anders öffnete als seine Assistentin Fernanda Lima.

(Foto: Getty Images)

Ein verkapptes Heimspiel und das Quartier in idealer Lage: Argentinien wundert sich, wie wunderbar passend die Ziehung der Loskugeln zur Fußball-Weltmeisterschaft für seine Nationalmannschaft verlief. Dazu gesellt sich manch andere Debatte über Merkwürdigkeiten bei der Auslosung.

Von Thomas Kistner

Von Begräbnisstimmung im Publikum war die Rede in Brasiliens Medien nach der WM-Auslosung; als uninspiriert, aseptisch und frei von charmanten Momenten gerügt wurde die vom Weltverband Fifa und einer Fachagentur inszenierte TV-Show am Freitag. Ausgestrahlt in alle Welt wurde die spröde Prozedur, als Glanzpunkt in Erinnerung blieb eigentlich nur Fernanda Lima. Das co-moderierende Model, langbeinig und tief dekolletiert, zog Blicke auf sich; ausgenommen im sittenstrengen Iran, wo manche Nahaufnahme der Präsentation ausgeblendet wurde.

Was im Rückblick schade ist für das WM-Teilnehmerland, weil ja nun international ein großes Geraune anhob über die Seriosität dieser Auslosung generell, und über die Gruppe F im Besonderen. Dort firmiert, über dem Iran, der Gruppenkopf Argentinien. Und der Weg der Auswahl des zweitmächtigsten Fifa-Funktionärs Julio Grondona durchs WM-Tableau kreiert nicht nur in Foren und sozialen Medien jede Menge Diskussionsstoff, sondern auch in renommierten südamerikanischen Blättern.

So befasst sich die Tageszeitung La Nacion mit spannenden Fragen um die schicksalshaften Wendungen, die das eigene Nationalteam betreffen. Argentiniens Verband AFA hatte ein Höchstmaß an Weitsicht bewiesen, als er bereits vor Monaten Quartier in Belo Horizonte machte. Dabei soll das erwählte Teamcamp Cidade do Galo, in Besitz des lokalen Erstliga-Klubs Atlético Mineiro, gar nicht auf der Liste der akkreditierten Fifa-Unterkünfte gestanden haben, sondern dort erst nach der Vertragsunterzeichnung aufgenommen worden sein.

Die AFA, seit 1979 geführt von dem chronisch skandalumwitterten Fifa-Vizepräsidenten Grondona, Nummer zwei hinter Verbandschef Sepp Blatter, bewies mit dieser Wahl ein erstaunliches Gespür: Argentiniens Auswahl wurde als Kopf der Gruppe F gelost - und auf die hatten die Funktionäre alles hingeplant.

Denn sie beschert Argentiniens Frühbuchern ein veritables Heimspiel: Gruppen-Match zwei gegen Iran findet in Belo Horizonte statt; die anderen Spiele liegen gleichfalls auf Ideallinie. Das erste im nahen Rio de Janeiro, das dritte im tiefen Süden Brasiliens, in Porto Alegre. Der Weg dorthin ist aus Argentinien kürzer als aus den meisten WM-Städten Brasiliens. Zudem könnte später noch ein Halbfinal-Auftritt in Belo Horizonte stattfinden.

Einfach richtig Dusel gehabt, dass unter sieben Möglichkeiten die vorbereitete Lösung getroffen wurde? Gewiss, mag sein. Bereits am Tag der Auslosung aber wunderte sich La Nacion, dass "mindestens zwei" von ihren Sportjournalisten durch "eine hohe Quelle im WM-Organisationskomitee Brasiliens bei verschiedenen Gelegenheiten" versichert worden sei: "Bleiben Sie ruhig, Argentinien wird in Gruppe F landen."

Valckes Hände verschwanden hinter dem Stehpult

Unfug, alles Verschwörungs-Geraune? Durchaus denkbar. Tatsächlich gibt es solches Geraune ja öfter im Hinblick auf WM-Vorgänge, und manchmal auch handfeste Anlässe. Da war der WM-Gastgeber Südkorea 2002, der dank gelegentlicher Bewusstseinstrübungen der beteiligten Schiedsrichter in den K.-o.-Runden gegen Spanien und Italien siegte (einer jener Referees sitzt übrigens seit Jahren in einem US-Gefängnis, er war mit reichlich Kokain am Leib im Flughafen New York geschnappt worden).

Aber auch dafür, dass Argentinien 1978 bei der Junta-WM dank gütiger Mithilfe von Militärs und Funktionären Richtung Titel steuerte, gibt es erdrückend viele Indizien und Geständnisse.

Insofern ist das Geraune um Argentiniens Weg in diese WM zwar spekulativ, es wirkt aber nicht völlig absurd. Die Frage, ob es möglich ist, bei so einer Auslosung dem Schicksal ein wenig nachzuhelfen, ist in der Tat brisant. Zumal aus dem kommerziellen Verständnis heraus, das dieses größte Geschäftsprojekt der globalen Sportindustrie antreibt. Und so war vorab schon die merkwürdige Fifa-Setzliste ins Gerede geraten, die etwa die Schweiz zu den Topteams erhob. Sollten da nicht alle Vorkehrungen getroffen werden, um jede denkbare Form der Manipulation auszuschließen?

Mit einer solchen aber befasst sich seit Tagen auch ein Video-Clip im Internet, der auf die Auslosung eingeht. Die aus den Trommeln gezogenen Losbälle wurden ungeöffnet an Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke gereicht, der in der Bühnenmitte hinter einem Pult stand. Dort öffnete er die Kugeln und präsentierte die Namen der Länder, Fernanda Lima stand neben ihm und öffnete dazu jeweils eine Loskugel mit der jeweiligen Gruppen-Platzierung.

Findige Kritiker monieren nun, dass zwar Senhora Lima ihre Kugeln stets in luftiger Höhe öffnete, so dass man sah, wie sie das eingerollte Papier entnahm, auseinanderzog und zeigte. Indes verschwanden Valckes Hände im Moment der Kugel-Öffnung oft hinter der hochragenden Vorderkante des steil konstruierten Stehpults, das zudem eine Art Sichtblende zierte (deren Notwendigkeit sich dem Betrachter einer solchen Zeremonie nicht unbedingt erschließt). Jedenfalls: Mehr als fünf Millionen Zuschauer hatten den Clip bis Dienstagvormittag gesehen.

Aufgeregt debattiert wird zudem ein vermeintlicher Coup auf Twitter. Da wurde in Tweets schon Stunden vor der Auslosung die Gruppe F korrekt besetzt bekanntgegeben - dazu gleich noch, wer aus dem umstrittenen, mit neun Ländern besetzten Europa-Feld dem Topf zwei zugelost werden soll: Italien.

Nun rätseln Experten über diese vermeintliche Verdachtslage. Die aber eine technische Erklärung findet, die Tweets könnten vor der Auslosung vorbereitet worden sein. Allerdings zusammen mit tausenden anderen Tweets, die alle übrigen denkbaren Varianten beinhalteten und nach der Ziehung flott gelöscht wurden. Wie auch immer; im Dunst der Auslosung findet sich offenbar manches verborgene Bemühen.

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