Angelique Kerber im SZ-Interview:"Ich habe gelernt, dass ich auch 'nein' sagen muss"

Als weltbeste Tennisspielerin ist Angelique Kerber in München gelandet. Im Interview spricht sie über Idole ihrer Jugend, den Status als Nummer eins und Fehler nach ihrem ersten Grand-Slam-Sieg.

Interview von René Hofmann

Am Dienstagmorgen ist Angelique Kerber nach dem Sieg bei den US Open auf dem Flughafen München gelandet. Sie ist nun die Nummer eins der Tenniswelt, das bedeutet Pressekonferenz, Fototermine, Autogramme schreiben. Bevor sie sich in den verdienten Kurzurlaub bei den Großeltern verabschiedet, traf sie die SZ, um ein paar Fragen zu beantworten.

SZ: Frau Kerber, willkommen zurück in Deutschland! Die US Open gewonnen, zur Nummer eins der Weltrangliste aufgestiegen - wie geht es für Sie jetzt weiter?

Angelique Kerber: Ich werde ein paar Tage frei machen und versuchen, nicht darüber nachzudenken, was in diesem Jahr noch alles ansteht. Ich will diesen ganz besonderen Moment jetzt einfach nur genießen.

Was macht diesen Moment für Sie noch besonderer als den ersten Grand-Slam-Titel im März in Melbourne?

Das Außergewöhnliche ist, dass beides zusammenkam: der US-Open-Titel und die Nummer eins. Auf diese beiden Ziele habe ich all die Jahre hingearbeitet. Jetzt habe ich das Gefühl: Ich habe es geschafft. Und niemand kann mir das jemals wieder wegnehmen. Diese Eindrücke habe ich gerade die ganze Zeit in meinem Kopf und meinem Herzen.

Wie viele Tage haben Sie sich reserviert, um dieses Gefühl auszukosten?

Einige. Ich werde jetzt mindestens eine gute Woche lang entspannen, bevor ich zum ersten Mal wieder auf den Platz gehe.

Wann steht dann die nächste Reise an?

In zwei Wochen. Ich spiele noch vier Turniere: in Wuhan, Peking, Hongkong und das Finale der Frauentennis-Tour ab dem 23. Oktober in Singapur.

Für Sie ist es das zweite Mal, dass Sie sich in einer solchen Situation befinden. Nach dem Australian-Open-Sieg war Ihre Rückkehr auf die Tennis-Tour harzig. Welche Lehren haben Sie daraus gezogen?

Ich habe gelernt, dass ich auch einmal "nein" sagen muss. Damals ist viel auf mich eingestürmt - und alles war Neuland für mich. Jetzt weiß ich, was auf mich zukommt. Ich weiß, was gut für mich ist und was nicht gut für mich ist. Diese Erfahrung wird mir helfen, nicht wieder in so ein Loch zu fallen wie nach Australien.

Kerber über ihren Status als Nummer eins

Wie hat sich dieses Loch angefühlt?

Ich habe mich einfach leer gefühlt, weil ich so viel Energie in andere Sachen gesteckt habe. Ich hatte nicht mehr die Kraft, um auf dem Platz wirklich alles zu geben; ich hatte zu viel Energie an anderen Orten gelassen. Daraus habe ich gelernt, dass ich mir die Tage vor wichtigen Turnieren freihalten muss, dass ich die für mich brauche.

Bei Ihren nächsten Auftritten wird Ihre Rolle eine neue sein: Als Nummer eins sind Sie nun die Gejagte. Was glauben Sie, kommt da auf Sie zu?

Es stimmt, ich muss erst mal schauen, wie das ist: die Nummer eins zu sein, als Nummer eins gesetzt zu sein. Und ich muss schauen, wie die anderen Spielerinnen auf mich reagieren. Das wird meine Challenge sein bei den nächsten Turnieren. Mein letztes großes Ziel für dieses Jahr ist dann das Tour-Finale in Singapur. Dort will ich am besten jedes Match gewinnen.

Was bedeutet die Nummer eins für Sie?

Die Nummer eins war immer mein Ziel, seit ich mit dem Tennis begonnen habe. Aber Grand-Slam-Titel hatten Priorität. Als ich dann im März in Melbourne meinen ersten Grand-Slam-Titel gewonnen habe, habe ich mir gedacht: Jetzt könntest du auch die Nummer eins angreifen. Das war ab da dann auch ein konkretes Ziel. In den vergangenen neun Monaten habe ich mir stets gesagt: Du musst jetzt gut spielen, um das zu erreichen.

Welche Nummer eins der Weltrangliste war diejenige, die Sie als Kind wirklich wahrgenommen haben?

Als ich klein war, war Steffi Graf mein Idol. Aber ihr Status als Nummer eins hat da keine große Rolle gespielt. Ich habe einfach gesehen, was sie alles gewinnt. Dieses Gefühl wollte ich irgendwann auch haben. Eine besondere Figur für mich war aber immer auch Serena Williams. Als ich mit dem Tennis ernsthaft begonnen habe, war sie schon auf der Tour und hat diese mit ihrer Schwester Venus dominiert. Das habe ich sehr nah mitbekommen. Deshalb ist es so besonders für mich, gerade jetzt die Nummer eins zu werden, jetzt, da sie noch spielt.

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