AS Rom in der Champions League:Versunken in der Unterwelt

Lesezeit: 3 min

Daniele De Rossi: Gegen Manchester City in den Gedanken woanders (Archivbild) (Foto: AFP)

Aus dem AS Rom ist eine verstörte Patienten-Truppe geworden, Schuld hat auch der FC Bayern. Das Champions-League-Aus reißt tiefe Wunden, dabei hatte Daniele De Rossi eh schon eine harte Woche: Er ist in einen Mafia-Skandal verwickelt.

Von Birgit Schönau, Rom

Adem Ljajic ist 23 Jahre alt, ein wendiger, zielsicherer Mittelfeldspieler, den man auch weiter vorn einsetzen kann. Den "Kakà des Ostens" nennen sie ihn, weil das Spiel des Serben an die eleganten Bewegungen des Brasilianers erinnert. Gegen Manchester City spielte er von Anfang an, es war sein erstes Finale in der Champions League, ging es doch in diesem letzten Spiel der Gruppenphase um alles oder nichts: Ein Sieg gegen City hätte Ljajic und seine Roma ins Achtelfinale befördert, eine Niederlage zurück in die Europa League. Am Ende stand es 0:2, die Engländer feierten. Ljajic saß ab der 67. Minute auf der Bank. Und schluchzte.

Wieder und wieder habe er die entscheidenden Szenen vor sich gesehen, gestand er später: "Wenn Holebas doch getroffen hätte" - aber der Grieche bekam den Ball auf den falschen Fuß, den rechten. Wenn Kostas Manolas' Kopfball reingegangen wäre. Wenn Gervinho entschlossener gezielt hätte. Nicht, dass der AS Rom Chancen zuhauf gehabt hätte. Aber immer noch mehr als Manchester City. Die Engländer mussten auf viel Prominenz verzichten, auf den verletzten Sergio Agüero und den gesperrten Yaya Touré, und sie traten in Rom mit viel Respekt vor dem Gegner an.

Schließlich hatte das Team des Franco-Spaniers Rudi Garcia das Hinspiel in Manchester rasant bestritten und war mit dem Endstand von 1:1 nur unzureichend belohnt worden. Aber das war eine andere Mannschaft. Eine Roma, die noch nicht an jener Malaise litt, die Italiens Medien mit "sindrome bavarese" beschreiben: das Bayern-Syndrom. Denn das "trauma tedesco", das deutsche Trauma, die 1:7-Niederlage im Oktober daheim, hat aus den zunächst so leichtfüßig aufspielenden Römern eine verstörte Patienten-Truppe gemacht. Die den eigenen Fähigkeiten nicht mehr traut.

Tempo bis zum Stillstand drosseln

Tatsächlich machte die Roma am Mittwochabend wenig Anstalten, den Gegner zu beeindrucken. Nach dem energischen Auftakt mit den üblichen Schauläufen von Gervinho war die Aggressivität schnell dahin. Vielleicht würde ja ein 0:0 reichen, das am Abend zuvor schon Juventus Turin Atlético Madrid abgetrotzt hatte. Aber um derart beharrlich nicht Fußball zu spielen, braucht es eine ausgekochte Verteidigung. Und einen abgebrühten Mittelfeldregisseur wie Andrea Pirlo, der es versteht, das Tempo bis zum schwebenden Stillstand zu drosseln. Beides hat die Roma nicht.

Ihr 38 Jahre alter Kapitän Francesco Totti gehört zur selben Generation wie Pirlo und ist ebenso talentiert. Aber bei seinem vielleicht letzten Auftritt in der Champions League zeigte Totti, dass er nicht ewig ist. Zu langsam, zu wenig flexibel, ja müde: Immerhin wird der Römer seinen Rekord als ältester Torschütze in der Königsklasse wohl mit in die wohlverdiente Pension nehmen.

Manchester spielte nach der Pause ein Programm, dem Totti und seine Römer wenig entgegenzusetzen hatten: zynischen Effizienzfußball, der vor vielen Jahren in Italien mal sehr erfolgreich zelebriert wurde. Man verzichtete endgültig auf Kunststückchen und zeigte Härte. Ein Schuss von Samir Nasri brachte die Engländer in Führung (60.), und dieses 1:0 konnten sie nahezu mühelos verwalten, bis Pablo Zabaleta in der Schlussphase dann noch der zweite Treffer gelang (87.). Verdient ziehen die Citizens eine Runde weiter - der englische Meister hatte sich in den letzten Partien gesteigert, die bereits qualifizierten Bayern gar 3:2 bezwungen. "Und hier haben wir überzeugend gewonnen", erklärte City-Coach Manuel Pellegrini.

Champions League
:Messi zeigt's Ibrahimovic

Zlatan Ibrahimovic kann den FC Barcelona zwar kurz schockieren, geht aber als Verlierer vom Platz. André Schürrle trifft für den FC Chelsea, patzt jedoch später. Der AS Rom verpasst das Achtelfinale wegen Manchester City.

Sein Team sei schlicht nicht auf dem Niveau des Gegners, gestand Rudi Garcia: "Wenn David Silva nicht spielen kann, haben die Nasri, wenn Agüero ausfällt, tritt Edin Dzeko an." In Rom war der ehemalige Wolfsburger Dzeko übrigens harmloser als der zehn Jahre ältere Totti. Aber das übersah Garcia, er interpretierte seine Niederlage mit der guten alten Theorie, dass mehr Geld halt mehr Spieler bedeutet, ergo auch mehr Chancen und mehr Tore, "man muss sich ja nur mal deren Umsatz anschauen und dann unseren, und dann weiß man Bescheid".

Spezifisch römische Probleme

Das Argument überzeugt fast immer, jedenfalls auf den ersten Blick. Auf den zweiten sieht man, dass City zwar den Scheichs gehört, aber die Roma auch keiner verarmten Familie aus dem Kirchenadel, sondern einer Gruppe versierter amerikanischer Hedgefonds-Zocker. Und auf den dritten Blick kann man erspähen, dass die wahren Probleme des Hauptstadtklubs sehr spezifisch römisch sind.

Gegen City saß der Mittelfeldrecke De Rossi auf der Bank, "weil Daniele", wie sein Trainer mitfühlend verkündete, "eine schwierige Woche hinter sich hat". Die Ex-Frau wegen Wucher und Erpressung verhaftet, er selbst im Trudel des Mafia-Skandals, der die Kapitale gerade empört. Von De Rossi weiß Rom inzwischen, dass er mit einem Gewährsmann eines berüchtigten Kriminellen auf Du und Du stand, ihn einmal sogar Hilfe suchend aus einer Kneipe anrief. Da fühlte De Rossi sich morgens um zwei von einem Fan belästigt. Und anstatt die Polizei zu benachrichtigen, wählte er eine Nummer, die von Anti-Mafia-Ermittlern angezapft war. Der bestbezahlte Fußballer Italiens pflegt also Unterwelt-Kontakte und ist, als das ruchbar wird, in der Champions League nicht einsetzbar.

Von wegen "sindrome bavarese". Man kann es dem jungen Adem Ljajic nachfühlen: zum Heulen.

© SZ vom 12.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: