AS Rom wird nicht russisch:Großer Bogen um den Petersplatz

Der russische Ölkonzern Nafta hat die Verhandlungen um den italienischen Rennomierclub platzen lassen. Ein Einstieg in die skandalgeschüttelte Serie A war wohl selbst den Russen zu heiß.

Von Birgit Schönau

Verhandelt wurde im Palazzo Torlonia unweit der Spanischen Treppe. Auf der einen Seite der AS Rom, auf der anderen eine Delegation des russischen Petrolkonzerns Nafta.

Die Prinzen Torlonia sind die Parvenüs im tausendjährigen römischen Adel, Ausländer zumal, angekommen erst im 18. Jahrhundert aus Frankreich, steinreich. Insofern stimmte der spritus loci. Vier Tage und Nächte lang berieten die Manager des AS Rom und ihre Partner aus Moskau über das Schicksal der hoch verschuldeten Roma, und am Ende schien die Übernahme des Traditionsvereins durch Nafta beschlossene Sache.

Anruf aus Russland

Sonntagnacht jedoch klingelte im Palazzo Torlonia das Telefon. Ein Anruf aus Russland: Alles abbrechen, wir machen das nicht. Es habe ein "radikales Umdenken" seiner Firma gegeben, erklärte später Nafta- Sprecher Mikhail Smirnoff. Und dabei sei es nicht um Geld gegangen. "Die Lage des italienische Fußballs ermutigt zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu großen Investitionen." Anders ausgedrückt: Die Serie A ist selbst den Russen zu heiß.

Vorangegangen war dem Njet aus Moskau eine Großrazzia der italienischen Finanzpolizei in 51 Profiklubs sowie in den Geschäftsstellen des Fußballverbandes und der Liga. Über 400 Polizisten waren vergangene Woche im Einsatz, die auf der Suche nach Beweismaterial zwei Lastwagen mit beschlagnahmten Dokumenten füllten.

Der italienische Fußball steht im Verdacht, in großem Stil Bilanzen gefälscht und Steuern hinterzogen zu haben. Allein die Staatsanwaltschaft Rom hat elf Ermittlungsverfahren eingeleitet, auch das Parlament befasst sich in einem Untersuchungsausschuß mit den Problemen des fünftgrößten Wirtschaftsunternehmens im Land, dessen 18 Erstligaklubs mit insgesamt zwei Milliarden Euro verschuldet sind.

Berlusconi attackiert

"Eine Aktion wie in einem Polizeistaat", attackierte Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi die Arbeit der Ermittler, nachdem auch sein Klub, der Tabellenführer AC Mailand, Besuch von der Finanzpolizei bekommen hatte. Andere begrüßten die Kontrollen. "Wir spielen zwar nicht besonders gut, aber unsere Bilanzen sind in Ordnung", verlautete vom AC Turin.

Bei der Roma dürfte es genau umgekehrt sein. Mit einem Torverhältnis von 51:10 präsentiert die Tabellenzweite nach 23 Spieltagen den besten Sturm und die beste Abwehr der Liga, am Sonntag gewann die von Francesco Totti geführte Mannschaft im Schneegestöber 4:1 gegen Parma. Doch der sportliche Höhenflug und die Begeisterung der Tifosi reichten nicht aus, um die Ölmilliardäre aus Russland zu überzeugen.

"Meine Mandanten waren bereit, 500 Millionen Euro zu investieren", sagte Salvatore Trifirò, der Rechtsanwalt, der Nafta in der italienischen Hauptstadt vertritt. "Aber die Razzia vom letzten Donnerstag hat alles gekippt. Wir haben Garantien verlangt, die unsere Verhandlungspartner uns nicht geben konnten."

Kalte Füße

Zehn Stunden lang durchsuchte die Polizei die Roma-Geschäftsstelle am südlichen Stadtrand - dabei bekamen die Russen wohl endgültig kalte Füße. "Schon die Fälle Lazio Rom und AC Parma hatten uns nachdenklich gestimmt", berichtete Avvocato Trifirò. Schließlich sitzen deren ehemalige Besitzer inzwischen im Knast. "Nach der Razzia müssen wir außerdem befürchten, dass der AS Rom keine Lizenz für die nächste Champions League bekommt."

Wenig Aussichten auf Gewinn, aber dafür den Staatsanwalt an den Waden - da hat Nafta-Chef Suleiman Kerimow dankend abgewinkt und die reservierten Salons in einem römischen Luxushotel, wo er eine rauschende Roma-Party geben wollte, lieber ganz schnell abbestellt. Für die Tifosi eine kalte Dusche. Sie hatten schon davon geträumt, dass die Russen den Rubel für den Ankauf neuer Stars so richtig rollen lassen würden.

"Russen oder staatenlos, es ist uns egal, wer unsere Probleme löst", hatte der alte Senator Giulio Andreotti gesagt, als siebenfacher christdemokratischer Premier seines Landes einst ein bewährter kalter Krieger. "Der heilige Don Bosco hatte Angst davor, dass dereinst die Pferde der Kosaken aus dem Brunnen auf dem Petersplatz trinken würden", fügte Roma-Fan Andreotti listig hinzu - und nicht nur Don Bosco.

Großer Bogen

"Aber wenn die Russen jetzt unsere Mannschaft sanierten, hätte ihn das auch glücklich gemacht." Pustekuchen. Die Kosaken machen um den Petersplatz lieber einen ganz großen Bogen. Stattdessen muss Roma-Patron Franco Sensi, 77, jetzt in die eigene Tasche greifen, um den Klub vor dem Ruin zu retten. 160 Millionen Euro bis Ende April.

"Wir sind in der Passionszeit", sinnierte der fromme Senator Andreotti. Wer weiß, ob die für den AS Rom an Ostern schon vorbei ist. Übrigens: Für Lazio Rom, den ebenfalls verschuldeten Rivalen, interessieren sich die Holländer.

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