Arsenal schlägt Chelsea 2:1:Wahrlich süße Augenblicke

Der FC Arsenal rettet mit dem Pokal-Erfolg eine missratene Saison - und womöglich doch die Zukunft von Trainer Arsène Wenger in London. "Ich bin sehr stolz", sagt der Elder Statesman - und tanzt.

Von Sven Haist, London

Im größten Glücksmoment der Saison behielt Arsène Wenger die Haltung. Seine Spieler hüpften im Kreis umher, aber Wenger schloss sich den Feierlichkeiten nicht an. Bedächtig lief er um sie herum und beglückwünschte lieber jeden Profi mit einer Umarmung. Mehr Emotionen zeigte er unmittelbar nach Schlusspfiff im Wembley. Mehrmals riss er beide Fäuste auf Schulterhöhe hoch, mit einer Entschlossenheit im Gesicht, die andeutete, welche Erfolgslust weiterhin in ihm steckt.

In seiner 21. Saison beim FC Arsenal hat sich Wenger am Samstagabend mit seinem siebten Titel im FA-Cup als Rekordgewinner des Wettbewerbs ins Geschichtsbuch eingetragen - und seinen Klub damit gleichzeitig zum Rekordpokalsieger gemacht. Kein anderer Verein auf der Insel hat 13 Erfolge vorzuweisen. "Ich bin sehr stolz darauf. Glaubt mir: Das ist nicht einfach", sagte Wenger. Sein Team habe gelitten, dann aber Stärke und Geschlossenheit gezeigt: "Eine herausragende Leistung von uns."

Arsenal v Chelsea - The Emirates FA Cup Final

Begehrter Mann in Partystimmung: Arsenals Alexis Sánchez soll auf der Wunschliste Europas großer Klubs stehen.

(Foto: Laurence Griffiths/Getty Images)

Um 19.40 Uhr Ortszeit bekam der deutsche Kapitän Per Mertesacker zu den Klängen von "Sweet Caroline" die Trophäe von Prinz William überreicht. Ein wahrlich süßer Augenblick für Mertesacker selbst und den Klub, bei dem im Verlauf der nächsten Woche die Entscheidung fallen soll, ob Wenger auch zukünftig die Mannschaft anleitet. Sein Vertrag läuft nach fast 21 Jahren bei den Gunners am 30. Juni aus.

"There's only one Arsene Wenger", singen die Fans

Mit Wenger zusammen wird sich Arsenals Führungsetage um Mehrheitseigentümer Stan Kroenke beratschlagen. Der amerikanische Geschäftsmann, dem nachgesagt wird, dass ihm finanzieller Gewinn wichtiger ist als sportlicher, begutachtete das 2:1 im Finale gegen den FC Chelsea von der Ehrenloge aus. Die Ansetzung einer solchen Zusammenkunft verdeutlicht, wie viele unterschiedliche Meinungen im Verein aufeinanderprallen. Eine erste Tendenz, wie die Zukunft bei den Gunners aussehen könnte, lieferten die Fans. Auf Wengers Weg zur Pokalübergabe begleitete der rote Teil des Stadions ihn mit herzlichem Gesang: "There's only one Arsene Wenger." Der verdrückte dann aus Rührung ein paar Tränen.

An dieser Form der Unterstützung durfte sich Wenger während der abgelaufenen Spielzeit selten erfreuen. Nach dem Abrutschen in der Premier League auf Rang fünf und dem peinlichen Aus in der Champions League lud sich die Wut auf ihm ab. Hauptsächlich sah sich der Elsässer den Vorwürfen einer missratenen Transferpolitik und altmodischen Spielvorbereitung ausgesetzt. Die Trainer-Frage teilte Arsenal. Genauso wie es der Siegtreffer von Aaron Ramsey tat (79.).

Arsenal v Chelsea - The Emirates FA Cup Final

Symbolbild der Saison: Chelseas Antonio Conte obenauf, Arsenals Trainer Arsène Wenger mit gekrümmtem Rücken. Doch an diesem Abend hat der Franzose die Nase vorn.

(Foto: Mike Hewitt/Getty Images)

Nach seinem Kopfball suchte der Mittelfeldspieler für seinen Jubel die rechte Seite des Tores auf. Gegenüber feierte Vorbereiter Olivier Giroud mit ein paar Teamkollegen. Ihn hatte Wenger unmittelbar zuvor eingewechselt. Eine gelungene Maßnahme. "Ich will, dass Arsène bleibt. Er verdient das", sagte Ramsey. Seit der Umstellung auf eine Dreierkette im April hat Arsenal neun von zehn Partien gewonnen.

Der Spannungsabfall beim FC Chelsea ist nicht zu übersehen

Sicher sein kann sich aber niemand, ob der Auftritt in Wembley nicht doch Wengers letzter gewesen ist. Von der Trainerzone aus leitete er sein Team jedenfalls auffallend aktiv an. So richtig in Schwung geriet der Elder Statesman nach dem zweiten Arsenal-Treffer. Spontan führte er einen kleinen Freudentanz auf. Zwischenzeitlich hing sogar seine Krawatte am Rücken herunter.

In der Neuauflage des Finals von 2002, das Arsenal ebenfalls gewann, kam den Gunners zur Hilfe, dass Chelsea sich bereits zwei Wochen vorher die englische Meisterschaft gesichert hatte. Den Spannungsabfall konnten die Spieler nicht verbergen, obwohl das erste Double aus Ligatitel und Pokalsieg für Chelsea seit 2010 in Aussicht stand. An einem der wärmsten Finaltage seit Jahren vermittelten die Blues den Eindruck, dass Arsenal, in der Premier League ja um 18 Punkte abgehängt, den Meister nicht gefährden könne. Eine Fehleinschätzung.

Am eigenen Strafraum leitete ein schlafmütziger Ballverlust die Niederlage ein. Kaum mehr abzuwenden war sie dann nach dem Platzverweis von Victor Moses (68.). Den größten Widerstand leistete noch Costa, der zwischenzeitlich ausglich (76.). Doch teilweise kam Chelsea minutenlang nicht an den Ball.

In seinem ersten Startelfeinsatz der Saison leitete Per Mertesacker nach überstandener Knieverletzung mit seiner Erfahrung die sonst wacklige Defensive an. Davor initiierten Sanchez und Mesut Özil die Angriffe, die drei Mal am Torpfosten endeten und zwei Mal von Chelseas Verteidiger Gary Cahill auf der Linie gestoppt wurden. Die mitreißende Darbietung sicherte Arsenal ein versöhnliches Ende einer sonst missratenen Spielzeit - und Wenger gute Argumente, die Arbeit bei seinem Herzensverein fortsetzen zu können.

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