Antisemitismus in Berlins Fußball:Kultur des Wegschauens

Immer wieder machten Spieler und Trainer den Schiedsrichter darauf aufmerksam. Doch statt sie in Schutz zu nehmen, verwies er den Trainer vom Platz und verwarnte die Spieler.

Dieter Wulf

,,Ich bin stolz auf meine Spieler, sie haben das einzig Richtige gemacht, nachdem ihnen offenbar niemand helfen wollte'', sagte Claudio Offenberg, Trainer des TuS Makkabi vor dem Sportgericht des Berliner Fußball Verbands. Verhandelt wurde ein Spielabbruch in der Kreisklasse B vor vierzehn Tagen. In der 78. Minute entschieden sich die Spieler vom TuS Makkabi, dem einzigen Berliner Fußballklub mit jüdischer Tradition, das Spiel wegen dauernder und massiver antisemitischer Parolen einiger Zuschauer abzubrechen. So etwas habe es seit Ende des Krieges hierzulande nicht mehr gegeben, meint Tuvia Schlesinger, der Vorsitzende des Vereins.

Beim Spiel gegen die VSG Altglienicke, einem Verein im Ostberliner Stadtteil Treptow, hatte sich offenbar eine Gruppe Rechtsextremer von Anfang an unter die Zuschauer gemischt, um die jüdische Mannschaft immer wieder zu beleidigen. ,,Die Synagogen müssen brennen'', ,,wir bauen euch 'ne U-Bahn nach Auschwitz'', oder ,,vergast die Juden'', tönte von der Seitenlinie.

Immer wieder machten Spieler und Trainer den Schiedsrichter darauf aufmerksam. Doch statt sie in Schutz zu nehmen, verwies er den Trainer vom Platz und verwarnte die Spieler. ,,Haltet endlich die Schnauze, meine Großeltern sind im Ghetto gestorben'', rief schließlich einer der Spieler den rechten Störern zu. ,,Dat is mir scheißegal und auch gut so'', kam lapidar als Antwort. Kurz darauf verließen die Spieler den Platz. ,,Wir konnten das einfach nicht mehr ertragen, wir mussten da weg'', sagte einer der Spieler vor dem Sportgericht.

Es habe wohl irgendwelche Sprüche gegeben, erklärte der Schiedsrichter dem Gericht. Selber aber habe er nichts gehört und daher auch nicht eingreifen können. Auch Spieler und Trainerin der gegnerischen Mannschaft konnten sich nur daran erinnern zu hören, dass von diesen Zuschauern skandiert wurde ,,hier regiert nicht der DFB, hier regiert die NPD''. Das antisemitische Gegröle hätten sie aber nicht gehört. ,,Wir sind nicht die Täter, sondern selber auch Opfer dieser Störer'', ließ der Verein in der Verhandlung durch einen Anwalt erklären.

Das aber sieht TuS Makkabi ganz anders: Sowohl der Schiedsrichter wie auch der Heimverein hätten sie aktiv schützen und unterstützen müssen. Das sieht offenbar auch Bernd Schultz, der Präsident des Berliner Fußball-Verbandes ganz ähnlich. ,,Was ich hier gehört habe, hat mich sehr betroffen gemacht", sagte e er nach der Verhandlung. Er zweifle nicht an der Darstellung der jüdischen Spieler. Offenbar habe sich in den letzten Jahren immer mehr eine Kultur die Weghörens und Überhörens in den Stadien eingeschlichen. ,,Wir brauchen aber eine Kultur des aktiven Hinhörens'', so Verbandspräsident Schultz. Bereits in den nächsten Wochen werde man besonders die Schiedsrichter darauf aufmerksam machen.

So wie in der Umgebung vom VSG Altglienicke, wo die NPD bei der Landtagswahlen vor einigen Wochen bis zu 18 Prozent erhielt, beobachtet der TuS Makkabi bei seinen Spielen in Ostberlin in letzter Zeit immer häufiger in den NPD-Hochburgen eine aggressive Stimmung. Manche ihrer Spieler würden sich bereits weigern, in solchen Stadtvierteln überhaupt anzutreten. Nur ein klares Urteil mit deutlichen Sanktionen werde daran etwas ändern, glaubt der Makkabi-Trainer Offenberg. Am Montag wird das Urteil verkündet.

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