American Football:Wie sich die NFL die Moral hinbiegt

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Nach seinem Rausschmiss bei den Arizona Cardinals jetzt bei den New England Patriots unter Vertrag: Michael Floyd. (Foto: imago)

Footballspieler Michael Floyd fährt betrunken Auto, wird gefeuert - und von einem Spitzenteam der NFL verpflichtet. Das wirft Fragen über eine Zwei-Klassen-Gesellschaft auf.

Von Christoph Leischwitz

Michael Floyd hat keine gute Saison gespielt. Der Receiver des NFL-Teams Arizona Cardinals hatte in zwölf Partien gerade einmal vier Touchdowns erzielt und war damit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Am vergangenen Sonntag kam Floyd, 27, im Spiel bei den Miami Dolphins gerade einmal auf 18 Yards Raumgewinn, die Cardinals verloren 23:26.

Es ist also gut möglich, dass Michael Floyd eine Menge Frust zu ertränken hatte, bevor er am vergangenen Montag Probleme bekam, die über den Sport hinausgehen: Er wurde festgenommen. Laut der Nachrichtenseite arizonasports.com fand die Polizei Floyd um 2.48 Uhr Ortszeit in Arizona alkoholisiert am Steuer seines Autos vor, nachdem er zwei Grünphasen verschlafen hatte. Floyd hatte wohl unmittelbar nach dem Rückflug zu trinken begonnen.

Die Geschichte des Footballers Michael Floyd ist eine besondere, weil sie viel darüber erzählt, wie das Sport-Business in den USA funktioniert - und was sich dieses Business leisten kann. Floyd ist zwei Tage später von seinem Klub entlassen worden. Und am nächsten Tag haben ihn die New England Patriots verpflichtet.

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"Ich bin sehr enttäuscht von ihm", sagt sein alter Trainer

Normalerweise liegt der Fokus der Spieler in der aktuellen Saisonphase darauf, sich durchzubeißen und zu präsentieren. In den vergangenen zehn Jahren gab es zwar mehr als 100 Fälle, in denen NFL-Spieler bei Verkehrskontrollen betrunken oder bekifft aufgegriffen wurden - doch meistens eben außerhalb der Saison. Die Cardinals haben trotz einer mittelmäßigen Bilanz von fünf Siegen, sieben Niederlagen und einem Unentschieden immer noch die theoretische Chance, die Playoffs im Januar zu erreichen. Zudem läuft Floyds Vertrag aus - eine denkbar schlechte Zeit also für schlechte Schlagzeilen nach einer schlechten Saison. "Ich bin sehr enttäuscht von ihm. Er ist mit schlechtem Beispiel vorangegangen", sagte Cardinals-Cheftrainer Bruce Arians.

Die gerichtliche Strafe für Floyd steht noch aus. Zunächst, so könnte man das sehen, hat er eine Belohnung bekommen. Mit seinem Wechsel nach New England geht er von einem Mittelklasse-Team zu einem Daueranwärter auf den Titel. Und er stand bereits am Sonntag beim Auswärtsspiel in Denver im Kader.

Der frühere Spieler der Minnesota Vikings, Cris Carter, sagte im Sender Foxsports: "Ich bin froh, dass ihn jemand verpflichtet hat. So hat er noch eine Versicherung, er kann Hilfe in Anspruch nehmen." Er falle also nicht aus dem sozialen Netz. Carter selbst war erst mithilfe eines Alkoholentzugs zum Star geworden und ist heute Mitglied der NFL Hall of Fame.

Doch der Vorfall wirft zugleich die Frage auf, ob es sich bei der NFL nicht um eine moralische Zwei-Klassen-Gesellschaft handelt. Unwichtigere Spieler, die mit dem Gesetz in Konflikt kommen, werden nämlich deutlich öfter gefeuert, und bekommen deutlich seltener eine neue Anstellung. Ein Beispiel vom aktuellen Titelverteidiger Denver Broncos: Während der Vertrag des Tackles Quentin Saulsberry nach einer Trunkenheitsfahrt im Mai 2013 nicht verlängert wurde, durfte sich der Star-Receiver Brandon Marshall zwischen 2006 und 2009 gleich mehrere Ausrutscher leisten: Über ein Dutzend Mal hatte er damals mit der Polizei zu tun. Alkohol am Steuer war dabei eher ein harmloseres Delikt, meistens drehte es sich um häusliche Gewalt gegen Frauen. Marshall ist heute Receiver für die New York Jets und verdient derzeit rund neun Millionen Dollar im Jahr.

Und Floyd bekommt gerade seine dritte Chance. Im März 2011 war er von seinem College-Team Notre Dame wegen Trunkenheit am Steuer suspendiert worden, zunächst für immer. In der darauf folgenden Saison spielte er trotzdem und brach mehrere Offensiv-Rekorde. Dann wurde er von den Cardinals in der ersten Runde der NFL Draft verpflichtet.

Die New England Patriots sind dafür bekannt, das Potenzial von Spielern nüchtern zu analysieren. Der zurzeit schier unersetzbare Runningback LeGarrette Blount zum Beispiel (aktuell 1029 Yards, 14 Touchdowns) war von dem Team aus Massachusetts 2015 verpflichtet worden, obwohl er noch eine Sperre wegen des Besitzes von Marihuana abzusitzen hatte. Auch Floyd ist ein guter Spieler, mit lediglich einer schlechten Saison. Nutzt er in den Playoffs eine seiner Chancen, dann könnte er für die Patriots ein Schnäppchen werden. Und Floyd kann sich am 5. Februar vielleicht Super-Bowl-Sieger nennen.

© SZ vom 18.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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