Aus der DFB-Elf:Enttäuscht, fassungslos, Tränen in den Augen

Aus der DFB-Elf: Bittere Momente im Stadion von Rotterdam für die DFB-Spielerinnen: Anja Mittag (l.) wird von einer Mitspielerin getröstet.

Bittere Momente im Stadion von Rotterdam für die DFB-Spielerinnen: Anja Mittag (l.) wird von einer Mitspielerin getröstet.

(Foto: AFP)
  • Die DFB-Elf steht erstmals nicht im Halbfinale einer Europameisterschaft.
  • Gegen Dänemark scheidet die Mannschaft von Trainerin Steffi Jones im Viertelfinale aus, obwohl ein lang ersehnter Erfolg gelingt.
  • Hier gibt es das Spiel zum Nachlesen im Liveticker.

Von Anna Dreher, Rotterdam

Die Szenen waren so nicht vorgesehen, es hatte auch niemand mit ihnen gerechnet. Nicht in dieser Phase. Nicht an diesem Tag. Nach dem Schlusspfiff saßen die Spielerinnen der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft auf dem Rasen in Rotterdam, enttäuscht, fassungslos, mit Tränen in den Augen. "Das ist ein unglaublich bitterer Moment", sagte Babett Peter. "Wir haben uns das alle anders vorgestellt." Diejenigen, die als lächelnde Siegerinnen bei diesem Viertelfinale gegen Dänemark erwartet worden waren, hatten verloren. Nach der 1:2 (1:0)-Niederlage steht Deutschland zum ersten Mal nicht im Halbfinale einer Europameisterschaft. Die vergangenen sechs Turniere hatte der Olympiasieger allesamt gewonnen. "Die Enttäuschung ist sehr groß. Wir haben jegliche Souveränität und Aggressivität vermissen lassen", sagte die Bundestrainerin Steffi Jones mit brüchiger Stimme auf der Pressekonferenz. "Man fragt sich, was schiefgelaufen ist und was wir nach den Gruppenspielen nicht verstanden haben."

Dabei funktionierte zunächst genau das, was ihre Spielerinnen in der Vorrunde nicht hatten umsetzen können: Gegen Schweden (0:0), Italien (2:1) und Russland (2:0) hatten sie es nicht geschafft, aus dem Spiel heraus Tore zu erzielen. Das Weiterkommen war der Mannschaft durch drei Elfmeter und einen Fehler der italienischen Torfrau gelungen - trotz spielerischer Dominanz und vieler Chancen. Im Viertelfinale gegen Dänemark platzte dann aber der von den Spielerinnen so oft zitierte Knoten. Nach nur drei Minuten schoss Abwehrspielerin Isabel Kerschowski von der linken Strafraumgrenze, die dänische Torfrau Stina Lykke Petersen bekam den Ball nicht zu fassen und bugsierte ihn über sich hinweg hinter die eigene Torlinie - es war die erhoffte frühe Führung.

Doch genau jener Moment, der das deutsche Spiel vor allem in der Offensive endlich befreien sollte, bewirkte das Gegenteil. Statt Selbstbewusstsein strahlten die deutschen Spielerinnen plötzlich Unsicherheit und Nervosität aus - und machten mit eigenen Fehlern den Däninnen Mut.

"Meine eigene Motivation ist da", sagt Trainerin Steffi Jones, "ich möchte weitermachen."

Steffi Jones hatte vorab angekündigt, nicht mehr so viel zu rotieren wie in der Vorrunde, in der sie alle Feldspielerinnen eingesetzt hatte. Gegen Dänemark setzte Jones dann auf die eingespielte Defensive des VfL Wolfsburg aus Torhüterin Almuth Schult, Isabel Kerschowski, Babett Peter, Lena Goeßling und Anna Blässe, die dann auch viel zu tun bekam. Auf das 1:0 folgten weitere gute Chancen der Deutschen, die jedoch wie so oft seit Beginn der EM verspielt wurden. Dänemark nutzte zunehmend die Fehler im unruhigen deutschen Spiel, die sich durch Abstimmungsprobleme ergaben. "Uns hat heute der unbedingte Wille gefehlt. Wir führen und geben das Spiel komplett aus der Hand", sagte Spielführerin Dzsenifer Marozsán, "ich weiß nicht, was da in unseren Köpfen vorging."

Die Lücken, die der DFB-Elf schon in der ersten Hälfte gefährlich wurden, waren es in der zweiten Halbzeit umso mehr. Marozsán und Kerschowski bekamen Stine Larsen in einer entscheidenden Situation nicht unter Kontrolle - irritiert durch das von der Schiedsrichterin nicht beachtete Signal der Linienrichterin, die ein Foul anzeigte. Larsen flankte auf Nadia Nadim, die nur noch den Kopf hinhalten musste (49.). Es war der Auftakt einer dänischen Angriffswelle, die Deutschland überrollte und nur von Schult abgewehrt werden konnte. In der 83. Minute war aber auch sie chancenlos: Frederikke Thogersen flankte auf Theresa Nielsen, und sie besiegelte per Kopf das Aus des Turnierfavoriten.

Darf Bundestrainerin Jones weitermachen?

Eigentlich hätte um diese Uhrzeit ja längst entschieden sein sollen, wer nach den Niederlanden als Nächstes ins Halbfinale einziehen würde. Sintflutartige Regenfälle vor dem geplanten Anpfiff am Samstagabend hatten den Platz aber unbespielbar gemacht. Der Rasen war stellenweise überflutet, die Auswechselbänke standen unter Wasser. Helfer stachen mit Mistgabeln Löcher in den Rasen, andere versuchten, das Wasser mit Schippen vom Feld zu schieben. Um 21.30 Uhr kamen beide Teams wieder auf den Platz, aber kurz vor zehn Uhr folgte die überfällige Entscheidung: Das Spiel wurde abgesagt.

So geriet die Vorbereitung auf dieses Viertelfinale für die Deutschen unerwartet kurios, allerdings mussten die Däninnen mit den selben Umständen klarkommen. Die seltsamen Wasserbilder passten am Ende zu einem eigenartigen deutschen Turnier. Die Erwartungshaltung war ja so gewesen, wie sie es immer ist: hoch. Vom Rekordsieger Deutschland war der Titel erwartet worden, auch nach der schwierigen Gruppenphase. Steffi Jones war ambitioniert in ihr erstes Turnier als Bundestrainerin gestartet, ihr Anspruch war es, mit offensiverem, schönerem Fußball den Titel zu gewinnen.

Dass das alles auf einmal vielleicht ein bisschen zu viel war, wollte sie so unmittelbar nach dem Aus jedoch nicht einräumen. "Ja, wir haben uns viel vorgenommen, aber aus der Überzeugung heraus, dass wir die spielerische Qualität dazu haben", sagte Jones. "Das heute war eine reine Kopfsache, für die wir noch Erklärungen finden müssen. Aber meine eigene Motivation ist da. Ich möchte weitermachen." Ob sie das auch darf, wird von den hohen Herren im Verband abhängen, die erste Reaktion des DFB-Präsidenten Reinhard Grindel klang nicht sehr ermutigend. Man werde "in aller Ruhe mit allen Beteiligten analysieren, was zu tun ist", sagte er; "alle beim DFB" seien sehr enttäuscht über das "frühzeitige Ausscheiden und vor allem über die spielerische Leistung" gegen Dänemark. Die Spielerinnen hingegen ergriffen umgehend Partei für Jones. "Ich will unbedingt mit ihr weitermachen", sagte Spielführerin Dzsenifer Marozsán.

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