Armin Bittner im Interview:"Neureuther fährt nicht gegen Hirscher, sondern gegen die Zeit"

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Gewinnt er als zweiter deutschen Rennläufer am Sonntag den Slalom-Weltcup? Felix Neureuther (Foto: Stephan Jansen/dpa)

Armin Bittner ist der einzige Deutsche, der den Slalom-Weltcup gewonnen hat. Felix Neureuther könnte es ihm gleichtun. Ein Gespräch über Konkurrenten und Dinge, die wichtiger sind als eine Goldmedaille.

Von Matthias Schmid

Felix Neureuther kann am Sonntag als zweiter deutscher Ski-Rennläufer die Slalom-Gesamtwertung als bester Fahrer in der Weltcupsaison gewinnen. Er hat vor dem letzten Saisonrennen im französischen Méribel 55 Punkte Vorsprung auf seinen Rivalen Marcel Hirscher aus Österreich.

25 Jahre liegt der letzte Triumph von Armin Bittner nun schon zurück. Der heute 50-Jährige aus Garmisch-Partenkirchen gewann den Slalom-Weltcup sogar zweimal, 1989 und 1990. Im Interview spricht Bittner über seine Duelle mit Alberto Tomba, über die Schlaflosigkeit zwischen zwei Durchgängen und darüber, warum Neureuther die Kristallkugel gewinnen wird.

SZ.de: Herr Bittner, vor 26 Jahren waren Sie in einer ähnlichen Situation wie Felix Neureuther heute. Sie führten vor dem zweiten Durchgang, ihr Hauptkonkurrent Alberto Tomba war Dritter. Sie mussten vor ihm ins Ziel kommen, um erstmals die Slalom-Wertung zu gewinnen.

Armin Bittner: Ich war damals so auf mich fokussiert, dass ich heute nicht einmal mehr weiß, auf welchem Rang ich das Rennen beendet habe.

Sie kamen auf Rang drei ins Ziel, einen Platz vor Tomba. Am Ende hatten Sie fünf Punkte Vorsprung auf den Italiener.

Langsam kommt die Erinnerung zurück. Mein Servicemann hatte am Start oben eine Zigarette nach der anderen geraucht. Ich habe nichts anders gemacht als in den Rennen davor. Aber das ist leichter gesagt als getan. Dir gehen so viele Dinge durch den Kopf. Das kann man gar nicht alles ausblenden. Ich wusste auch nicht, wie schnell Tomba war, ich habe nur den lauten Jubel gehört, als er unten im Ziel war.

Was waren denn Ihre Rituale, um sich dennoch aufs Wesentliche konzentrieren zu können?

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Felix Neureuther ist der Sohn berühmter Skifahrer. Seine Karriere bietet alles: große Siege, herbe Enttäuschungen, emotionale Momente - nun tritt er vom aktiven Sport zurück. Seine Karriere in Bildern.

Ich bin nach dem ersten Durchgang so schnell wie möglich aus den Skischuhen raus und habe versucht, mich im Hotel aufs Bett zu legen.

Sie haben einen Mittagsschlaf gemacht?

Nein, das ging leider nicht. Aber ich lag 20 Minuten einfach so da und habe versucht zu entspannen. Jeder Rennläufer hat da seine eigenen Abläufe.

Eigentlich ist es ganz einfach. Wenn Neureuther am Sonntag Vierter wird, dann gewinnt er die Wertung, egal auf welchen Platz Hirscher fährt.

Da kann noch so viel passieren, es kann sogar richtig blöd laufen. Da wird jetzt im Vorfeld ein riesiger Spannungsbogen aufgebaut und am Ende werden vielleicht alle enttäuscht sein, weil Hirscher mit Startnummer eins gleich rausfällt.

Felix Neureuther hätte bestimmt nichts dagegen.

Aber auch für ihn kann es schnell vorbei sein. Was ich damit sagen will ist, dass es viele Unwägbarkeiten gibt, die keiner vorhersehen kann. 55 Punkte hören sich viel an, doch sie sind schnell verspielt. Ich kann mich noch daran erinnern, dass Didier Cuche einmal beim Weltcupfinale vor dem letzten Rennen mit 99 Punkten Vorsprung die Super-G-Wertung angeführt hat und am Ende dennoch Hannes Reichelt ganz oben stand, weil Cuche als 16. ohne Punkt geblieben war.

Aber Neureuther macht in dieser Saison einen stabilen Eindruck und ist nur einmal rausgeflogen.

Das stimmt, auch wenn er nur mit 90, 95 Prozent Risiko fährt, weiß er, dass nicht viele schneller fahren können als er. Das gibt dir als Rennfahrer ein gutes Gefühl und viel Sicherheit. Bei ihm stimmt zurzeit das Gesamtpaket und er kann sich mit seinem Material schnell auf die unterschiedlichen Bedingungen einstellen.

Zuletzt hat er es aber in Kranjska Gora mit dem sauberen Skifahren etwas übertrieben. Hirscher hatte durch einen Riesenfehler eineinhalb Sekunden verloren, am Ende lag er trotzdem vor Neureuther.

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Felix hat den Fehler am Fernseher verfolgt und sich dann wohl gedacht, dass ihm ein technisch sauberer Lauf genügen würde. Er hat dabei unterschätzt, dass er nicht gegen Hirscher fährt, sondern gegen die Zeit. Aber da sieht man erst mal, wie eng alles zusammenliegt und dass auch noch andere Rennläufer mitfahren, die sich zwischen den beiden platzieren können.

Die beiden sind trotzdem die dominierenden Fahrer der vergangenen beiden Jahre. Bemerkenswert ist dabei ihre unterschiedliche Herangehensweise. Neureuther kann wegen Rückenproblemen in dieser Saison weniger trainieren. Hirscher dagegen übt immer mehr und härter.

Felix lebt von seinem unglaublichen Skigefühl. Er fährt einen brutal schnellen Schwung. Sein Timing ist herausragend. Und seit seinem Materialwechsel scheidet er kaum noch aus.

Und Hirscher?

Auch der scheidet nur aus, wenn er einfädelt. Er macht kaum einen Fehler. Er ist wirklich ein Tier, ein Perfektionist, der nichts dem Zufall überlässt. Dabei ist er eigentlich zu klein. Doch mit seiner Athletik gleicht er vieles aus und kann er auch auf weichen Pisten extrem schnell fahren. Es ist schon beachtlich, wie perfekt bei ihm alles zusammenspielt.

Aber Neureuther lässt sich das nicht mehr nehmen?

Schwer zu sagen. Ich würde ihm die Kristallkugel in jedem Fall wünschen. Er hat sie sich absolut verdient. Ich habe als Kind schon immer die Weltcupwertung gewinnen wollen, weil hier wirklich der beste Fahrer des Winters ganz vorne steht. Eine WM bringt dagegen immer wieder Überraschungssieger hervor. Vielleicht hat mir deshalb auch bei Großereignissen mitunter der Fokus gefehlt, weil mir der Weltcup wichtiger war als eine Goldmedaille.

Im Jahr nach ihrem Triumph haben Sie die Slalom-Wertung ein zweites Mal gewonnen. Spannend war es aber nicht mehr.

Ich habe viermal in jener Saison gewonnen und stand schon drei Rennen vor Saisonende als Sieger fest. Da konnte ich ganz entspannt zum Weltcupfinale reisen.

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