Andy Murray in Wimbledon:Erster mit Frau

The Championships - Wimbledon 2014: Previews

Wimbledonsieger im Plausch: Andy Murray und Amelie Mauresmo

(Foto: Getty Images)

Titelverteidiger Andy Murray tritt in Wimbledon erstmals mit Amélie Mauresmo als neuer Trainerin auf. Ihre Verpflichtung wühlt die strenge Tennisszene auf - mancher stilisiert den Briten schon zur Ikone der Frauenbewegung.

Von Michael Neudecker, London

Andy Murray ist ein Held, daran besteht nun kein Zweifel mehr, falls es überhaupt je Zweifel gegeben haben sollte. Am Sonntag, als der Tennisspieler Andy Murray von seinem Haus in Oxshott die 20 Autominuten nach Wimbledon fuhr, sah er, wie ein Hund auf die Straße rannte. Murray, selbst Hundebesitzer, stellte sein Auto ab, ging durch den Verkehr zu dem Hund, nahm ihn hoch und trug ihn zu seinem Wagen, weshalb die Times bewundernd feststellte: "Andy Murray riskierte eine Verletzung, um einen Labradoodle zu retten", ein Labradoodle ist eine Mischung aus Labrador und Pudel.

Und das ist noch gar nicht die Pointe, es ist nämlich so: Murray rief danach die Telefonnummer auf dem Halsband an, es stellte sich heraus, dass der Hund mit Murrays Hunden, den Terriern Maggie May und Rusty, bekannt ist. "Unglaublicherweise gehen meine Hunde mit diesem Hund aus", sagt Murray.

Sonntag war der Tag, an dem der Schotte Andy Murray, der Titelverteidiger, seinen ersten Auftritt in Wimbledon 2014 hatte, und man kann sagen: Wimbledon 2014 begann für Murray ausgesprochen gut.

Am Montag dann eröffnete Murray das Turnier mit dem ersten Match auf dem Centre Court, sein Gegner, der 23-jährige Belgier David Goffin, war chancenlos, Murray gewann 6:1, 6:4, 7:5. Wie es läuft für Andy Murray in Wimbledon, das ist jedes Jahr die überlagernde Frage im Londoner Südwesten, natürlich auch in diesem Jahr, daran hat sein Sieg 2013 nichts geändert. Jahre, Jahrzehnte lang stellte Großbritannien immer im Juni die Frage, ob dieses Mal endlich ein Brite hier gewinnen würde, dann gewann Murray, als erster seit Fred Perry vor 77 Jahren. Großbritannien war erleichtert, aber man muss nicht meinen, dass Großbritannien zufrieden ist. Weil Perry dreimal nacheinander gewann, stellt Großbritannien jetzt die Frage, ob es Murray gelingt, als erster Brite seit Perry vor 78 Jahren den Titel zu verteidigen.

Mauresmo? Die frühere Wimbledon-Siegerin Virginia Wade empfand das als "Schock"

Gerade ist zudem die Fußball-WM in Brasilien, und weil die Engländer derzeit so Fußball spielen wie die Briten zwischen Perry und Murray Tennis spielten, ist Murray am Sonntag tatsächlich gefragt worden: Die Fußballer seien ja ausgeschieden, wie es sich also anfühle, jetzt die Hoffnung der Nation auf den Schultern zu tragen?

Andy Murray hob die Augenbrauen, blickte irritiert und sagte: "Wow."

Erster Spitzenspieler mit Trainerin

Er kennt diese Fragerei, seit Jahren erlebt er das immer wiederkehrend, es mache ihm nichts aus, sagt er, nicht mehr, das liege "am Alter und an der Erfahrung". Er muss Großbritannien nicht mehr beweisen, was er kann, das hat er hinter sich, und weil er Überhöhungen wie die meisten Sportler ohnehin nicht ausstehen kann, ist es ihm auch gleichgültig, dass er für manche seit kurzem zu einer Ikone der Frauenbewegung stilisiert wird.

Vor knapp zwei Wochen gab Murray etwas bekannt, das die Tennisszene ein wenig aufwühlte: Er werde ab sofort von der 34-jährigen Französin Amélie Mauresmo trainiert. Die britische frühere Wimbledon-Siegerin Virgina Wade sagte dieser Tage, für sie sei das "ein totaler Schock" gewesen, sie habe gedacht, Murray wolle "die Leute auf den Arm nehmen". Eine Frau? Und dann: Mauresmo?

Murray ist der erste Spitzenspieler in der Geschichte dieses strengen Sports, der eine Frau als Trainer verpflichtete, weshalb er nun auch Fragen wie diese beantworten muss: Wie er es finde, als Kämpfer für die Gleichberechtigung in der Welt wahrgenommen zu werden? Das sei nicht der Grund, weshalb er Mauresmo geholt habe, sagt Murray, "es ging nur darum, die richtige Person mit der richtigen Erfahrung zu finden", egal, ob Mann oder Frau. Und, yeah, wenn es helfe, dass künftig mehr Frauen als Trainer in diesem Sport arbeiteten, dann sei das gut, entscheidend aber sei nur: "Die vergangenen zehn Tage mit ihr auf dem Platz waren großartig."

Andy Murray weiß schon, dass Frauen als Cheftrainer selten sind im Sport; Beispiele wie das der deutschen Frauenfußball-Bundestrainerin Silvia Neid sind eher die Ausnahme. Für Murray aber ging es nicht um die Frauenfrage, sondern darum, dass er neue Impulse brauchte, seit seinem Sieg 2013 war er in keinem Finale mehr, und seit März, seit der von beiden Seiten gewollten Trennung von Ivan Lendl, war er ohne Trainer. Bewerbungen bekam er ausreichend, trainierende Ex-Profis sind im Trend.

Wenn Novak Djokovic spielt, ist immer auch Boris Becker im Bild, Geschichten über Roger Federer kommen selten ohne Nennung von Stefan Edberg aus, und Goran Ivanisevic ist sowieso bekannter als sein Schützling Marin Cilic. Aber: Mauresmo? Im vergangenen Jahr coachte sie die Französin Marion Bartoli zum geradezu sensationellen Wimbledon-Sieg, ein größeres Thema war sie dabei nicht. "Sie ist eine Trainerin, die zuhören kann", sagt Murray, er hat das in den vergangenen Tagen oft gesagt, das ist ihm wichtig: eine ruhige Person, die ihm nicht mehr Rampenlicht beschert, als er ohnehin schon hat.

Und: Er braucht jemanden, der weiß, wie er sich manchmal fühlt. Andy Murray hat nicht diese federerhafte Souveränität, nicht diese djokovichafte Coolness, er ist nervös, wenn er den Platz betritt, er hadert, jubelt, seine Matches sind oft auch Schauspiele. Mauresmo galt früher als eine Spielerin, die Schwierigkeiten hat mit ihren Nerven, aber sie bekam die Sache in den Griff, sie wurde Nummer eins der Welt und gewann die Australian Open und Wimbledon. "Sie kennt sich mit dem psychologischen Teil des Spiels besser aus als die meisten anderen", sagt Murray.

Amélie Mauresmo ist natürlich auch gefragt worden, wie sie ihren Job hinsichtlich der Gleichberechtigung sehe. Sie sagte: Klar, sie hoffe, dass das etwas in Bewegung setzen könne, aber, "um ehrlich zu sein: Das ist nicht der Grund, warum ich das mache". Sie ist keine Feministin, keine ideologische Kämpferin, so sieht das Mauresmo. Sondern einfach nur Trainerin.

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