AS Rom in der Champions League:Römisches Donnergrollen

AS Rom, Champions League, Juan Manuel Iturbe

Blitzstart: Roms Juan Manuel Iturbe bejubelt seinen Führungstreffer nach sechs Minuten gegen ZSKA Moskau.

(Foto: AFP)

Drei Jahre lang musste der AS Rom die Champions League als Zuschauer verfolgen, bei seiner Rückkehr spielt der italienische Hauptstadtklub ZSKA Moskau schwindelig. Trainer Rudi Garcia setzt eine versteckte Drohung gegen die nächsten Gegner ab - Manchester City und den FC Bayern.

Von Birgit Schönau, Rom

Leonid Wiktorowitsch Sluzki ist sowieso schon keine Frohnatur, mit seinem bulligen Gesicht, der starken Unterlippe über dem noch stärkeren Doppelkinn und den ausgeprägten Tränensäcken. Die halbe Welt weiß, dass dem jungen Sluzki eine große Karriere als Torwart beschieden war, bevor er auf einen sehr hohen Baum stieg, um die Nachbarkatze daraus zu retten. Der junge Sluzki rutschte vom Ast, und es war vorbei mit der Fußballerkarriere. Mit seiner tragischen Aura holte er immerhin als Trainer beachtliche Erfolge.

Am Mittwochabend aber, im eisgekühlten Konferenzraum des römischen Olympiastadions, wirkte der Coach von ZSKA Moskau geradezu verstört. "Wir waren auf so etwas nicht vorbereitet", erklärte Sluzki leise auf Russisch. Er meinte: Auf so etwas wie diesen AS Rom. Auf eine italienische Mannschaft, die uns schwindlig spielt, die nach dem fünften Tor noch das sechste sucht, und die einfach dreimal so schnell und viermal so ausgebufft ist wie wir.

Gemütlicher Abend mit Moskauer Melancholikern

Während der Dolmetscher dieses Geständnis auf Italienisch wiederholte, seufzte der traurige Sluzki sehr vernehmlich und abgrundtief. Die Russen im Publikum seufzten mit. Eine 1:5-Niederlage zum Auftakt in der Champions League, wenn das so weitergeht, dürfte es bald vorbei sein mit den Ausflügen in die Stadien Europas.

Es sei denn, Sluzki bereitet seine Mannschaft jetzt mal ganz schnell auf die beiden anderen Gruppengegner vor, den FC Bayern und Manchester City. Umgekehrt dürfen sich diese beiden Teams auf eher gemütliche Abende mit den Moskauer Melancholikern vorbereiten, wenn sie mit ihnen vielleicht auch nicht so viel Spaß haben werden wie die Römer.

Drei Jahre lang musste der AS Rom die Champions League als Zuschauer verfolgen, "jetzt wollten wir unbedingt eine gute Figur machen", erklärte Morgan De Sanctis, der seine Arbeit an diesem Abend weitgehend als Torwartstatue bestritt, weil es so wenig zu tun gab. Aber weil er dennoch schnell genug vom Sockel stieg, um den einzigen gefährlichen Schuss des einzigen Fußball spielenden Russen Dmitri Efremow geistesgegenwärtig abzuwehren, machte auch De Sanctis eine gute Figur.

Derweil machten die Kollegen, was sie wollten, weil sie konnten: Gervinho versorgte erst Juan Iturbe mit dem Ball zum Führungstreffer (6.) und erzielte kurz darauf selbst das 2:0 (10.). Dann war der Brasilianer Maicon dran (3:0/20.), aber Gervinho wollte auch noch mal, umtänzelte routiniert zwei, drei Russen und schob ein zum 4:0. Sechs Torschüsse, vier Treffer, eine halbe Stunde war erst vergangen - und der russische Meister ZSKA blamiert bis auf die Knochen. "Wo ist eigentlich Lazio?" sang da die Südkurve - diese Russen waren den Römern schon langweilig geworden, man sehnte sich jetzt nach einem interessanteren Gegner.

Buntes Aushängeschild für den grauen Calcio

Panisch machte sich die Moskauer Abwehr auf die Socken, sobald der spindeldürre Ivorer Gervinho am Horizont auftauchte, während Russlands italienischer Nationaltrainer Fabio Capello sich auf der Tribüne sein drahtiges Haupthaar raufte. War das wirklich Igor Akinfejew im Tor, der beste Keeper Russlands und Schlussmann der Nationalelf? Ja, so sieht der aus, wenn er im Ausland arbeiten muss. Capello mag nun dämmern, dass man nicht von ungefähr in Putins Reich bestbezahlter Nationaltrainer der Welt werden kann - der Großteil des Gehalts ist dabei allerdings Schmutz- und Schamzulage.

Einst trainierte Capello selbst die Römer, er wurde Meister und erwarb sich den Spitznamen Feldmaresciallo. Jetzt hat der Franco-Spanier Rudi Garcia den Job als Roma-Coach. Innerhalb eines Jahres hat er - mit tatkräftiger Mithilfe des italo-amerikanischen Managements - aus einer wurstigen Truppe verblasster Glorie das fantasiereichste, bunteste Team der Liga geschaffen. Ein Aushängeschild für den sonst so grauen italienischen Calcio. "Wir spielen schönen Fußball mit freiem Kopf", sagte Garcia, als das Match mit einem Eigentor des entwaffnend unfähigen Sergej Ignaschewitsch (50.) und dem 1:5 von Ahmed Musa (82.) beendet worden war.

Mit freiem Kopf erzielte die Roma so viele Tore wie nie in der Champions League. "Sicher, gegen die Bayern und gegen Manchester wird es schwieriger", prophezeite Garcia, "aber es könnte durchaus auch für sie schwierig werden."

Acht Angreifer hat Rudi Garcia, "keiner gleicht dem anderen. Wir sind in dieser Gruppe nur Außenseiter, doch dieser Start beflügelt uns." Wehe aber dem Gegner, wenn den Römern Flügeln wachsen. Wenn das Wetterleuchten Gervinho, der Luftgeist Miralem Pjanic, der Sturmwind Radja Nainggolan und das Irrlicht Iturbe anheben und abheben, gelenkt vom alten Donnergott Francesco Totti, dann kann das ein gewaltiges Spektakel sein. Oder aber ein Sturm im Wasserglas. "Wir sind gut, wenn es uns Spaß macht", versprach Trainer Garcia. Übersetzt klang es wie eine Drohung.

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