Attacke auf Kevin-Prince Boateng:Aufregung im Schalker Milieu

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Ärger auf der Straße: Kevin-Prince Boateng erstattete Anzeige gegen Unbekannt. (Foto: AFP)

Der Volksklub aus dem Revier sorgt für Festtags-Trubel: Kevin-Prince Boateng wird überfallen und leicht verletzt - Jan Kirchhoff kommt vom FC Bayern. Aus all diesen Zutaten ergibt sich der Eindruck, dass in Schalke selbst dann eine Menge los ist, wenn eigentlich alle auf Erholung aus sind.

Von Philipp Selldorf, Köln

Während der Weihnachtsfeiertage hatte die Kreispolizeibehörde Rhein-Kreis Neuss erfreulicherweise wenig mitzuteilen. Es gab einen Einbruch in Grevenbroich-Orken und einen weiteren in Jüchen, bei dem ein Sparbuch abhanden kam, und auch der Bericht über das Körperverletzungsdelikt, das am ersten Weihnachtsfeiertag um 12:45 Uhr in Kaarst geschah, wäre üblicherweise nicht geeignet, für viel Aufsehen zu sorgen.

"Ein 26-jähriger Mann mit Wohnsitz in Meerbusch wurde auf der Straße von einem bisher unbekannten Mann körperlich attackiert", hieß es im Protokoll. Das Opfer erlitt leichte Verletzungen, der Anlass des Angriffs sei wohl privater Natur, stellte die Polizei fest. Die Kripo ermittelt und sucht Zeugen des Vorfalls in der Straße "An der Hecke".

Da es sich bei dem besagten 26-Jährigen aber um den Schalker Profi Kevin-Prince Boateng handelte, fand der Fall starken Widerhall in der Öffentlichkeit, in- und ausländische Medien berichteten darüber, und die Millionen Menschen zählende Fangemeinde, die Boateng auf Facebook und bei Twitter vereint, nahm ebenfalls lebhaft Anteil. In Kaarst hatte Boateng seinen fünfjährigen Sohn besucht, der dort bei seiner Mutter lebt.

Auch Schalke 04 reagierte. Am zweiten Weihnachtsfeiertag gab es einige Telefonate in Gelsenkirchen, auch der starke Mann des Vereins, Aufsichtsratschef Clemens Tönnies, war involviert. Unter anderem vermittelte der Klub seinem Spieler einen Rechtsanwalt, der Bochumer Strafverteidiger Professor Klaus Bernsmann nimmt sich nun der Sache an.

Es geht dabei nicht so sehr ums Juristische, eher um eine Geste der Fürsorge und Absicherung. Bernsmann ist Mitglied des Schalker Ehrenrates und hat Tönnies vor zwei Jahren in einem Prozess um dessen Schlachterei-Betrieb und um angeblich falsch etikettiertes Hackfleisch vertreten. Aus all diesen Zutaten ergibt sich der Eindruck, dass in Schalke selbst dann eine Menge los ist, wenn niemand da und eigentlich nichts los ist.

Für Kevin-Prince Boateng, der am Donnerstag in einen kurzen Winterurlaub abgereist ist, bevor die Mannschaft am 3. Januar zur Rückrundenvorbereitung zusammenkommt, ist die Sache nicht angenehm. Er ist zwar bekannt für seine Mitteilungsfreude - die Nachricht von der Schwangerschaft seiner Freundin hat er kürzlich dreisprachig in die Welt gesandt, und an Heiligabend verbreitete er ein Panoramafoto von der Familie unter dem Weihnachtsbaum (Halbbruder Jerome Boateng war auch dabei) -, aber auf diese Sorte von öffentlicher Präsenz würde er gern verzichten. Seitdem er aus Mailand nach Deutschland zurückgekehrt ist, zieht er im Sportlichen und im Persönlichen die Schlagzeilen an, und er hat lernen müssen, sich damit zu arrangieren.

Schalke-Spieler verletzt
:Kevin-Prince Boateng auf der Straße attackiert

Fußballer Kevin-Prince Boateng ist in Kaarst auf der Straße attackiert worden - er wurde leicht verletzt. Die Polizei ermittelt, sie vermutet ein Motiv im persönlichen Umfeld des Schalke-Spielers.

Er weiß, dass er es nicht verhindern kann, wenn Bild, wie neulich geschehen, zum Prozess über das Sorgerecht für seinen Sohn erscheint, doch er ärgert sich darüber, dass bei ihm alles Private sogleich öffentlich wird. Wie sein Arbeitgeber, der sich seiner vielen Anhänger und Mitglieder rühmt, genießt er die Popularität - und leidet zugleich an den wirren und manchmal unbeherrschbaren Folgen.

Deal bis 2015
:FC Bayern leiht Kirchhoff an Schalke aus

Erst vor wenigen Monaten wechselte Jan Kirchhoff zum FC Bayern - jetzt geben die Münchner den 23-Jährigen schon wieder ab. Bis 2015 spielt er bei Schalke, denn Jens Kellers Team benötigt dringend Verstärkung in der Abwehr.

Auf Jan Kirchhoff scheint dieses nicht immer leistungsfördernde Milieu aber nicht abschreckend zu wirken. Nach einem halben Jahr beim FC Bayern, das ihm mangels Einsätzen sportlich nicht viel gebracht hat, entschied sich der Verteidiger jetzt zu einem Engagement in Gelsenkirchen, wo er sich mehr Spielpraxis erhofft. Bayern und Schalker einigten sich bereits vor den Festtagen auf ein Leihgeschäft bis 30. Juni 2015, am Freitag gaben sie den Handel bekannt.

Kirchhoff hätte auch andere Herausforderungen wählen können. Unter anderen hatte der 1. FC Nürnberg Interesse gezeigt, beim Club hätte der 22-Jährige sicherlich gute Aussichten auf einen Stammplatz gehabt, doch wie im Sommer, als er ablösefrei vom FSV Mainz 05 nach München kam, entschied er sich für die anspruchsvollere Lösung: Der Club kämpft gegen den Abstieg, Schalke um den Anschluss an die Europacup-Ränge.

In Gelsenkirchen kann Kirchhoff kurzfristig die Lücke im Kader schließen, die durch die Ausfälle der Kreuzbandpatienten Marko Höger und Dennis Aogo entstanden ist. Was das defensive Mittelfeld angeht, musste Trainer Jens Keller zuletzt den Notstand verwalten. Außerdem ist dieser Mannschaftsteil eine besonders neuralgische Zone im Schalker Spiel - defensiv mangelt es an Stabilität, offensiv an Antriebskraft.

Mittelfristig könnte Kirchhoff den Platz von Jermaine Jones übernehmen, der im Sommer wohl Abschied nimmt. Ob Aogo in Schalke bleibt, ist offen, er hat noch einen Vertrag mit dem Hamburger SV. Kevin-Prince Boatang dürfte die Verpflichtung aus München willkommen heißen: Auch er musste zuletzt im defensiven Mittelfeld aushelfen, lieber sieht er sich auf einem offensiven Posten.

© SZ vom 28.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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