Anhaltende Debatte in der Formel 1:Gerangel um Gummis und Macht

Anhaltende Debatte in der Formel 1: Immer wieder Stress wegen der Reifen: Mercedes hat in der Formel 1 Ärger wegen verbotener Tests.

Immer wieder Stress wegen der Reifen: Mercedes hat in der Formel 1 Ärger wegen verbotener Tests. 

(Foto: AFP)

Red Bull und Ferrari legen offiziell Protest ein gegen den unangemeldeten Reifentest von Mercedes vor Nico Rosbergs Sieg in Monaco. Die Frage, wer in der Formel 1 eigentlich was darf, löst eine Grundsatzdebatte aus, die weitreichende Folgen haben könnte: Es geht um die Zukunft des Sports.

Von Michael Neudecker, Monte Carlo

Schön oder nicht schön, ist doch egal, sagt Nico Rosberg. Dafür ist er ja nicht gefahren, nicht für diesen Pokal, der objektiv betrachtet ganz okay aussieht, das Streckenprofil dieser berühmten Rundfahrt in Monte Carlo in Gold und auf einen schwarzen Sockel gesteckt; auf einem der Stehtische im Motorhome von Mercedes ist der Pokal so hoch, dass er den eher klein gewachsenen Rosberg überragt.

Nico Rosberg, der Sieger des Formel-1-Rennens von Monaco 2013, ist jetzt noch mal in das Motorhome gekommen, um darüber zu reden, diesen zweiten Sieg seiner Karriere, diesen besonderen Tag für ihn. Ein paar Reporter sind auch noch da, draußen bauen sie schon das Fahrerlager ab, Rosberg sagt, was es in so einem Moment zu sagen gibt, neben ihm steht Toto Wolff, der Motorsportchef von Mercedes. Toto Wolff ist ein bisschen sauer.

Nico Rosberg, der Sieg, der Pokal? In Wahrheit war das schon am Sonntagabend nicht mehr das eigentliche Thema in Monaco. Zwei Stunden nach dem Rennen ging es nicht mehr um das Rennen, kaum jemand hat Toto Wolff gefragt, ob er sich über den ersten Sieg seiner Amtszeit freue. Es ging um andere Fragen, es ging um Wettbewerbsverzerrung, Klüngelei, es ging um Vorwürfe, Proteste, es ging um unschöne Sachen. "Bei uns wird immer alles schlecht geredet", sagt Toto Wolff, aber das war nicht der Punkt.

Der Punkt war, was zum Beispiel Monisha Kaltenborn kurz vorher sagte, als sie nebenan saß, an einem Tisch im Motorhome von Sauber. Monisha Kaltenborn, die Teamchefin des Schweizer Rennstalls, ist Juristin, sie ist eine Pragmatikerin und sie hat den Ruf, die Dinge oft genau im Kern zu treffen. Sie sagte: "Ganz egal, wie man die ganze Sache bewertet, wer schuld ist und wer nicht - am Ende wirft das alles ein schlechtes Licht auf uns", sie hielt kurz inne, dann präzisierte sie: "Auf den Sport, auf die Teams, auf die Marken, die hier dabei sind."

Am späten Samstagabend war im Fahrerlager bekannt geworden, dass Mercedes nach dem Rennen in Barcelona vor zwei Wochen einen dreitägigen Reifentest mit Reifenlieferant Pirelli absolvierte, und weil Testen während der Saison in der Formel 1 verboten ist, hat die Formel 1 nun ein Thema ganz oben auf ihrer Agenda, das leicht außer Kontrolle geraten kann. Wenn die Formel 1 nicht aufpasst, geht es schon bald nicht mehr um Reifenprobleme und Testfahrten, sondern um das große Ganze: um die Zukunft dieses Sports.

Legal, semilegal oder verboten?

Die sogenannte Königsklasse des Motorsports ist gerade in einer schwierigen Phase der Selbstfindung, für Herbst ist ein Börsengang angestrebt, es wäre schon der zweite Versuch, und erst am Freitag in Monaco gab es ein Treffen einer Strategiegruppe, in der mit dem immer noch allmächtigen Vermarkter Bernie Ecclestone besprochen wurde, wohin der Weg führen soll. Die Gruppe setzt sich zusammen aus den Teams Red Bull, Ferrari, Mercedes, McLaren, Lotus und Williams, nur: Keiner weiß, warum.

Gerade die kleineren Teams beschweren sich mit einigem Recht darüber, dass eine willkürlich ausgewählte Gruppe ohne jede Rücksprache die Zukunft definiert - die Summen, die investiert werden, sind ja auch im hinteren Feld beträchtlich, von kommender Saison an werden es wieder einige Millionen Euro für jedes Team mehr sein, weil es neue Motoren gibt. Bezahlen und ruhig sein, das ist die Rolle, in die die kleineren Teams sich gedrängt sehen, von den Großen, vor allem von Bernie Ecclestone.

Selten hat die Formel 1 so deutlich offenbart, was sie ist, wie in diesen Tagen in Monaco: eine millionenschwere Mehrklassengesellschaft, die sich von einem dubiosen 82-Jährigen dubiose Regeln vorschreiben lässt. Wie lange noch, auch das ist eine Frage, die in Monaco immer wieder zu hören war.

Es gibt derzeit keine Antwort auf die Frage, schon gar nicht vom Weltverband Fia, der sich nun ohnehin erst einmal mit Konkreterem auseinandersetzen muss. Red Bull und Ferrari legten in der Reifentestsache noch am Sonntag offiziell Protest bei der Fia ein, allerdings nicht gegen das Ergebnis vom Sonntag; niemand glaubt ja ernsthaft, dass die Testfahrt von Mercedes in Barcelona mit dem Sieg von Nico Rosberg etwas zu tun hat. Mit dem Protest sollte vielmehr eine Untersuchung der Ereignisse rund um jene Testfahrt erzwungen werden, und eine Klärung, wie es in dieser Sache nun weitergeht.

Am Montagvormittag veröffentlichte die Fia auf ihrer Homepage eine Mitteilung, in der sie bestätigte, dass Reifenbauer Pirelli laut Vertrag die Möglichkeit hat, Teams während der Saison um bis zu 1000 Reifentestkilometer zu bitten, sofern allen Teams diese Möglichkeit angeboten wird. Das ist nun das Problem mit jenem Test in Barcelona: Pirelli hatte lediglich bei Red Bull und Mercedes angefragt, Red Bull hatte abgelehnt, Mercedes zugesagt, und dann wurde drei Tage lang getestet - ohne offizielle Beaufsichtigung der Fia, weil die Fia nicht informiert worden war.

Mit den Daten könne man nichts anfangen, es sei nur um die Reifenentwicklung im Interesse aller Teams gegangen, beteuert Toto Wolff. Daten sind das Gold der Formel 1, wer Daten sammelt, kann sein Auto exakter abstimmen, und auch das ist nun eine Frage, über die viel diskutiert wird: Ob eine Datensammlung aus drei Renndistanzen mit neuen Reifensätzen mitten während der Saison tatsächlich so wertlos ist, wie Mercedes behauptet. "Wir haben nichts Illegales getan", sagte Toto Wolff am Sonntagabend immer wieder, die Fia behält sich eine Entscheidung darüber derzeit noch vor.

Ach so: Außerdem sagte Wolff dann auch noch, dass Nico Rosberg den Pokal behalten dürfe, und es sah so aus, als habe sich Nico Rosberg ehrlich darüber gefreut.

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