Auftaktsieg bei der Handball-WM:Hoher Sieg unter gewaltigem Druck

Germany v Brasil - Men's Handball World Championship 2013

Gut gekämpft gegen die Brasilianer: Stefan Kneer (links) und Dominik Klein (Mitte).

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Die erste Halbzeit schwach, die zweite lockerleicht: Mit einem 33:23-Sieg gegen Außenseiter Brasilien startet die deutsche Handball-Nationalmannschaft überraschend gut in die WM. Der umstrittene Bundestrainer Martin Heuberger dürfte nun etwas ruhiger arbeiten können.

Von Carsten Eberts

Die Diskussion war Gift, ähnlich hilfreich wie etwa die Verletzung sämtlicher Stammkräfte. Die ARD berichtete kurz vor dem WM-Auftakt der deutschen Nationalmannschaft, eine Opposition im deutschen Handball plane die Inthronisierung des Kieler Coaches Alfred Gislason als Bundestrainer. Die Diskussion ging natürlich zu Lasten des aktuellen Nationaltrainers Martin Heuberger, der seit seiner Amtsübernahme nur wenige positive Ergebnisse liefern konnte.

Egal, wie groß der Wahrheitsgehalt dieser Gedankenspiele ist - sie setzten den Bundestrainer vor dem WM-Auftaktspiel gegen Brasilien noch mehr unter Druck. Heuberger sah deshalb nach dem Spiel ziemlich erleichtert aus: Seine Mannschaft hatte Außenseiter Brasilien nach anfänglichen Schwierigkeiten locker 33:23 besiegt und für einen überraschend guten Start ins WM-Turnier gesorgt."Ich hatte schon ein mulmiges Gefühl im Magen", erklärte Heuberger anschließend, "aber insgesamt war es ein ordentlicher Auftakt. Riesen-Kompliment an die Mannschaft, sie war heute fokussiert."

Auch Kapitän Oliver Roggisch sagte: "Wir waren ein bisschen nervös, vor allem die jungen Spieler wussten manchmal nicht, wo sie stehen. Die zweite Halbzeit war dafür schon ganz ordentlich."

Die Brasilianer waren zum Auftakt ein Gegner, den normalerweise auch die deutsche Junioren-Nationalmannschaft besiegen muss. Diesen Gegner müsse man sogar schlagen, wenn die Mannschaft direkt vom Mallorca-Urlaub kommt, unkte Fernsehexperte Bob Hanning. Apropos Hanning: Vor dem WM-Auftaktspiel wurde ebenfalls bekannt, dass der Manager der Füchse Berlin für das Amt des DHB-Vizepräsidenten kandidieren will. "Ich stelle meine Arbeitskraft zur Verfügung", erklärte Hanning generös. Mächtig was los beim deutschen Handballbund.

Offensive Brasilianer

Die Brasilianer agierten mit einer sehr offensiven 3-2-1-Formation. Für die deutschen Nationalspieler insofern ungewohnt, dass die Variante zwar im deutschen Jugendbereich verstärkt gelehrt wird, sich auf dem hohen Niveau in der Bundesliga jedoch nie durchgesetzt hat.

Das deutsche Team begann überaus nervös. Es gelang zwar häufig, die Brasilianer durch schnelles Verlagern oder Anspiele an den Kreis auseinanderzuspielen. Die Chancenverwertung bot jedoch Anlass zur Sorge - allein Adrian Pfahl, der sonst so treffsichere Rückraummann aus Gummersbach, zielte in den ersten neun Spielminuten gleich viermal daneben. Pfahl wurde daraufhin ausgewechselt. Nach zehn Minuten lag das deutsche Team 3:5 zurück.

Knappe Führung zur Halbzeit

Schön anzusehen war das Spiel in den ersten 30 Minuten wahrlich nicht. Die Brasilianer kämpften leidenschaftlich, die Deutschen taten sich trotz individueller Überlegenheit schwer. Heuberger reagierte und wechselte durch: Kneer, Haaß, Pfahl und Wiencek mussten raus, dafür kamen Christophersen, Strobel, Weinhold und Theuerkauf. Das deutsche Spiel besserte sich leicht, bis zur Halbzeit warf die neue Formation eine knappe 12:10-Führung heraus.

Ein solches Ergebnis gegen zweitklassige Brasilianer - lief da etwas gewaltig schief? Gut spielten die Deutschen nicht, für Panik war es allerdings zu früh. WM-Eröffnungsspiele gehören nicht gerade zur deutschen Spezialität. Sogar bei der WM 2007, als Deutschland den Titel holte, gelang gegen eben jene Brasilianer nur ein knapper Sieg. Zudem waren die Unzulänglichkeiten in der Konzentration und im Abschluss in der ersten Halbzeit so offensichtlich, dass in diesen Punkten eigentlich nur Besserung eintreten konnte.

Der Start in die zweite Halbzeit gelang konzentrierter - und schon lief es. Der Flensburger Steffen Weinhold warf zwei schnelle Tore zum 14:10. Da nun auch endlich das Tempospiel funktionierte, stand es kurz darauf bereits 20:14. Den größten Sorgen hatte sich das junge deutsche Team damit entledigt, die Gegenwehr der Brasilianer sank minütlich. "Die sind platt", analysierte Bundestrainer Heuberger in der brasilianischen Auszeit treffend. Das Rezept: noch mehr Tempo-Gegenstöße.

Um das Tempo hochzuhalten, wechselte Heuberger weiter durch. Nationalmannschafts-Neuling Kevin Schmidt kam bei seinem WM-Debüt gleich auf fünf Treffer. Im Rückraum empfahl sich insbesondere Weinhold (sieben Tore) für weitere WM-Aufgaben. Weil er abgezockt agierte und sich kaum Fehlversuche leistete. Später wurde er zum "Mann des Spiels" gewählt.

Schon am Sonntag geht es mit dem zweiten Gruppenspiel weiter. Dann folgt mit Gegner Tunesien ein härteres Kaliber - jedoch immerhin keine unangenehme 3-2-1-Abwehr, sondern eher eine konservative 6-0-Formation. "Jedes Spiel wird ein Neustart für uns", warnt Heuberger trotzdem. Mit dem Sieg zum Auftakt wird er nun ein wenig ruhiger arbeiten können. Die ätzenden Diskussionen um seine Zukunft sind für einen Zeitpunkt nach der WM ohnehin deutlich besser terminiert.

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