Aus des FC Chelsea:Brechstange und Dynamit

Chelsea v Paris Saint-Germain - UEFA Champions League Round of 16

Der Brasilianer David Luiz erzielte für Paris das erste Tor - nach einer Ecke.

(Foto: Paul Gilham/Getty Images)

Ecke - Tor! Diese Variante ist im Zeitalter der Ballstafetten verpönt. Doch Paris Saint-Germain katapultiert den FC Chelsea damit aus der Champions League. Was die Standard-Lösung wert sein kann, ist auch beim FC Bayern längst bekannt.

Ein Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Rückblende zum 19. Mai 2012. Es läuft die 88. Spielminute. Viele Chronisten bezeichneten das, was damals in der Münchner Arena geschah, später als eine zynische Choreografie. Weil der FC Chelsea, der bis zu jenem Augenblick eher minimal in das Geschehen des Champions-League-Finales investiert hatte, am Ende das Maximum mit nach Hause nahm.

Es ist erst vorbei, wenn es vorbei ist - nirgendwo schien dies bislang tiefer in die Team-DNA eingespeist zu sein als bei den Londonern. Und so sah in jenem Mai 2012 alles wie einstudiert aus unter dem damaligen Chelsea- und heutigen Schalke-Trainer Roberto Di Matteo. "And now goal!" raunte David Luiz im Vorbeilaufen Bastian Schweinsteiger zu. So geschah es: Ecke, Drogba köpft, Tor, 1:1, Verlängerung, Chelsea bezwingt den FC Bayern im Elfmeterschießen.

Ecke - Tor! Diese Reduzierung des Spiels auf nur zwei Kontakte wurde jüngst oft verpönt. Sie passe nicht zur neuen Hochkultur des Spiels, hieß es, dokumentiert in den endlosen Ballstafetten, die sich unter Pep Guardiola einst beim FC Barcelona entwickelten. Doch auch die Spanier konnten es anders, das mussten die Deutschen im WM-Halbfinale 2010 in Südafrika bitter erfahren (Ecke von links - Kopfball Puyol), aber es blieb die Ausnahme. Folgend der Erkenntnis versierter Safe-Knacker, dass man es zunächst mit feinem Werkzeug versucht, ehe Brechstange und Dynamit ranmüssen, wenn die Zeit knapp wird.

Es ist nun eine gewaltige Ironie in der Historie des FC Chelsea, dass er Mittwochnacht mit den von ihm selbst gepflegten Waffen aus dem Wettbewerb katapultiert wurde. Ausgerechnet von dem And-now-goal-Profi David Luiz, der vorigen Sommer nach Paris umzog: Der Brasilianer sicherte seiner neuen Elf mit der Ecke-Tor-Variante die Verlängerung (86.); sein Landsmann Thiago Silva brachte die Franzosen ebenfalls per Ecke-Tor eine Runde weiter (114.).

Die Engländer, Erfinder des schnörkellosen Kick-and-rush, wurden zum Opfer ihrer eigenen einfachen Lösungen. Dies wiegt umso schwerer, da wie schon in der Saison 2012/13 wohl kein Premier-League-Klub im Viertelfinale vertreten sein wird. Der FC Liverpool scheiterte früh, dem FC Arsenal (1:3 gegen AS Monaco) und Manchester City (1:2 gegen den FC Barcelona) droht das Aus. Ein Armutszeugnis für die reichste Liga der Welt.

Für den FC Bayern hat der K.o. des FC Chelsea zunächst nur den Effekt, dass ein Déjà-vu-Erlebnis mit diesem Verein kurzfristig nicht möglich ist. Zwar sind die Ecke-Tor-Varianten bei den Münchnern seit dem Drama 2012 kaum weiter entwickelt worden, doch was sie wert sein können, wissen sie bis in die höchsten Kreise. Wie raunte doch Bayern-Vorstand Karl-Heinz Rummenigge einst als Spieler im Finale der Europameisterschaft 1980 einem Fotografen zu: "Stell' die Linse scharf auf den Hrubesch. Gleich knallt's!" So geschah es.

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