Augsburg - Bremen (17.30 Uhr):Mittlere Ergebniskrise - oder noch mehr?

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Klaus Filbry weiß, es wird eng in Bremen: Finanziell und sportlich. Langsam sollte auch mal wieder ein Sieg her.

(Foto: imago)

Die Partie beim Tabellenletzten Augsburg gilt für den SV Werder als Wegweiser. Eine weitere Niederlage des Drittletzten aus Bremen wäre ein fatales Zeichen.

Von Frank Hellmann, Bremen

Vielleicht ist das ja für den aufgeregten Bundesliga-Betrieb die beruhigende Botschaft: Fußball ist doch nur die schönste Nebensache der Welt. Das Wohl und Wehe des SV Werder hängt den Bürgern in Bremen seit jeher am Herzen, und mitunter hatte es in den vergangenen Jahren den Anschein, als könnten die Befindlichkeiten der Grün-Weißen alles andere überlagern. Aber auch im kleinsten Bundesland gibt es gerade Wichtigeres: Ausgiebig wurde beispielsweise zuletzt darüber gestritten, ob ein Bayernzelt auf der Bürgerweide tatsächlich als Flüchtlingsunterkunft taugt.

Dort, wo bis zum vergangenen Wochenende auf dem Bremer Freimarkt gefeiert, getrunken und geschunkelt wurde, sollten ursprünglich 250 Flüchtlinge untergebracht werden. Die Pläne der grünen Sozialsenatorin waren das Gesprächsthema in der Hansestadt, und vor allem drehte sich die Frage darum, welche Symbolik von einem Standort mitten zwischen Stadthalle und Hauptbahnhof ausgehen würde. In letzter Minute wurde alles abgeblasen: Das Bayernzelt ist doch abgebaut worden, um es auf einer brachliegenden Fläche an der Neuenlander Straße wieder aufzubauen.

Mit dem Flüchtlingsthema hat der Weser-Kurier in seiner Samstagausgabe sogar acht Zeitungsseiten gefüllt, um 100 Leserfragen zu beantworten. Ganz so aufgeregt wird es beim SV Werder alsbald nicht zugehen, aber bohrende Fragen könnten auch hier anstehen: Dann nämlich, wenn das Schlüsselspiel beim FC Augsburg (Sonntag 17.30 Uhr) verloren wird. Sechs Niederlagen aus den vergangenen sieben Partien haben Werder wieder auf den drittletzten Rang zurückgeworfen; eine Pleite beim Schlusslicht wäre ein fatales Signal vor der Länderspielpause, zumal es danach gleich zum VfL Wolfsburg geht.

Erneut ein Millionenminus - aber warum?

Zuvor wird am Montag in einer Woche (16. November) die obligatorische Mitgliederversammlung abgehalten, bei der es neben der sportlich prekären Situation auch um eine wirtschaftlich schwierige Lage gehen dürfte. Meldungen über ein Minus von sechs Millionen Euro aus der vergangenen Saison hat Klaus Filbry insofern nicht wirklich dementiert, indem der Vorstandsvorsitzende per Pressemitteilung feststellte: "Wir behalten es uns weiterhin vor, zuerst den Werder-Mitgliedern die konkreten Zahlen zu nennen und sie zu bewerten. Richtig ist aber, dass wir bereits im Sommer darauf hingewiesen haben, dass wir die Saison 2014/2015 voraussichtlich mit einem Minus abschließen werden."

In den drei Geschäftsjahren zuvor hatte sich bereits ein Fehlbetrag von 30 Millionen aufgetürmt. Warum bei einem Umsatz von 91 Millionen (2013/2014) und angeblich nur noch 30 Millionen Personalkosten so defizitär gearbeitet wird, muss Filbry seinen Mitgliedern gut erklären. War Werder vielleicht auch aus finanziellen Gründen gezwungen, sommers mit Davie Selke, Franco di Santo und Nils Petersen eine komplette Sturmabteilung zu veräußern?

Vorerst aber geht es um den Auftritt in Augsburg. Bei den bayrischen Schwaben ist die Bilanz miserabel (drei Niederlagen, ein Remis), aber das nehmen die Beteiligten als Ansporn. "Dann wird's Zeit, dass wir das endlich mal wuppen in Augsburg", sagt Offensivallrounder Fin Bartels. "Ein klares Ergebnisproblem" hat Geschäftsführer Thomas Eichin derweil ausgemacht, "aber es gibt keinen Grund zu zweifeln." Wirklich nicht?

Das bevorzugte System kann Werder derzeit nicht spielen - Personalnot

Fakt ist, dass sich die Hanseaten all die schöne Aufbruchsstimmung im September, die mit der Verpflichtung von Claudio Pizarro und einem 3:1 bei der TSG Hoffenheim Mitte September entfacht wurde, selbst kaputt gemacht haben. Erst ein 0:1 gegen den FC Ingolstadt, dann ein 1:2 beim SV Darmstadt 98: Damit begann eine Abwärtsspirale, die nur durch den speziell für Viktor Skripnik extrem wichtigen Auswärtssieg beim FSV Mainz (3:1) unterbrochen wurde.

Der gebürtige Ukrainer hat als Cheftrainer in einem Jahr zu viel geleistet (und zu viele Punkte geholt), um ihn grundsätzlich infrage zu stellen, aber sein Trainerteam wird sich schon fragen lassen müssen, warum es ständig die Formationen tauscht. Gegen Borussia Dortmund (1:3) kam jüngst eine Fünferkette zur Anwendung, in die sogar Bartels eingebunden war. Skripniks Problem: Sein eigentlich bevorzugtes 4-4-2-System mit Mittelfeldraute, mit dem Werder im Winter und Frühjahr den Kraftakt zum Klassenerhalt schaffte, kann er nicht anwenden. Dafür fehlt schlicht das Personal.

Nun droht auch noch Anthony Ujah auszufallen

Der an der Leiste operierte US-Nationalstürmer Aron Jóhansson fällt mindestens bis zum Jahresende aus, Youngster Melvyn Lorenzen ist noch zu grün - und der mittlerweile 37-jährige Pizarro nicht fit. Dass der peruanische Publikumsliebling zuletzt mit Kurzeinsätzen abgespeist wurde, war bezeichnend: Mangels Fitness konnte der Ausnahmefußballer keine Hilfe sein. "Er macht Fortschritte. Er ist schon ein bisschen spritziger geworden", sagt Skripnik. Aber fraglich ist, ob er dem Hoffnungsträger einen Einsatz in der Startelf anvertraut.

Vielleicht nur dann, wenn auch noch Anthony Ujah (Rippenprellung) ausfallen sollte? Der Zugang vom 1. FC Köln zählt zu denjenigen, die Werder eigentlich gar nicht mehr ersetzen kann. Der Kader ist derart auf Kante genäht wie bei keinem anderen Klub. Schon der Ausfall des zuletzt positiv aufgefallenen Österreichers Florian Grillitsch (Muskelfaserriss) ergibt ein weiteres Problem. Doch Skripnik und Eichin wollen nicht jammern. Für den Trainer zähle Werder zu den "70 Prozent der Bundesliga-Tabelle, die unzufrieden sind". Und der Manager meint: "Unsere Mannschaft macht überhaupt nicht den Eindruck, dass ihr die Knie schlottern."

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