Augsburg - Schalke 04 (15.30 Uhr):Treffen der Trendsetter

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Erfolgreich unter der Woche: Schalke gewann gegen Tripolis (l., Choupo-Moting), Augsburg feierte einen wichtigen Sieg in Belgrad (r., Bobadilla). (Foto: AFP (2))

Für den FC Augsburg und den FC Schalke geht es an diesem Sonntag darum, ihre jüngsten Serien auszubauen. Dabei wird auch die Frage neu verhandelt, ob die Europa League für sie Lust oder Last bedeutet.

Von Maik Rosner , Augsburg/München

Noch immer sind die Bilder dieser besonderen Europapokalnacht sehr präsent. Wie der FC Augsburg am Donnerstag den spektakulären Einzug in die Zwischenrunde der Europa League nach dem 3:1-Sieg bei Partizan Belgrad bejubelt. Wie der Schütze des entscheidenden Tores in der letzten Spielminute, Raul Bobadilla, ein Bild seines jüngst geborenen Sohnes auf einem T-Shirt präsentiert und diesen im Überschwang dem FCA ungefähr für das Jahr 2033 als neuen Helden verspricht. Aber auch, wie Schalkes Kapitän Benedikt Höwedes zeitgleich nach dem 4:0 bei Asteras Tripolis samt Gruppensieg im Scherz spekuliert, der FCA könnte vielleicht etwas zu ausgiebig feiern, vor der gemeinsamen Verabredung an diesem Bundesligasonntag in Augsburg.

Vergnügte Menschen also, wohin man schaute, einmal abgesehen vom FCA-Innenverteidiger Jan-Ingwer Callsen-Bracker, der nach dem brutalen Foul des Belgraders Ninkovic mit einem Wadenbeinbruch lange ausfallen wird. Wenn es nach den übrigen Augsburgern und Schalkern geht, soll ihre gute Laune den Sonntag überdauern - was aber, im Falle eines Sieges, nur für eine der beiden Mannschaften möglich sein wird.

Regenerieren statt trainieren

Es ist ja ein Treffen der Trendsetter. Die Augsburger bewegen sich in der Liga zwar immer noch im Souterrain, sie haben aber zumindest damit begonnen, an Stabilität zu gewinnen und nach oben zu kraxeln. Dem 4:0 beim VfB Stuttgart folgten ein 0:0 gegen den VfL Wolfsburg und ein 1:0 beim 1. FC Köln. Sieben Punkte aus den jüngsten drei Ligaspielen also, weshalb Stefan Reuter nach seinen glückseligen Tanzeinlagen von Belgrad erleichtert feststellte: "Wir sind wieder in die Spur gekommen." Der Geschäftsführer Sport hofft nun noch auf den "ein oder anderen Punkt vor der Winterpause", was ihm der Trainer nach ebenfalls glückseligen Tanzeinlagen sogar versprach: "Ich gehe davon aus, dass wir genauso einen Fight abliefern und mindestens einen Punkt feiern können", sagte Markus Weinzierl.

Plötzlich scheint die Europa League nicht mehr jene Last zu sein, die bisher als Hauptgrund für das sehr mäßige erste Saisondrittel ausgemacht worden war. Auch bei den Schalkern war auf die große Belastung verwiesen worden, als es darum ging, die Ursachen für die zwischenzeitlich ausgeprägte November-Delle zu ergründen. Nun stehen aus ihren jüngsten vier Spielen, je zwei in der Liga und im Europapokal, aber drei Siege und ein Unentschieden in der Bilanz. Und die Europa League scheint plötzlich für beide ein positiver Verstärker zu sein, nachdem ihr zuvor das Gegenteil angelastet worden war. Beide hoffen nun auf viele weitere englische Wochen in der Rückrunde, die Augsburger sogar im Wortsinne vor der Auslosung am Montag. Sie würden gern gegen Manchester United oder den FC Liverpool antreten.

Ein bisschen kurios ist dieser Sinneswandel schon. Denn wenn es zutrifft, was die Augsburger als ihr zentrales Problem identifiziert hatten, müssten sie nun eigentlich in ausgeprägte Trübsal verfallen vor dem Spiel gegen die Schalker, weil ihr Problem ja unerwartet Bestand hat. Beim FCA waren sie sich zwar bewusst, dass die Welt und der Abstiegskampf nicht mit schlichten Ansätzen zu erklären sind. Sie mussten den lange Zeit quälenden Saisonverlauf auf fehlende Abschlussqualität, individuelle Abwehrfehler und die Grenzerfahrungen als spielgestaltendes Team zurückführen, das wissen sie. Aber sie fanden schon, dass die Europa League für all diese Probleme wie ein Verstärker wirkte. Ohne die hohe Belastung, hatte Weinzierl ja befunden, stünde man gewiss besser da.

Problematische Rückreise aus Belgrad

Der ungewohnte Rhythmus bleibt dem FCA nun mindestens im Februar erhalten. Spielen, regenerieren, spielen, regenerieren - so ging das ja bisher. Fürs Trainieren und die Fehlerbehebung blieb kaum Zeit. "Es ist für kleine Vereine wichtig, dass sie sich auf die Bundesligaspiele gut vorbereiten können", hatte Weinzierl erkannt, "das Problem ist schon, dass eine große Zahl an Trainingseinheiten fehlt." Das gilt vor dem Treffen mit den aus Griechenland planmäßig zurückgekehrten Schalkern ganz besonders. Der Rückflug der Augsburger aus Belgrad hingegen verzögerte sich bis zum Freitagabend, da die ursprünglich gebuchte Maschine kurzfristig gestrichen worden war. Noch mehr regenerieren statt trainieren stand also auf der Agenda vor diesem Sonntagspiel.

Einen Nachteil der Zwischenrunde müssen die Schalker nun noch ein bisschen mehr fürchten als die Augsburger. Da auch Borussia Dortmund und Bayer Leverkusen in der Zwischenrunde stehen und damit vier Bundesligisten, aber wegen der TV-Verträge nur maximal drei Sonntagsspiele in der Liga erlaubt sind, muss eine Mannschaft aus dem Quartett nach den Rückspielen der Zwischenrunde am 25. Februar bereits am Samstag ran, bestenfalls 47,5 Stunden später. Die Schalker und Leverkusener werden dann als Teams aus dem ersten Lostopf Heimrecht genießen, im Gegensatz zu den Gruppenzweiten Augsburg und Dortmund. Für Schalke und Leverkusen wird damit eine besonders stressige englische Woche wahrscheinlicher, denn Auswärtsreisen in Europa zählen zu den wichtigsten Zulassungskriterien für ein Sonntagsspiel im Anschluss.

Anstrengend wird es nach der Winterpause ohnehin für die Augsburger und Schalker. Auch deshalb wollen sie ihren Trend nun unbedingt bestätigen, in diesem "brutal wichtigen Heimspiel", wie es Augsburgs Daniel Baier formulierte. Und Schalkes Trainer André Breitenreiter sagte: "Wir möchten den Schwung aus Tripoli mitnehmen und die verbleibenden zwei Spiele bis zur Winterpause erfolgreich gestalten." Die "gute Spur" kreuzt sich nun allerdings mit jener der Augsburger. Gibt es einen Verlierer beim Treffen der Trendsetter, dürfte die Europa League wohl wieder herhalten müssen. Dann würde die Frage, ob die Ausflüge über den Kontinent eher Lust als Last bedeuten, gleich wieder neu verhandelt.

© SZ vom 13.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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