Aufstiegschancen des TSV 1860 München:Und dann wird ein Fax an Hoeneß verschickt

Die 2. Liga startet und 1860 München spielt zum Saisonbeginn gegen Jahn Regensburg - doch alle reden nur von einem Thema: dem Aufstieg. Die SZ präsentiert sechs Gründe, wieso die "Löwen" es endlich in die erste Bundesliga schaffen. Und sechs Gründe, wieso es wieder einmal nicht klappt.

Markus Schäflein und Philipp Schneider

I. Die Stimmung

TSV 1860 München - FSV Frankfurt

Gelingt dem TSV 1860 München diesmal der Aufstieg? Trainer Reiner Maurer (rechts) und Präsident Dieter Schneider.

(Foto: dpa)

Stimmung ist viel zu gut: Alle reden vom Aufstieg. "Wir schalten jetzt um auf Attacke", sagte Geschäftsführer Robert Schäfer, der "den besten Kader seit 2005" diagnostizierte. Mittelfeldspieler Maximilian Nicu meinte: "Bei einem guten Start ist alles möglich." Und Trainer Reiner Maurer sagte bei der Vorstellung der neuen Leibchen: "Das sind die richtigen Trikots für den Aufstieg."

Klingt vielversprechend - verspricht nämlich großes Scheitern im klassisch-dramatischen Sinn mit prima Fallhöhe. Falls die Mannschaft aus Versehen auf Attrappe umschaltet, wandern die Hemdchen in die Kleidersammlung. Daraufhin wird der Verein in seiner Stadionzeitung behaupten, es gebe jetzt aufgrund der großen Euphorie "den ersten 1860-Fanclub in Nigeria".

Stimmung ist genau richtig: Es reden nicht alle vom Aufstieg. "Wir wollen um den Aufstieg mitspielen", sagt der listenreiche Sportchef Florian Hinterberger; und wenn Trainer Maurer nicht gerade von heimtückischen Journalisten unvorbereitet beim Abendbrot überfallen wird, dann gibt er sich besonnen und mathematisch brillant: "Wir wollen besser als Sechster werden. Das bedeutet, dass wir zwischen Platz fünf und eins landen wollen."

So wird's gemacht: In den vergangenen 3872 Jahren hat der Traditionsverein TSV 1860 v. Chr. München seine Ziele nie erreicht. Also besser alles wachsweich halten. Blöd nur, dass neulich auch noch Aufstiegstrainerlegende Ewald Lienen um die Ecke kam: "Sechzig ist mein Aufstiegsfavorit!". Seine Augen sollen feucht geglänzt haben. Danke dafür, Aufstiegsverderber.

II. Die Defensive

II. Die Defensive

Die Defensive ist zu alt: Aufstieg mit dem Altersheim? Die von Maurer als Defensiv-Formation eingeplanten Akteure sind im Schnitt 30,42 Jahre alt. Zur seniorengemäßen Verletzungsanfälligkeit gesellt sich die Gefahr, dass junge Gazellen den Löwen davonrennen.

Und dann die Kommunikation: Sechser Grigoris Makos, mit 25 Jahren der mit Abstand Jüngste, und Rechtsverteidiger Grzegorz Wojtkowiak sind des Deutschen nicht mächtig. Immerhin spricht Linksverteidger Moritz Volz Deutsch, er hat ja sogar ein Buch geschrieben.

Die Defensive ist das Prachtstück: Welcher Zweitligist hat schon Nationalspieler wie Wojtkowiak und Makos in seiner Defensivabteilung? Hm? Eben! Und Spieler eines solch vortrefflichen Kalibers müssen sich ohnehin nicht verständigen. Es herrscht gar blindes Spielverständnis, das ist bekanntlich Nationalmannschaftseinstellungskriterium, egal ob in Brasilien oder in Burkina Faso.

Zudem beschreibt Volz in seinem Buch "Unser Mann in London", wie sich seine Mannschaftskollegen bei Arsenal London einst über seinen Akzent lustig machten und ihn mit Hitler-Witzen begrüßten. Besser so wenig wie unbedingt nötig reden.

III. Die Offensive

III. Die Offensive

Probleme in der Offensive: Hier verfügt Maurer zugegebenermaßen auch quantitativ über Qualität. Aber trotzdem: die Kommunikation! Ismael Blanco und Marin Tomasov sprechen gar kein Deutsch, Moritz Stoppelkamp nur bruchstückhaft.

Harmonie in der Offensive: Tomasov wird kaum Unruhe in der Mannschaft auslösen, selbst wenn er auf die Bank muss. Er lässt sein Kroatisch nämlich gerne vom des Serbokroatischen mächtigen Necat Aygün übersetzen. Der zensiert dann den Inhalt. Neulich ließ sich Tomasov zu einer Lobpreisung des Dolmetschers Aygün hinreißen: "Necat ist wie von Gott gegeben!" Nicht überliefert ist, ob Aygün das Lob selbst übersetzte. Mit Zensur könnte es jedenfalls harmonisch werden bei Sechzig.

IV. Die Arena

IV. Die Arena

Doofe Arena: In der vergangenen Saison hatten sie bei Sechzig diese spitzenmäßige Idee: Die Sitze im oberen Rang wurden mit blauen Werbeplanen abgedeckt, damit niemand merken konnte, dass er mit seinem Sitznachbarn alleine saß in den Unweiten der viel zu großen Arena von Uli Hoeneß. Die Abdeckung soll nun an diesem Samstag teilweise und vorübergehend abgenommen werden, weil sich so viele Menschen angekündigt haben, um die neuen Spieler anzuschauen.

Nicht, dass am Samstag irgendwer keine Tickets mehr kaufen kann, wo sie doch in der Vergangenheit so oft verschenkt werden mussten. Neue Spieler werden zum Glück sehr schnell langweilig. Bessere Idee also: Am Samstag, 29. September (13 Uhr), im Heimspiel gegen den SV Sandhausen auch den Mittelrang abdecken. Und den Gästeblock. Vielen Löwenfans wäre es ohnehin am liebsten, einfach die komplette Arena abzudecken. Dieser Sehnsucht werden sie mit endlosen Gesängen Nachdruck verleihen, wobei sie vergessen werden, die Mannschaft anzufeuern.

Super Arena: siehe Fax der puren Genugtuung (Saisonhöhepunkt).

V. Die Saison

Uli Hoeneß

Ob er Post von den "Löwen" kriegt? Bayern-Boss Uli Hoeneß. 

(Foto: dpa)

V. Die Saison

Saisontiefpunkt: Am 9. Dezember verliert der siebtplatzierte TSV 1860 München 0:1 beim Tabellenletzten SSV Jahn Regensburg. Ein bekanntes Gesicht ist auf der Tribüne zu sehen: Benjamin Lauth. Der Stürmer war im September wegen der schlechteren Torausbeute (zwei Treffer) im Vergleich zu Blanco (drei) aus der Startformation geflogen, hatte sich heftig beschwert ("Der Blanco ist doch ein Mädchen, der heult nur rum, und nicht mal auf Deutsch!") und war suspendiert worden.

In der Winterpause soll Lauth an die Regensburger verliehen werden, um sie zum Klassenerhalt zu schießen. Zur Finanzierung von Lauths Gehalt gibt Regensburg seinen kompletten Restkader an die Löwen-U-21 ab, um sie zum Klassenerhalt in der Regionalliga zu schießen. Im Spiel erhält Kai Bülow, der den seit Mitte August verletzten Necat Aygün in der Innenverteidigung vertritt, in der siebten Minute wegen Handspiels seine dritte rote Karte der Saison, Jahn-Torwart Michael Hofmann verwandelt den Elfmeter zum 1:0.

Die Löwen haken nach der Niederlage den Aufstieg ab. "Das sind Trikots für einen Mittelfeldplatz", klagt Trainer Reiner Maurer. Mittelfeldspieler Maximilian Nicu betont: "Ich habe ja gleich gesagt, wir hätten einen guten Start gebraucht." Und Geschäftsführer Robert Schäfer kündigt an, im Winter "den besten Kader seit Sommer" zu bauen: "Wir schalten jetzt um auf Verarsche."

Saisonhöhepunkt: Am Samstag, 20. April 2013, schreitet der Vereinspräsident des TSV 1860 München zu seinem Faxgerät, um eine Nachricht in Richtung Tegernsee zu schicken. Otto Steiner schreibt:

"Lieber Herr Hoeneß,

herzlichen Dank für Ihre Glückwünsche zu unserem Aufstieg fünf Spieltage vor Ende der Saison. Wie Ihnen vielleicht nicht entgangen ist, können wir uns vor unserem Heimspiel gegen den FSV Frankfurt nicht vor Ticketanfragen retten. Mit Verlaub: Wir sind Ihrer Arena längst entwachsen, kaum auszudenken, wie es erst nächste Saison weitergehen soll, wenn wir den alten und neuen deutschen Meister Borussia Dortmund empfangen. Wie besprochen, sende ich Ihnen meinen Vorschlag zum Ausbau der Arena, andernfalls müssten wir uns nach einem größeren Mietstadion umsehen (Franz Maget sucht bereits nach passenden Grundstücken für andere Vereine).

Die Idee ist, dass wir das Spielfeld der Arena auf ein Niveau unterhalb der U-Bahn-Strecken U1 und U2 absenken. Ganz unten, im Erdreich sozusagen, könnten wir so 20.000 neue Sitzplätze schaffen, hinzu kämen etwa 500 VIP-Logen. Es gibt dort leider multiple Maulwurfaktivitäten, Franz Maget prüft aber gerade eine gewiefte Kampagne, wie wir die Naturschützer auf unsere Seite bekommen. Auch die Finanzierung ist so gut wie geklärt: Hasan Ismaik (oder Hamada Iraki, ganz gleich) gewährt Ihnen ein Darlehen zu 18,2 Prozent Zinsen. Zurückzahlen müssen Sie das Geld nur dann, wenn Ihr Klub Gewinn erwirtschaftet. Ist das nicht was?

Herzlichst, O.S.

P.S. Hätten Sie Verwendung für etwa 23.000 Quadratmeter blauer Plane? Sonst nähen wir daraus Zelte für Notunterkünfte.

Drei Tage später schreibt Hoeneß:

"Sehr geehrter Herr Steiner,

ich bin für solche Anliegen nicht länger zuständig. Ich habe doch eigens den Nerlinger rausgeworfen, weil der niemals mehr ein Hoeneß geworden wäre. Bitte an Sammer faxen. Was ist mit der Option: Kofferpacken und endlich ausziehen? Fährt die U1 nicht ohnehin durch Giesing? Bitte prüfen! Mein Verein leiht sich kein Geld, wir wissen doch gar nicht wohin damit.

Mit freundlichen Grüßen, U. Hoeneß, Ehrenpräsident FCB.

VI. Der Investor

VI. Der Investor

Böser Investor: Hasan Ismaik, der Li-La-Launebär, bringt den Löwen bei Anwesenheit Glück und prima Stimmung. Leider kommt er viel zu selten nach München, um den Aufstieg zu garantieren. Die Spiele zu gewinnen, bei denen Ismaik zusieht, das reicht nicht einmal zum Klassenerhalt.

Listiger Investor: Hasan Ismaik erscheint erstmals zum Heimspiel gegen den FSV Frankfurt. Gemeinsam mit Uli Hoeneß raucht er eine Schischa auf der Tribüne. Die Journalisten schreiben: "Friedenspfeifengipfel mit Hoeneß in der Arena. Spielt 1860 schon übernächste Saison Champions League gegen Barcelona im Erdreich? Von hinten schleicht sich Otto Steiner heran: "Herr Hoeneß, die Planen . . ."

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