Ancelotti bei Real Madrid:"Meister gegen Schüler - ja, das trifft es"

Real Madrid's coach Ancelotti watches his assistant Zidane shout at their players during their Champions League final soccer match against Atletico Madrid at Luz stadium in Lisbon

24. Mai 2014, Champions-League-Finale, Lissabon: Assistent Zidane coacht Real Madrid, sein damaliger Chef Ancelotti schaut amüsiert zu.

(Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)
  • Der FC Bayern trifft im Champions-League-Viertelfinale auf Real Madrid, für Bayern-Coach Ancelotti wird es eine emotionale Begegnung.
  • Sein Abschied als Real-Trainer war nicht gerade harmonisch.
  • Insbesondere mit Vereinspräsident Perez hat er noch eine Rechnung offen.

Von Javier Cáceres

La vendetta è un piatto che si serve freddo", lautet ein italienisches Sprichwort: Die Rache ist ein Gericht, das kalt serviert wird.

Carlo Ancelotti, der italienische Trainer des FC Bayern München, ist ein Mensch, der nicht von Rachegelüsten getrieben zu sein scheint. Eher schon ist das Gegenteil der Fall. Doch als an diesem Freitag im Nyon in der Schweiz das Viertelfinale der Champions League ausgelost und die Begegnung FC Bayern München gegen Real Madrid aus dem Topf gezogen wurde, dürfte Ancelotti vielleicht nicht mit der linken Braue, wohl aber mit den Mundwinkeln gezuckt haben.

Beim Gedanken an Real Madrid und dessen Präsidenten Florentino Pérez, mit dem er noch eine Rechnung offen hat.

Ancelotti fühlte sich gemobbt

Ein Jahr, neun Monate, drei Wochen und drei Tage waren am Freitag vergangen, seit Pérez im Mai 2015 die Entscheidung bekannt gab, den Italiener Carlo Ancelotti als Trainer von Real Madrid zu ersetzen - jenen Trainer, der Real Madrid im Sommer 2014 im Champions-League-Finale von Lissabon gegen den Erzrivalen Atlético die ersehnte Décima in die Vereinsvitrine gestellt hatte, das heißt: den zehnten Königsklassenpokal. Was im Jahr danach passierte, hat der Italiener Ancelotti des Öfteren geschildert; auch in seinem jüngst erschienenen Buch "Quiet Leadership - Wie man Menschen und Spiele gewinnt". Und es erklärt, warum sich Florentino Pérez und Ancelotti beim einzigen seither dokumentierten Rendezvous, am 3. August 2016 am Rande eines Freundschaftsspiels des FC Bayern gegen Real Madrid in New Jersey/USA, höflich, aber doch unverbindlich die Hand gaben. Zumindest gemessen an den effusiven Gesten, die das menschliche Miteinander in Mittelmeerländern prägen.

In seinem Buch lässt Ancelotti kaum einen Zweifel daran, dass er sich gemobbt fühlte. Pérez ist ein interventionischer Präsident, der aus dem Unternehmerlager kommt, aus der Welt der Statistiken, der Produktivität, der Margen, der Entlassungen. Ancelotti ist das Gegenteil davon; wegen seiner ländlichen Herkunft, seines aussöhnenden Charakters, der Herzlichkeit, der Lebenserfahrung, die ihn der Fußball lehrte. Es waren Wesen, die prädestiniert waren, zu kollidieren.

Und sie taten es, vehement.

Pérez versuchte Ancelotti davon zu überzeugen, den Waliser Gareth Bale zentral aufzubieten; Ancelotti weigerte sich. Vor allem aber zückte Pérez eine Erhebung des europäischen Fußballverbandes Uefa, die Real Madrid als das Team in Europa auswies, das am wenigsten trainierte, und hielt Ancelotti überdies eine atemberaubende Verletzungsmisere vor, die den Trainer die Meisterschaft kostete. "Wir müssen mehr arbeiten", sei die Losung gewesen, die von der Vereinsführung ausgegeben wurde. "Aber das war falsch. Die Wahrheit war, dass ich den Spielern mehr Ruhe gönnen musste", erzählt Ancelotti in seinem Buch.

Alonso will nach Cardiff - zum Finale

Nachdem das Urteil über ihn gefällt war, holte Real den Spanier Rafael Benítez, um ihn nach gut einem halben Jahr wieder zu entlassen (wofür Ancelotti seinen früheren Boss Pérez öffentlich kritisierte). Ersetzt wurde Benítez durch den Mann, der Ancelotti im Finale 2014 assistiert hatte: Frankreichs einstigen Weltklassespieler Zinédine Zidane. Der tat es Ancelotti im Mai 2016 nach und gewann ebenfalls die Champions League gegen Atlético Madrid. "Meister gegen Schüler - ja, das trifft es", sagte Zidane am Freitag, als er in Madrid auf das Champions-League-Los angesprochen wurde.

In der Tat ist es nicht wenig, was Zidane, 44, von Ancelotti, 57, gelernt hat. Ancelotti weiß, wie man eine Gruppe von Stars bei Laune und in den entscheidenden Momenten unter Spannung hält, und er hat die Taktik Real Madrids entscheidend geprägt. "Es ist kein Vorteil, dass ich bei Real Madrid Trainer war", sagte Ancelotti am Freitag. Doch wer sollte besser wissen als er, wie man Real beikommt - und unter welchem Stress ein Team steht, das binnen 14 Tagen gegen Atlético, zwei Mal gegen den FC Bayern und ein Mal gegen den FC Barcelona antreten muss?

Zumal: Wer Real Madrid heute spielen sieht, kann leicht erkennen, dass das Fundament, auf dem die Ausrichtung Madrids unter Ancelotti beruhte, noch immer daliegt. Es basiert auf der zunächst banal anmutenden Überzeugung, dass die extrem schnellen Angreifer Ronaldo und Bale gefährlicher sind, wenn sie 70 Meter vom gegnerischen Tor entfernt sind als 20 Meter.

Ancelotti zitierte Spieler in sein Büro

Was daraus folgt, ist das Werk Ancelottis: die Art und Weise, wie sich die Elf zusammenzieht, um Räume für Ronaldo und Bale zu schaffen. Es schert die Madrilenen nicht, im Zweifelsfall dem Gegner den Ball zu überlassen, trotz grandioser Mittelfeldvirtuosen wie Luka Modric oder dem deutschen Nationalspieler Toni Kroos, der als früherer Bayern-Profi übrigens ebenfalls vor einer besonderen Partie steht. Ähnlich wie Bayerns Spanier Xabi Alonso, der 2014 als Real-Profi beim Champions-League-Finale von Lissabon wegen einer Sperre zusehen musste.

In jenem Jahr ging auch das bislang letzte von insgesamt 22 Duellen über die Bühne, die sich Bayern und Real Madrid geliefert haben; es war das erste von drei Champions-League-Halbfinalduellen in Serie, die der FC Bayern seither gegen spanische Teams verloren hat (Real Madrid, FC Barcelona, Atlético Madrid). "Ich bin froh, noch mal in Madrid spielen zu können", sagte Alonso am Freitag - in Anspielung darauf, dass er am Ende der Saison seine Karriere beenden will, nach Möglichkeit am 3. Juni in Cardiff, dem Tag und Ort des Champions-League-Finales.

Danach wird Alonso womöglich selbst Trainer werden, an prominenten Lehrern hat es ihm nicht gemangelt. Er hat unter José Mourinho und Pep Guardiola trainiert und die Champions League unter Benítez (mit dem FC Liverpool) und eben unter Ancelotti mit Real Madrid gewonnen. Alonso, 35, weiß daher, dass es keinen Coach gibt, der die Arbeit eines Jahres so dezidiert auf die letzten Instanzen einer Saison ausrichtet wie Ancelotti.

Wenn er in der Hinrunde mit einem Spieler unzufrieden war, so erzählt man es sich in München, zitierte Ancelotti ihn in sein Büro. "So wirst du in den letzten acht Wochen der Saison keine Rolle spielen", habe er dann sinngemäß gesagt. Und daher dürfte es ihm am Freitag gereicht haben, auf den Kalender zu zeigen.

Denn die letzten acht Wochen beginnen jetzt.

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