Augsburgs 3:1 in Gladbach:Die "geile Familie" spielt bald in Liverpool und Tottenham

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Der FC Augsburg feiert sein kleines Fußball-Wunder: Durch den Sieg bei der Borussia ist der FCA Fünfter und damit direkt für die Europa League qualifiziert.

Von Sebastian Fischer, Mönchengladbach

Stefan Reuter stand neben der Augsburger Bank im Borussiapark, lief umher, Hilfe suchend, irgendwo mussten seine Gefühle hin, er zappelte mit den Fäusten. Die meisten Spieler des FC Augsburg waren in einer Jubeltraube vereint, obenauf lag Tobias Werner. Kapitän Daniel Baier joggte alleine durch den Mittelkreis, er hielt sich den Kopf, fassungslos. Trainer Markus Weinzierl hüpfte auf dem Spielfeld umher.

"Das ist die Krönung einer unglaublichen Saison. Dass Schalke in Hamburg verliert und wir hier gewinnen, ist Wahnsinn", sagte später Manager Stefan Reuter nach dem 3:1 (0:1) bei Borussia Mönchengladbach. In der Tat schien der Sprung auf Rang fünf und der direkte Einzug in die Europa League nach dem Rückstand durch Gladbachs Raffael (36.) lange völlig utopisch zu sein. Dann aber drehten Pierre-Emile Höjbjerg, (72.), Tim Matavz (77.) und Sascha Mölders (90.+5) mit teilweise traumhaften Toren doch noch die Partie. Manifestiert wurde einer der erstaunlichsten Aufstiege in der Bundesliga-Historie - nach nur vier Jahren in der ersten Liga reist Augsburg demnächst über den Kontinent. "In Europa kennt uns keine Sau", stand auf den T-Shirts, mit denen die Helden des FCA ausgelassen ihr kleines Fußball-Märchen feierten. Für alle Unkundigen zeigte ein großer Pfeil auf jene Stelle in Europa, von der aus die Puppenkisten-Stadt künftig Klubs wie den FC Liverpool oder Tottenham Hotspur ärgern will.

Stellvertretend für die Saison steht Tobias Werner

"Hinter uns ist Schalke, hinter uns ist Dortmund", sagte Weinzierl, 40. Am letzten Spieltag hat der FCA die Qualifikationsrunde für den Europapokal vermieden, die auf Platz sechs und sieben gewartet hatte. Weinzierl sagte: "Der FC Augsburg spielt international, das ist eigentlich unglaublich. Was wir geschafft haben, ist nicht zu beschreiben."

Schon in der Anfangsphase des Spiels wurde deutlich, dass die Begegnung für den FCA von weitaus größerer Bedeutung war als für die Gladbacher. "Unser Manager wollte Platz fünf", sagte Kapitän Baier. Denn der bedeutet Planungssicherheit und eine ungestörte Vorbereitung auf die kommende Saison. "Das Spiel heute zeigt, was wir für einen Charakter wir haben", so Baier.

"In Europa kennen uns bald immer mehr", meinte Flügelspieler Werner. Der 29-Jährige steht wie kein Zweiter für den Augsburger Erfolg. Er war schon zu Zweitligazeiten beim FCA, niemand hätte ihm eine so prägende Karriere vorhergesagt. Und es ist nach dieser Saison nicht mehr zu bestreiten: Werner ist auf seiner Position einer der besten Fußballer in Deutschland. Auch am Samstag trug er den Ball unermüdlich nach vorne, er trieb seine Mannschaft an.

"Die beste Mannschaft in hundert Jahren"

Doch es brauchte "ein Schlüsselerlebnis", wie Weinzierl später erklärte. Pierre-Emil Hojbjerg, der den FCA wohl wieder verlassen wird, um zum FC Bayern zurückzukehren, gelang es durch sein Tor zum 1:1. Begünstigt waren die Augsburger da schon von einer fragwürdigen roten Karte gegen Gladbachs Harvardt Nordveit wegen Notbremse (61.). Dann schoss Hojbjerg den Ball in der 72. Minute aus 30 Metern aufs Tor - eine Flugkurve wie ein Strich, in den Winkel, ein Kunstwerk. Fünf Minuten später traf Matavz, mit dem Schlusspfiff der eingewechselte Mölders.

Zur Feier auf den Augsburger Rathausplatz kamen am Sonntag 7000 Fans, die den Einzug ins internationale Geschäft bejubelten. Oberbürgermeister Kurt Gribl hatte 2011, als der FCA nach dem Bundesliga-Aufstieg zuletzt auf dem Balkon feierte, versprochen, den Balkon "erst wieder aufzusperren, wenn der FCA in Europa spielt". Ein Sponsor belohnte die Fans mit 2900 Litern Freibier. Manager Stefan Reuter zeigte sich nach dem Saisonfinale euphorisch: "Großes Kompliment an alle Spieler und Unterstützer. Das ist der absolute Wahnsinn, Teil dieses Teams zu sein. Wir sind eine geile Familie", sagte Reuter. "Unglaublich. Wir lieben unsere Spieler", sagte Präsident Klaus Hofmann. Dies sei die "beste Mannschaft, die der FC Augsburg in hundert Jahren jemals hatte".

Trotzdem will Manager Reuter den Blick für die Realität behalten: "Wir werden jetzt keine verrückten Sachen machen." Die Europa League sei nicht die Champions League, die nächste Saison werde kein Selbstläufer. Und: "Wir sind nach wie vor der FC Augsburg."

© SZ vom 24.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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