Arsenal in der Premier League:Schlecht wie nie unter Arsène Wenger

Brighton and Hove Albion v Arsenal - Premier League

Steckt in der größten Krise seiner 21-jährigen Amtszeit: Arsenal-Trainer Arsène Wenger.

(Foto: Getty Images)
  • Der FC Arsenal verliert in der Premier League auch gegen Aufsteiger Brighton - und droht erneut die Qualifikation zur Champions League zu verpassen.
  • Der Unmut der Fans wird immer deutlicher.
  • Doch Arsène Wenger hält sich als Trainer für unersetzlich.

Von Sven Haist, London

Bis der Stadionsprecher des FC Arsenal kurz vor dem Abpfiff in einem Ligaheimspiel vor ein paar Tagen lärmend aufklärte, dass "58 420" die offizielle Zuschauerzahl sei, wusste niemand im Stadion etwas anzufangen mit dieser angezeigten Zahl. Das Fassungsvermögen der Londoner Spielstätte liegt bei knapp über 60 000 Besuchern, aber jeder konnte sehen, dass in Wahrheit nur ungefähr die Hälfte der Plätze an diesem bitterkalten Abend besetzt waren.

Einige rätselten deshalb, ob die fünfstellige Zahl vielleicht den Punkterückstand der Gunners auf die Tabellenspitze in der Premier League darstellen sollte - oder ob "58 420" die Anzahl der Tage sei, die der seit Oktober 1996 angestellte Trainer Arsène Wenger nun schon im Amt ist. Um die Menge der verkauften Tickets konnte es sich eigentlich nicht handeln. Sonst hätten noch Karten zu haben sein müssen an den Kassen vor der Arena, die allerdings mit dem Schriftzug "sold out" versehen wurden.

Um den eigenen Stolz zu wahren, ist sich der Verein offenbar nicht mal mehr zu schade, die eigenen Fans mit einer leicht zu durchschauenden Irrealität zu veralbern.

"58 420" entlarvte sich als eine Art Zugangscode in eine Welt, wie sie Arsenal gefällt. In diesem Traumreich würde Wenger den Klub sicherlich gerne bis ans Ende aller Zeiten trainieren, sich ewig und alle Jahre für die Champions League qualifizieren und nach jeder Saison dem fußballfernen, aber profitnahen amerikanischen Haupteigentümer Stan Kroenke einen finanziellen Gewinn präsentieren.

Auf einem Plakat stand: "Wenger raus! Nicht 2019. Jetzt!"

Mit der Wirklichkeit hat diese Utopie jedoch nichts mehr zu tun. Nach dem erbärmlichen 1:2 in der Liga bei Aufsteiger Brighton steht Arsenal nun wohl ein Knall bevor, dessen Auswirkung genauso groß sein dürfte wie vor mehr als 21 Jahren, als Wenger den Nordiren Pat Rice ablöste und fortan den Klub generalüberholte.

Bloß über den Zeitpunkt, wann es soweit ist, gibt es noch unterschiedliche Angaben auf der Insel. Nach wie vor hält sich Wenger, 68 Jahre alt und mit Vertrag bis Juni 2019 versehen, für die richtige Person, um dem Klub wieder auf die Beine zu helfen - trotz der Fanproteste. Auf einem Plakat stand in roter Schrift auf weißem Papier geschrieben: "Wenger raus! Nicht 2019. Jetzt!" Dafür müsste Kroenke jedoch erkennen, dass der für ihn an erster Stelle stehende materielle Erlös ohne nachhaltige sportliche Erfolge nicht weiter anhält.

Schlecht wie nue zuvor

Die vierte Pflichtspielniederlage hintereinander lässt den FC Arsenal im Klassement der Premier League so schlecht dastehen wie nie zuvor unter Wenger, der sichtlich mitgenommen wirkte: "Wenn man um Selbstvertrauen kämpft, ist es schwer, nur eine Hose anzuhaben. Es ist dann leicht, auch diese Hose auszuziehen", sagte er: "Aber wenn man komplett nackt ist, muss man ein Hemd finden und versuchen, es sich überzustreifen und sich wieder normal anzuziehen."

Der letzte Ausweg, die miserable Saison zu retten, ist der Gewinn der Europa League

Wengers kryptischen Vergleich nahm das Massenblatt Sun auf und titelte: "Nackte Kanonen". Neun Spieltage vor Saisonschluss haben die Gunners einen Rückstand von 13 Punkten auf den vierten Rang angehäuft, der zur Teilnahme an der Königsklasse berechtigt - jenem Wettbewerb, der es dem Elsässer Wenger derart angetan hat, dass er ihn mit Arsenal bisher einzig in dieser Saison verpasst hatte. "Zwei Teams vor uns müssten einbrechen, aber ich sehe nicht, dass das passieren wird", sagte Wenger nun resignativ.

Einziger Ausweg aus der totalen Finsternis bleibt für den Tabellensechsten, sich über den Gewinn der Europa League einen Champions-League-Startplatz zu ergattern. Am Donnerstag steht das Hinspiel im Achtelfinale gegen den AC Mailand an, wobei selbst ein Weiterkommen die Lage dauerhaft kaum beruhigen dürfte. Die vergangenen Leistungen haben jede Grundlage für jene Ausreden genommen, die Wenger gerne vortrug, wenn die Kritik mal wieder stapelweise vor ihm lag. Hilfe von seinen Spielern, denen er immer loyal zur Seite stand, ist eher nicht zu erwarten.

Im Aufgebot befindet sich kein Profi, der dem stark abrutschenden Team ein bisschen Halt verleihen könnte. Diese Mannschaft, in der sich in unangenehmen Situationen die meisten die Hände vors Gesicht halten oder entgeistert gen Himmel schauen, hat passenderweise mit dem im Sommer abtretenden Deutschen Per Mertesacker einen Kapitän, der in den sportlichen Planungen bislang komplett außen vor geblieben ist.

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