Anti-Doping-Kampf im Schwimmen:Heile Welt im Becken

Anti-Doping-Kampf im Schwimmen: Schwimmer von unten fotografiert - ob wirklich alle sauber sind?

Schwimmer von unten fotografiert - ob wirklich alle sauber sind?

(Foto: AFP)

Über die Blutwerte seiner Athleten weiß der Weltschwimmverband Fina so gut wie nichts. Dass bei der WM in Barcelona erstmals Blutproben genommen wurden, ist ein Fortschritt. Doch der Fina-Anti-Doping-Chef ist zu gutgläubig im Umgang mit den eigenen Schwimmern.

Von Claudio Catuogno, Barcelona

Die verbotene Substanz ist braun, süß und klebrig, sie war auch in Barcelona wieder ziemlich angesagt. Ihre Verbreitung wurde vom Schwimm-Weltverband Fina aber energisch bekämpft. Automaten, in denen die Substanz angeboten wurde, waren großflächig abgeklebt, und wenn man die Substanz an einer Bar kaufen wollte, war die Servicekraft dazu angehalten, noch unter der Theke das Etikett von der Flasche zu rubbeln. So ist das eben bei einem Marketing-Weltereignis wie der Schwimm-WM: Coca Cola zählt nicht zu den offiziellen Sponsoren. Eine Cola kriegt man deshalb nur unter der Hand.

Ob die Fina die Verbreitung anderer verbotener Substanzen mit ebenso großem Eifer bekämpft, ist keine unwichtige Frage bei einer WM, die wieder etliche Rekorde produziert hat. Prominente Dopingfälle hat es im Schwimmen lange nicht mehr gegeben. Aber spricht das nun für die Integrität der Schwimmer? Oder eher gegen die Effektivität des Kontroll-Systems?

Um dafür ein Gefühl zu bekommen, kann man sich zum Beispiel mit Andrew Pipe verabreden, einem freundlichen Medizin-Professor aus Ottawa, der - im Ehrenamt, wie er betont - der Doping-Kontroll-Kommission des Weltverbands vorsteht. Der Presse-Chef der Fina allerdings schreibt die Gesprächs-Anfrage zunächst auf einen Zettel und schiebt ihn in einen Papierstapel hinein, man hört dann nie wieder etwas. Presse-Chefs von Sportverbänden sind oft der Ansicht, alleine das Sprechen über Dopingkontrollen sei schon schlecht fürs Image.

Dabei ist ja das Gegenteil der Fall: Wenn man davon ausgeht, dass Dopingkontrollen auch der Beruhigung des skeptischen Publikums dienen sollen, ist es ja geradezu clever, über sie zu reden. Per Mail ist Andrew Pipe dann auch ohne Probleme zu erreichen. Er grüßt freundlich, setzt sich in einen Ledersessel und sagt: "Wir sind jetzt so weit. Die Mechanismen für einen effektiven Anti-Doping-Kampf stehen bereit."

Andrew Pipe und die Fina haben kurz vor der WM die Einführung eines Blutpass-Programms angekündigt, mit dessen Hilfe man dopende Schwimmer schon aufgrund auffälliger Blutbilder enttarnen und sperren kann - ohne die verbotene Substanz zu kennen, derer sie sich bedienen. Das Gleiche hatte die Fina vor zwei Jahren in Shanghai auch schon angekündigt. Diesmal hat sie es aber nicht bei der Ankündigung belassen, sondern in Barcelona tatsächlich etwa 480 Athleten Blut abgezapft.

In Deutschland war die Eisschnellläuferin Claudia Pechstein die Erste, die wegen auffälliger Blutwerte gesperrt wurde, das gab viel Empörung und noch mehr teure Gerichtsverfahren. Im Radsport, in der Leichtathletik oder auch bei den Langläufern sind Sperren auf der Basis des Blutpasses inzwischen nicht mehr ungewöhnlich - auch wenn man die ganz großen Namen in den Sanktionslisten bisher vergeblich sucht. Es wird noch eine ganze Weile dauern, bis auch im Schwimmen genügend Vergleichswerte für Blutprofile vorliegen.

Blick hinter den eigenen Vorhang

Ist die Fina da also nicht etwas spät dran? "Nein, überhaupt nicht", sagt Andrew Pipe, "man soll bei wichtigen Dingen nicht der Erste, aber auch nicht der Letzte sein." Acht Weltverbände haben laut Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) bisher ein Blutpass- Programm initiiert. Was glaubt Pipe, wann die für die Fina neue Methode zur ersten Sperre führen wird? Andrew Pipe sagt: "Ich hoffe nie."

Es sind in erster Linie die Sportverbände, die ihre Athleten kontrollieren und sanktionieren, die gleichen also, die diese Athleten brauchen, damit das Geschäft weitergeht. Das ist schon mal der zentrale Geburtsfehler des Anti-Doping-Kampfs. Aber dass man deshalb jetzt an seiner Entschlossenheit zweifelt, das will Andrew Pipe natürlich auch nicht: "Ich hoffe, dass Sperren nicht nötig sein werden", stellt er also klar, "aber wenn sie nötig sind, werden wir es ohne mit der Wimper zu zucken tun."

Mit wie viel kriminalistischem Spürsinn jetzt aber all die eingesammelten Blutproben ausgewertet und ins Verhältnis gesetzt werden, bleibt unklar. Pipe jedenfalls sieht keinen Anlass, in der Fina eine Art Fahndungsabteilung zu gründen. Man zapft jetzt also Blut ab. Ansonsten ändert man nichts. "Wir haben in unseren Gremien und Kommissionen schon sehr renommierte Blut-Experten."

Es ist wohl so, dass die Fina nun zum ersten Mal einen Blick hinter den eigenen Vorhang wirft. Über die Blutwerte ihrer Athleten weiß sie bisher so gut wie nichts. Wer die Geschichte des Schwimmens kennt, vom DDR-Staatsdoping bis zum Massen-Betrug in China in den Neunzigern, wer zudem berücksichtigt, dass Schwimmen als Ausdauer-Sportart recht anfällig für verbotene Substanzen sein müsste, der erwartet nicht nur gute Nachrichten.

Auch Andrew Pipe versichert, er gebe sich "keinen Illusionen hin". Im Grunde aber erwartet er, dass das neue Programm etwas anderes beweisen wird: "Wir wollen frei von der Geißel Doping sein, die so viele andere Sportarten gefangen hält", hat er in Barcelona gesagt, "wir wollen der Welt beweisen, dass wir in sauberen Wassern schwimmen."

Andrew Pipe, der oberste Dopingjäger der Fina, wirkt wie ein Polizeidirektor, der glaubt, dass das Verbrechen gar nicht existiert.

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