Ammann-Sieg in Oberstdorf:Schritt eins zur Vollendung

Four Hills Tournament Oberstdorf

Simon Ammann: Gewinner in Oberstdorf

(Foto: dpa)

Als Favorit aus der zweiten Reihe gewinnt der Schweizer Simon Ammann das Auftakt-Skispringen der 62. Vierschanzentournee und kann damit weiter vom letzten Titel träumen, der ihm noch fehlt. Die Deutschen zeigen eine ordentliche Mannschaftsleistung, müssen aber feststellen, dass sie mit der absoluten Spitze nichts zu tun haben.

Von Thomas Hahn, Oberstdorf

Wenn Simon Ammann von sich selber spricht, klingt das manchmal ein bisschen so, als traue er sich selbst zu viel zu. Vor der 62. Vierschanzentournee hat er davon gesprochen, dass er "eine lustige Zuversicht" in sich spüre. Dass er eine gute Chance für sich sehe, die Tournee zu gewinnen, das letzte Großereignis seines Sports, das er noch nicht gewonnen hat.

Konnte er das ernst meinen, nach der durchwachsenen Saison, die er im vergangenen Jahr hatte? Nach dem wackligen Saisonstart dieser Saison? War das nicht ein bisschen zu mutig von dem viermaligen Olympiasieger - am Abend seiner Karriere? Aber am Sonntagabend beim Auftaktspringen in Oberstdorf vor 25 500 Zuschauern stand er dann tatsächlich vorne.

Er zeigte nicht die schönsten Landungen, weil seine Sprünge ihn so weit hinuntertrugen, aber nach allen Berechnungen und Abzügen der verschiedenen Punkteregeln war Ammann, 32, tatsächlich der Tagessieger vor dem norwegischen Weltmeister Anders Bardal und den punktgleichen Thomas Diethart (Österreich) und Peter Prevc (Slowenien). Vielleicht hat Simon Ammann an diesem wechselhaften Abend am Schattenberg tatsächlich den ersten Schritt getan, um seine Karriere zu vollenden.

Und die Deutschen? Tja, die Deutschen.

Das Spiel mit den Erwartungen ist schwer, und die deutschen Skispringer sind schon oft daran gescheitert. Immer wieder sind sie mit der Empfehlung eines erfreulichen Frühwinters zur Tournee gekommen. Aber wenn das Ereignis dann seine Atmosphäre entfaltete, wenn die schmalen Männer spürten, wie die Blicke von Medien und Menschen auf ihnen lasteten - dann kamen sie ihren eigenen Wünschen nicht mehr hinterher. Und dieses Jahr? Am Samstag, dem Tag der Qualifikation, machten die Deutschen wieder den Eindruck, als überforderten sie die eigenen Aussichten nach den diversen Podestplatzierungen und Lobreden dieser Saison.

Insgesamt neun Vertreter des Deutschen Skiverbandes schafften den Sprung in den Wettkampf der 50 Besten, mit knapper Not auch der frühere Weltmeister Martin Schmitt, 35, was das Publikum mit wehenden Deutschland-Fahnen feierte. Aber es gab auch schon erste Enttäuschungen: Der Oberstdorfer A-Team-Springer Karl Geiger schied aus und lief kopfschüttelnd davon. Auch sonst fehlte der Glanz.

Severin Freund war der beste Deutsche als Neunter, nahm sich zwar nichts übel, aber sagte auch: "Es war nicht der ganz große Wahnsinnssprung, den man braucht, wenn man ganz vorne dabei sein will." Bundestrainer Werner Schuster sagte: "Der Fluss hat etwas gefehlt." Und fügte hinzu: "Wir werden morgen freier springen."

Gut, aber nicht gut genug

Das Versprechen konnte nicht jeder einhalten. Schmitt verlor im ersten Durchgang sein Duell gegen den japanischen Ü40-Meister Noriaki Kasai, eine Überraschung war das nicht mehr. Schwer ernüchtert war dagegen Richard Freitag wegen seines Ausscheidens mit einem Sprung von 120,5 Meter bei Rückenwind. Freitag konnte mildernde Umstände geltend machen, nachdem er zuletzt wegen einer Knochenhautentzündung hatte pausieren müssen und wegen eines Ermüdungsfußbruchs erst verspätet in die Saison hatte einsteigen können.

Aber Freitag mag keine mildernden Umstände, er sagte: "Raus ist raus, das ist bitter." Auch der 18-jährige Andreas Wellinger und Andreas Wank waren allenfalls mit Abstrichen zufrieden mit ihrem Tagwerk als 29. bzw. 15.

Andere wiederum spielten sich plötzlich wieder in den Kreis der Besten: Die bayerischen Landsmänner Michael Neumayer, 34, und Marinus Kraus, 22, schienen sich in ihrem Duell gegenseitig zu Spitzenweiten zu reizen. Kraus gewann mit 140,8 zu 137,9 Punkten, aber als bester Verlierer war auch Neumayer weiter und am Ende auf Rang elf komfortabel platziert. Kraus durfte sich später sogar als bester Deutscher feiern lassen, weil er seinen zehnten Platz zur Halbzeit noch auf Rang acht verbesserte. Und Severin Freund nach gutem ersten Durchgang auf Rang zehn zurückfiel. Es war wieder ein typisch deutsches Tournee-Ergebnis. Gut, aber nicht gut genug.

"Die Tournee ist noch lang", tröstete sich Freund. "Weiterfighten", forderte Schuster. Aber natürlich wusste auch der Bundestrainer: "Mit der absoluten Spitze haben wir nichts zu tun gehabt."

Ob das reicht, um noch ein Wort mitzureden im Kampf um den Tournee-Sieg? Andere Mitfavoriten kamen jedenfalls auch nicht ganz vorne an: Der Gesamtweltcup-Führende Kamil Stoch aus Polen wurde 13., Titelverteidiger Gregor Schlierenzauer (Österreich) Neunter. Andere brachten sich in eine blendende Ausgangsposition, die nicht die besten Voraussetzungen hatten dafür: der fünftplatzierte Österreicher Thomas Morgenstern zum Beispiel, der beim Weltcup in Titisee-Neustadt noch einen dramatischen Sturz fabriziert hatte. Morgensterns Landsmann Thomas Diethart, 21, Sloweniens WM-Zweiter Prevc, 21, der verzögert in die Saison gestartet war. Und natürlich Ammann, der erstaunliche Stehaufspringer aus der Schweiz.

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