Angelique Kerber in Wimbledon:Und jetzt: das Duell der Champions

Angelique Kerber in Wimbledon: Endlich im Wimbledon-Finale: Angelique Kerber

Endlich im Wimbledon-Finale: Angelique Kerber

(Foto: AFP)

Als fünfte deutsche Spielerin erreicht Angelique Kerber das Wimbledon-Finale. Dort könnte sie - wie schon in Melbourne - Serena Williams gehörig den Spaß verderben.

Von Gerald Kleffmann, Wimbledon

Dieser herrliche Sommertag in SW 19, London, begann mit einer Überraschung, die viele auf der Anlage von Wimbledon in Aufregung versetzte. Auf der Gästeliste der Royal Box stand als erster Eintrag: "HRH The Duchess of Cambridge". Die Gattin von Prinz William stand dann tatsächlich nicht bloß pro forma auf dem Zettel, sie erschien um halb eins am Mittag, hielt auf der Spielerterrasse ein paar Dialoge mit ehrenamtlichen Helfern, Ballkindern und Spielern, die Spalier standen. Andy Murrays Trainer Ivan Lendl wartete als letzter Smalltalk-Gast, so entspannt hatte man ihn, einst ein Champion mit Bösewicht-Image, in den vergangenen zehn Tagen kein Mal lächeln sehen.

Eine halbe Stunde dauerte das Prozedere. Wenn man die Zeit hinzurechnete, die die in einem stilvollen gelben Kleid hinreißend aussehende Kate benötigte, um in der ersten Reihe der Loge auf dem Centre Court Platz zu nehmen, muss man festhalten: Ihr Auftritt bis zum ersten Ballwechsel hatte länger gedauert als das erste Halbfinale der Frauen insgesamt. Und er war auch kaum kürzer als das zweite, das deutsche Tennisgeschichte schreiben sollte.

In nur 48 Minuten war die Weltranglisten-Erste Serena Williams über ihre chancenlose Gegnerin Jelena Wesnina aus Russland mit 6:2, 6:0 hinweggerauscht. Die 34-Jährige aus den USA hat damit am Samstag - nach zuletzt zwei verlorenen Endspielen - erneut die Chance auf ihren 22. Grand-Slam-Triumph, mit dem sie mit Steffi Graf gleichziehen würde. Das Schicksal will es indes, dass sich wie schon im Januar bei den Australian Open eine sehr spezielle Konstellation ergibt. Eine Deutsche könnte wie damals Williams den Spaß verderben. Wieder ist es Angelique Kerber, die dieses Unterfangen angeht.

Mit 6:4, 6:4 hat sich Deutschlands beste Tennisspielerin gegen Venus Williams, die zwei Jahre ältere Schwester von Serena, durchgesetzt. "Ich habe versucht, mich gut zu bewegen und, yeah, der letzte Punkt war wunderbar", sagte Kerber noch verschwitzt direkt nach dem Match. Sie sprach von jenem Moment, der ihr das zweite Grand-Slam-Finale ihrer Laufbahn beschert hatte. Williams war ans Netz gerannt, Kerber sprintete nach links, ihre Vorhand flog cross und unerreichbar für die großgewachsene Kontrahentin ins Feld. Wie in Melbourne ließ Kerber den Schläger fallen und griff sich fassungslos an den Kopf. Sie ist jetzt Teil einer stattlichen Galerie: Sie ist die erst fünfte Deutsche, die es nach Cilly Aussem, Hilde Krawinkel, Steffi Graf und Sabine Lisicki ins Finale von Wimbledon geschafft hat. Das Rasenturnier erlebt in diesem Jahr seine 130. Auflage.

Es war kein gutes Match, Kerber wirkte nervös

Es war kein gutes Match, Venus Williams wirkte müde, Kerber mitunter nervös. Die Partie begann mit fünf Breaks in Serie, als Kerber ihr Service zum 4:2 hielt, war das schon ein Erfolg. Kerber zog auf 5:2 davon, Williams konterte, 4:5, aber mit einem typischen leichten Vorhandfehler ins Netz schenkte Williams den Satz ab. Der zweite Durchgang verlief auf ähnlich wechselhaftem Niveau, Williams fabrizierte 21 unerzwungene Fehler, manchmal war sie gar nicht mehr zu Bällen gelaufen, wenn diese zu weit weg für sie schienen. Kerber profitierte von der körperlichen Schwäche der Gegnerin, die bekanntlich an einer Autoimmunerkrankung leidet und damit klarkommen muss. Kerber hielt den Ball geschickt im Feld, nur elf Fehler ihrerseits waren der Schlüssel zum Sieg.

Kerber könnte die dritte deutsche Wimbledonsiegerin werden

Am Ende spielt es keine Rolle, wie man in sein erstes Finale beim bedeutendsten Turnier einzieht: In 72 Minuten setzte sich die in Kiel geborene und in Polen lebende Kerber durch und spielt um die Venus-Rosewater-Schale. "Es ist unglaublich, Venus im Halbfinale zu schlagen. Venus ist ein Champion und hat hier so oft gewonnen", sagte sie. Fünf Triumphe waren es genau.

Am Samstag wird Kerber, derzeit noch Vierte, in jedem Fall wieder zur Nummer zwei der Weltrangliste aufsteigen, die Nummer eins kann sie nicht werden. Sie erlebt zweifellos das beste Jahr ihrer Karriere. Im Januar sprang sie in den Yarra River, jetzt könnte die Themse folgen. Graf, die vor 20 Jahren ihren letzten Titel in Wimbledon geholt hatte und mit Kerber wiederholt trainiert hat, übermittelte zutreffend vor dem Halbfinale: "Angie hat wieder zu ihrer guten Form der Australian Open zurückgefunden." In ihrem zweiten Endspiel bei einem der vier Majors wird die Rechtshänderin Kerber, die mit links spielt, indes nicht wie im Halbfinale favorisiert sein.

Letzter Sieg vor 20 Jahren: Frauen-Finals mit deutscher Beteiligung

1931 Cilly Aussem - Hilde Krahwinkel 6:2, 7:5

1936 H. Jacobs (USA) - Hilde Sperling 6:2, 4:6, 7:5

1987 Martina Navratilova (USA) - Graf 7:5, 6:3

1988 Steffi Graf - Navratilova 5:7, 6:2, 6:1

1989 Graf - Navratilova 6:2, 6:7 (1), 6:1

1991 Graf - Gabriela Sabatini (Arg) 6:4, 3:6, 8:6

1992 Graf - Monica Seles (Jugoslawien) 6:2, 6:1

1993 Graf - Jana Novotna (CR) 7:6 (6), 1:6, 6:4

1995 Graf - Sánchez (Spanien) 4:6, 6:1, 7:5

1996 Graf - Arantxa Sánchez 6:3, 7:5

1999 Lindsay Davenport (USA) - Graf 6:4, 7:5

2013 Marion Bartoli (Frk) - Sabine Lisicki 6:1, 6:4

2016 Angelique Kerber - Serena Williams (USA)

"Ich weiß, wie man so ein Turnier gewinnen kann"

Serena Williams präsentierte sich in den vergangenen zehn Tagen in starker Form - nur einmal, im Zweitrundenmatch gegen Landsfrau Christina McHale wackelte sie. Die Weltranglisten-50. Vesnina, 29, war völlig überfordert und agierte "wie eingefroren", wie Ex-Champion John McEnroe im BBC-Fernsehen meinte. Williams gelangen 28 Winner, elf Asse, von 24 ersten Aufschlägen machte sie 23 Punkte, so sieht ihr Spiel aus. Williams strebt den siebten Wimbledon-Titel an. Gerade nach zwei verlorenen Endspielen, in Melbourne und Paris (gegen die Spanierin Garbiñe Muguruza) wird sie eine spezielle Motivation spüren.

"Das war das Match ihres Lebens", hatte Venus Williams dieser Tage über Kerbers Triumph von Melbourne gesagt. Kerber wird eine ähnliche Leistung benötigen, um nach Aussem (ein Titel) und Graf (sieben Titel) die dritte Deutsche zu werden, die dann auch im Wimbledon-Finale jubelt. "Ich weiß, wie man so ein Turnier gewinnen kann", hatte Kerber seit dem ersten Tag in London immer wieder gesagt. Inzwischen ist klar: Sie setzt ihr Wissen um.

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