Amerikanischer Basketball:Geld und Gier und Macht

Amerikanischer Basketball: Fans der Seattle Supersonics im Jahr 2008: Bitte nicht gehen!

Fans der Seattle Supersonics im Jahr 2008: Bitte nicht gehen!

(Foto: imago sportfotodienst)

Microsoft-Milliardär Steve Ballmer kauft mit anderen Investoren die Sacramento Kings - und wird mit dem Klub wohl nach Seattle umziehen, um die Supersonics wiederzubeleben. Was sich anhört wie ein Happy End, ist in Wahrheit nur der zweite Teil einer Tragödie.

Von Jürgen Schmieder

Wer einen Film über Geld und Gier und Macht sehen möchte, der möge sich Wall Street besorgen. Wer sich dazu für politische Vernetzungen im Spitzensport interessiert, dem sei Sonicsgate empfohlen: Der Dokumentarfilm aus dem Jahr 2009 zeigt, wie aus den Seattle Supersonics der Basketballklub Oklahoma City Thunder wurde, und wie im amerikanischen Sport nicht nur Athleten wie Ball werfendes Fleisch gehandelt werden, sondern wie auch Klubs lediglich Prestige- und Spekulationsobjekte sind.

Die Geschichte findet nun eine Fortsetzung: Eine Investorengruppe um Microsoft-Chef Steve Ballmer hat 65 Prozent der Anteile am Basketballklub Sacramento Kings gekauft mit dem Ziel, den Verein nach Seattle zu holen. Das klingt zunächst einmal nach einem Happy End, ist in Wahrheit aber der zweite Teil einer Tragödie - oder wie es der Dichter Sherman Alexie am Ende von Sonicsgate formulierte: "Falls wir wieder ein Team bekommen, dann ist das ein Klub, der anderen gehört. Wir brechen die Herzen von Menschen, denen es dann so geht, wie es uns jetzt geht."

Doch von vorne: Die Supersonics waren seit ihrer Gründung im Jahr 1967 in Seattle beheimatet und sind neben den Metropolitans (Stanley-Cup-Sieger 1917) der einzige Klub der Stadt, der mit der Meisterschaft 1979 einen bedeutenden Titel gewinnen konnte. Lenny Wilkens, Gus Williams und Nate McMillan spielten damals bei den Sonics.

1996 unterlag das Team um Gary Payton, Shawn Kemp und Detlef Schrempf in einer packenden Finalserie den Chicago Bulls. Die Supersonics waren eine Konstante in der National Basketball Association (NBA) und auch in Seattle. Vor zehn Jahren jedoch diskutierten die Eigentümer mit der Stadt über den Bau einer neuen Arena, NBA-Boss David Stern sollte schlichten.

Stern ist jedoch eine Art Sepp Blatter des amerikanischen Basketballs, während seiner Amtszeit gab es Gerüchte über Manipulationen bei der Auswahl der Collegespieler und einen Schiedsrichter-Korruptionsskandal. Stern spricht gerne über die NBA als Familie und über den gesellschaftlichen Wert von Sport, letztlich bevorzugt er aber meist jene, die neue Hallen bauen und viel Geld investieren. "Dann ziehen die Sonics eben in eine andere Stadt", war sein Kommentar, als Starbucks-Chef Howard Schultz die Supersonics im Jahr 2006 an eine Investoren-Gruppe aus Oklahoma City verkaufte.

Monatelang stritten die neuen Besitzer mit der Stadt, es ging vordergründig um die Hallen-Miete und den Bau einer neuen Arena. In Wahrheit ging es um Politik, um Macht, um Geld. Zwei Jahre später zog der Klub in eine neue Halle, nur stand die in Oklahoma City. Der Verein heißt nun Thunder, erreichte in der vergangenen Saison die Finalserie und gilt in dieser Spielzeit als aussichtsreicher Kandidat auf den Gewinn der Meisterschaft.

Schwierige Entscheidung für die Eigentümer

Seattle ist seitdem ohne NBA-Klub, doch das könnte sich nun ändern. Im September schlug der Investor Chris Hansen der Stadt Seattle vor, für 490 Millionen Dollar eine Sporthalle ganz in der Nähe der Stadien der Seahawks (Football) und der Mariners (Baseball) zu bauen. Das war das erste Zeichen für die Rückkehr der Supersonics, das zweite folgte vier Monate später: Microsoft-Chef Steve Ballmer meldete am 21. Januar, dass er, Hansen und weitere Partner für etwa 350 Millionen Dollar 65 Prozent der Anteile an den Kings erworben hätten.

Nach Microsoft-Gründer Paul Allen (Seahawks sowie Sounders/Fußball) und dem ehemaligen Nintendo-Präsidenten Hiroshi Yamauchi (Mariners) ist Ballmer der dritte Digital-Milliardär, der in Seattles Sportteams investiert. Ein Basketballklub ist ein Prestigeobjekt für einen wie Ballmer, er kann damit womöglich auch viel Geld verdienen in einer Stadt, die nach Basketball lechzt.

Beim All-Star-Spiel in Houston am vorigen Wochenende lavierte David Stern um eine klare Aussage, wo das Team künftig spielen wird: Es sei eine "schwierige Entscheidung für die Eigentümer", es gehe "nicht um wirtschaftliche Interessen". Würde der Klub nach Seattle umziehen, müsste er wohl zwei Jahre lang seine Heimspiele in der alten Arena austragen, bevor er umzieht in die neue Halle.

Das ist die Chance für Sacramento: Bürgermeister Kevin Johnson, der einst in der NBA für die Phoenix Suns spielte, sagt: "Wir werden ein Angebot abgeben, das schwer zu überbieten sein wird." Er hat jedoch die gleichen Probleme wie einst Seattle: Die Halle in Sacramento heißt nicht nur "Sleep Train Arena", sie sieht auch so aus - eine neue bekommt Johnson derzeit nicht finanziert.

Bis zum 18. April müssen Hansen und Ballmer der NBA ein Angebot machen, wo sie mit ihrem Klub hinwollen. Es ist zu erwarten, dass sie sich für Seattle entscheiden, aufgrund einer Fußnote von damals dürften sie das Logo, die Klubfarben und auch die Meistertrophäe von 1979 übernehmen. Doch das scheint nicht so wichtig zu sein - viel mehr als um Nostalgie geht es in dieser Geschichte um Geld und Gier und Macht.

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