Auslosung zur Fußball-WM:Belgien fläzt in Lostopf eins

Belgium's Lukaku fights for the ball with Japan's Hasebe during their international friendly soccer match at King Baudouin stadium in Brussels

In Lostopf eins gesetzt: Belgiens Romelu Lukaku (links).

(Foto: REUTERS)

Die Franzosen sind wenig amüsiert, auch Jürgen Klinsmann beschwert sich: Schon vor der Festlegung der Lostöpfe für die Auslosung zur WM 2014 gibt es Diskussionen. Im Mittelpunkt mal wieder: die Fifa-Weltrangliste. Und welche Version davon gerade gilt.

Von Carsten Eberts

Der Fußballweltverband Fifa ist ein lustiger Haufen, daran hat sich der Fußballfan längst gewöhnt. Das ganze Ausmaß der Lustigkeit könnte an diesem Dienstagnachmittag zum Vorschein kommen, wenn die Lostöpfe für die WM-Vorrunde 2014 in Brasilien bekannt gegeben werden. Endgültig werden die Gruppen erst bei der Auslosung am Freitagabend im Badeort Costa do Sauípe bestimmt. Doch bereits die Einteilung der Lostöpfe birgt genügend Potenzial für eine gute Show nach bester Fifa-Art.

Komplett hat die Fifa noch nicht verraten, welche Nationen bis zum Freitag in den einzelnen Lostöpfen übernachten werden. Es gibt acht Gruppen, so viel steht fest, die Gruppenköpfe sind auch schon bekannt: Neben Gastgeber Brasilien sind dies Weltmeister Spanien, Deutschland, Argentinien, Kolumbien, Belgien, Uruguay und die Schweiz. Ausschlaggebend ist die Fifa-Weltrangliste von Mitte Oktober. Doch dazu später mehr.

Die Töpfe zwei bis vier werden von der Fifa nach Fingerspitzengefühl bestückt, dabei sollen sportliche und regionale Kriterien herangezogen werden. Ein paar Ausschlusskriterien gibt es, so dürften pro WM-Gruppe maximal zwei Europäer vertreten sein. Ein Topf dürfte entsprechend aus den übrigen Europäern, einer etwa aus den Asiaten und Nord- sowie Mittelamerikanern bestehen. Und einer aus dem Rest.

Wegen des Überangebots an Europäern muss der schlechtplatzierteste in den arg gefährdeten Topf vier ausweichen, dem die stärksten Gegner aus den übrigen Töpfen drohen. Laut Rangliste aus dem Oktober wäre dies Frankreich, was im Land des Weltmeisters von 1998 nach den überstandenen Playoff-Spielen gegen die Ukraine selbstverständlich für Hochstimmung sorgte.

Eine mögliche Ausgangslage für die Auslosung wäre:

Topf 1 (Gruppenköpfe): Brasilien, Argentinien, Kolumbien, Uruguay, Spanien, Deutschland, Schweiz, Belgien

Topf 2 (Europa): Bosnien-Herzegowina, England, Griechenland, Kroatien, Italien, Niederlande, Portugal, Russland

Topf 3 (Asien, Nord- und Mittelamerika): Australien, Japan, Iran, Südkorea, Costa Rica, Honduras, Mexiko, USA

Topf 4 (Afrika, Südamerika, ein Europäer): Algerien, Elfenbeinküste, Ghana, Kamerun, Nigeria, Chile, Ecuador, Frankreich

Ein kurzes Gedankenspiel ergibt, dass eine schwungvoll titulierte "Hammermördertodesgruppe" aus Brasilien, Italien, den USA und Frankreich möglich wäre. Im anderen Extremfall könnten auch Belgien, Bosnien-Herzegowina, Honduras und Algerien eine "Wischiwaschiwattebauschgruppe" bilden, aus der zwei Teams sicher ins Achtelfinale einziehen.

"Das ist unausgewogen und wird jede Menge Fragezeichen und viele Diskussionen hervorrufen", ließ sich prompt Jürgen Klinsmann zitieren, der als Nationalcoach die USA verantwortet: Wenn er den ersten Lostopf betrachtet, "dann denkt man ein bisschen darüber nach, ob das der richtige Weg ist", so Klinsmann weiter. Das Herauspicken von Horrorszenarien gehört zu allen Auslosungen natürlich dazu.

Fragwürdige Weltrangliste

Die Fifa-Weltrangliste ist in ihren Kriterien ein in der Tat fragwürdiges Produkt. Die Punktevergabe wurde 2006 zwar modifiziert, zieht jedoch - über die Kontinentalverbände verteilt - nach wie vor schwer vergleichbare Kriterien heran. Wieder und wieder tauchen Länder unter den Top Ten auf, die im internationalen Vergleich dort nur mit etwas Fantasie hingehören (aktuell Belgien oder die Schweiz), wie die Ergebnisse bei WM-Endrunden beweisen.

Belgien etwa ist mit Weltranglistenplatz fünf als Gruppenkopf gesetzt, weil es die zugegebenermaßen lösbare Qualifikationsgruppe A mit acht Siegen und zwei Unentschieden abgeschlossen hat, vor Kroatien und Serbien. Und nicht Italien, das sich zwei Unentschieden mehr leistete und aus den Vorjahren deutlich mehr Punkte zu verteidigen hatte. Siege gegen kleinere Gegner, selbst bei wichtigen Turnieren, werden mit vergleichsweise geringen Punktzuwächsen im Ranking belohnt. Ein Sieg gegen Südkorea (im Halbfinale, wie Deutschland 2002) bringt weniger als ein Sieg gegen Spanien (in der Vorrunde), so die Logik.

Was Fußballplatzhirsche wie Frankreich oder Italien am meisten erzürnt: Wieso gilt ausgerechnet die Berechnung vom Oktober als Grundlage für die Gruppeneinteilung? Und nicht die aktuellste Version von Mitte November, wenn die Auslosung im Dezember stattfindet?

Hier hätten sich einige Verschiebungen ergeben: Nicht Belgien, das natürlich trotzdem eine wirklich gute Qualifikation gespielt hat, und die Schweiz, sondern Portugal und Italien wären dann unter den Top sieben und damit neben Gastgeber Brasilien als Gruppenköpfe gesetzt - was dem subjektiven Stärkeempfinden manches Fußballfans eher entsprechen würde als die Version mit Belgien, der Schweiz und Uruguay. Außerdem wäre nicht Frankreich (mittlerweile Platz 19) als schlechtester Europäer in Gruppentopf vier verbannt, sondern Russland (Platz 22).

Die Ausgangslage sähe dann so aus:

Topf 1 (Gruppenköpfe): Brasilien, Argentinien, Kolumbien, Uruguay, Spanien, Deutschland, Italien, Portugal

Topf 2 (Europa): Bosnien-Herzegowina, England, Griechenland, Kroatien, Schweiz, Niederlande, Belgien, Frankreich

Topf 3 (Asien, Nord- und Mittelamerika): Australien, Japan, Iran, Südkorea, Costa Rica, Honduras, Mexiko, USA

Topf 4 (Afrika, Südamerika, ein Europäer): Algerien, Elfenbeinküste, Ghana, Kamerun, Nigeria, Chile, Ecuador, Russland

Die Franzosen haben bereits kräftig protestiert, jedoch mit wenig Aussicht darauf, Gehör für das eigene Anliegen zu finden. Uefa-Chef Michel Platini, der Vorzeigefranzose, ist mit dem Fifa-Chef Sepp Blatter recht zerstritten, was die Hoffnung darauf nicht größer macht.

Natürlich sind bis zum Dienstagnachmittag auch Überraschungen möglich, denn ein Schwenk in letzter Sekunde gehört eben auch zu einer guten Show nach bester Fifa-Art.

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