Aufstiegskampf in der zweiten Liga:Borussia Paderborn

Seit dem Sieg gegen Eintracht Frankfurt ist der SC Paderborn der heimliche Aufstiegskandidat der zweiten Liga - ein Überraschungsteam wie Borussia Mönchengladbach in der Bundesliga. Dennoch haben die Westfalen mit Widrigkeiten zu kämpfen. Verletzungspech ist dabei das kleinste Problem.

Ulrich Hartmann

Kurz vor dem Anpfiff dröhnte Queens Klassiker "I want it all" aus den Lautsprechern. Es sollte bloß keiner glauben, dass beim SC Paderborn alle Ansprüche schon hinfällig wären, dass acht Verletzte und eine 1:5-Niederlage in Fürth aus frechen Außenseitern zahnlose Tiger gemacht hätten. Auch die Aussicht, die besten Spieler in der kommenden Saison bei allen möglichen Konkurrenten wiederzusehen, wurde bislang nicht zu einer lähmenden Hypothek.

SC Paderborn - Eintracht Frankfurt

Paderborns Florian Mohr jubelt nach dem Sieg gegen Eintracht Frankfurt.

(Foto: dapd)

"I want it all" - ein Lied als Signal. Sportdirektor Michael Born sagt zwar bloß: "Wir wollen uns nicht abschütteln lassen." Doch hinter dieser Demut steckt großer Fußball. Am Sonntag besiegten die oszillierenden Ostwestfalen Eintracht Frankfurt in sehenswerter Manier mit 4:2 (2:2). "Der Sieg könnte uns einen weiteren Schub geben", sagt Born. Träumt Paderborn von der Bundesliga? "Wenn wir die Saison so weiter spielen, haben wir vielleicht eine Chance", sagt Trainer Roger Schmidt, "aber ich weiß nicht, ob wir das hinkriegen."

Vier Lang- und vier Kurzzeitverletzte hatten Schmidt dazu gezwungen, die Mannschaft umzubauen. Die Leidenschaft und das geradlinig schnelle Spiel, diesmal durch die Lücken der lethargischen Frankfurter Defensive, beeinträchtigte das nicht. Die frühe Paderborner 2:0-Führung durch Nick Proschwitz (6. Minute) und Mehmet Kara (18.) glichen die Frankfurter Benjamin Köhler (26.) und Alexander Meier (42.) bis zur Pause zwar aus, doch in der 58. Minute brachte der von Borussia Mönchengladbach ausgeliehene Lukas Rupp Paderborn erneut in eine Führung, die der Außenverteidiger Jens Wemmer in der 64. Minute auf 4:2 ausbaute.

"Die Mannschaft ist an ihre Grenzen gegangen und hat noch einmal alles abgerufen, was uns in dieser Saison so stark macht", sagte Schmidt stolz und war selbst perplex: "Dass wir Eintracht Frankfurt so beherrschen können, hatte ich nicht erwartet."

"Unsere Situation", sagt der Sportdirektor Born, "ist ja ein bisschen vergleichbar mit Mönchengladbach." Eine Mannschaft, die vor der Saison niemand auf der Rechnung hatte, spielt plötzlich vorne mit und weckt zugleich Begehrlichkeiten bei der Konkurrenz. "Wir leiden unter dem Fluch der guten Tat", sagt Born. Die vielen guten Spieler, die den vormaligen Abstiegskandidaten in ein Spitzenteam verwandelt haben, werden plötzlich von anderen Klubs umworben.

Sparsamkeit als Schicksal

Innenverteidiger Florian Mohr geht im Sommer zum FC St. Pauli, der Stürmer Sören Brandy zum MSV Duisburg und auch der momentan einen Kreuzbandriss auskurierende Innenverteidiger Sören Gonther geht fort, weiß aber noch nicht wohin, womöglich ebenfalls zum FC St. Pauli. Der VfL Bochum hat angeblich Interesse an Linksverteidiger Thomas Bertels, und mit dem Verbleib des besten Zweitliga-Torjägers Nick Proschwitz (15 Tore) rechnet sowieso niemand. "Es ist doch legitim, wenn Spieler Angebote von wirtschaftlich besser gestellten Vereinen annehmen", sagt Born ohne Illusionen.

Das Schicksal ihres zur Sparsamkeit verdonnerten Klubs versuchen die Paderborner durch eine Philosophie zu überwinden, die auf taktische Finesse, innere Harmonie und juvenile Förderung abzielt. Eine junge Belegschaft und eine erquickende Mentalität sollen als Erfolgsfaktoren im Sommer in einer Art Leitfaden festgehalten werden, den Manager Born, Trainer Schmidt und Präsident Wilfrid Finke gemeinsam ausformulieren wollen.

"Diese Philosophie leben wir natürlich längst", betont Born und nennt als wichtigen Faktor für die Fortsetzung dieses Ansinnens, dass der Vertrag mit dem Trainer Schmidt bereits bis 2014 verlängert werden konnte. Befürchtungen, dass neben den besten Spielern auch der 44-jährige Coach von der Konkurrenz abgeworben werden könnte, will Born nicht haben. "Er ist keiner, der so eine Aufgabe anfängt und dann gleich wieder weg ist", sagt Born. "Roger Schmidt ist hier noch lange nicht am Ende."

Immerhin, auch die Verträge von Kapitän Markus Krösche, Torwart Lukas Kruse, Innenverteidiger Christian Strohdiek sowie den Außenverteidigern Jens Wemmer und Markus Palionis wurden bereits verlängert. Bei Enis Alushi kämpft der Klub noch. Doch die Mittel sind begrenzt. Der SC Paderborn hat einen Etat von gut fünf Millionen Euro. Eintracht Frankfurt gibt in dieser Saison geschätzt das Fünffache aus. Die Klubs sind jetzt punktgleich.

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