Angelique Kerber:Seht her, ich bin wieder da!

WTA-Tour in Sydney - Finale

Sie stralt wieder: Angelique Kerber in Sydney.

(Foto: dpa)

Angelique Kerber verblüfft: Neun Siege in neun Spielen, nichts erinnert mehr an ihre verunglückte vergangene Saison. Die Tennisspielerin hat einen neuen Weg eingeschlagen.

Von Gerald Kleffmann, Sydney/Melbourne

Ein Schrei hallte durch das olympische Tennisstadion von 2000. Er war quiekend und schrill und lang. Hände ballten sich. Dann wackelte ein Zeigefinger. Der rechte. Als wollte er sagen: Seht her, ich bin wieder da!

Es war tatsächlich eine Pose, die mal nachhaltig Deutschland erobert hatte, die Tennis-Interessierten und jene, denen noch Tennis in Zeiten von Graf und Becker etwas sagte, erfreuten sich an ihr. 2016, das waren: zwei Grand-Slam-Titel. Und die Nummer eins der Welt. Dann aber war diese Pose irgendwie verschwunden. Angelique Kerber, 29, gewann 2017 nichts mehr, ein Finale erreichte sie, in Monterrey, Mexiko. 2018 hat sie somit schon mehr Erfolg verbucht. Die Pose ist zurück. Die mit dem Zeigefinger.

Der neue Trainer hat offenbar schon Einfluss

Denn Kerber sicherte sich tatsächlich gleich in ihrem ersten offiziellen Weltranglisten-Turnier der Saison den Titel: den ersten, seit sie im September 2016 bei den US Open gesiegt hatte. Und den elften ihrer Karriere. In Sydney am Samstag ließ sie der 21-jährigen Ashley Barty, einer beeindruckend schlaggewaltigen Australierin, beim 6:4, 6:4 kaum Chancen. Die Veranstaltung ist zwar bei weitem nicht so wichtig wie die am Montag beginnenden Australian Open in Melbourne.

Aber Kerber hat dieses Turnier für sich zu einem wichtigen gemacht. Zu einem, an das man sich vielleicht mal erinnern wird: Ab da war sie wieder da, irgendwie. Zurück von ihrem Tief, das sie im Jahr zuvor durchschritten hatte. Zurück wieder als Spielerin, der man viel zutraut. Sie sammelte Siege. Und Selbstvertrauen. In Melbourne trifft Kerber am Dienstag in Runde eins auf die deutsche Kollegin Anna-Lena Friedsam.

In welchem Zustand Kerber 2017 sportlich beendet hatte, schilderte die Fernsehkommentatorin Rennae Stubbs, früher selbst Profi, während des Endspiels in Sydney. Kerber hatte ihr letztes Saisonmatch mit 3:6, 4:6 gegen Barty bei der B-WM in Zhuhai/China verloren, sie sei danach in Tränen ausgebrochen und habe sich von Bartys Trainer und einem WTA-Verantwortlichen trösten lassen, schilderte Stubbs. "Ein Desaster" sei dieses Ende für Kerber gewesen, ordnete Stubbs ein. Um zu betonen: "Kerber ist nun wieder eine 2016-Version." Ihr neuer Trainer, der Belgier Wim Fissette, hat sich an diese Vorlage offenbar erinnert und die siegbringenden Eigenschaften reanimiert.

Kerber: "Ich fühle mich großartig"

In Sydney, bei der Siegerehrung, sagte Kerber, etwas zitternd, als könne sie es nicht ganz glauben: "Ich spiele wieder tolles Tennis und fühle mich großartig." Sie hat die richtige Richtung für den neuen Weg, von dem sie in einem offenen Brief an ihre Fans geschrieben hatte, also schon gefunden. Zäh wie eine Gummiwand agiert sie zunehmend wieder auf dem Platz. Nimmt man den Hopman Cup dazu, jenen nicht für die Weltrangliste zählenden Teamwettbewerb in Perth, mit dem ihre Saison an Neujahr begann, hat Kerber nun neun Siege in neun Partien gefeiert. Die 2017 so oft (an sich) zweifelnde Kerber ist auf einem anderen Level angekommen.

Sie schlug bei der Serie ja auch starke Gegnerinnen, wie Venus Williams, Dominika Cibulkova und Lucie Safarova, gegen die die Deutsche sogar zwei Matchbälle abwehrte. In Perth, beim Hopman Cup, schien sie die Kapitänin im Zweier-Team mit Alexander Zverev zu sein. Sie riss ihn mit. Drei von vier Einzel verlor Zverev, Kerber siegte viermal. Über die Mixed-Erfolge erreichten sie das Finale. Nur Roger Federer (mit Belinda Bencic) hielt die beiden auf. In Sydney gewann sie auch Dreisatz-Matches. Sie wehrt sich wieder.

Das Finale in Sydney war nicht hochklassig, aber Kerber hat ihren Stil durchgezogen. Das war und ist die Erkenntnis. Ein Break im ersten Satz, eines im zweiten, ansonsten geschickt gemischt zwischen aggressiven und defensiven Grundlinienschlägen, sie verzettelte sich nicht im Matchplan. Konsequent wirkt sie wieder, robuster bei Rückständen in kleinen Phasen, die oft Weichen stellen in einem Satz und Match. Schöner Nebeneffekt: Nachdem die frühere Weltranglistenerste bis auf Platz 22 durchgereicht worden war, klettert sie in der neuen Weltrangliste nun auf Rang 16. "Ich freue mich auf den Rest des Jahres", sagte Kerber - und das war doch ein erstaunlicher Satz, keine drei Monate nach den Tränen von Zhuhai.

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