American Football:Plötzlich nur noch Ersatzmann

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Sein Händchen ist in Dallas gerade nicht mehr gefragt: Tony Romo. (Foto: imago/Icon SMI)
  • Quarterback Tony Romo war lange das Gesicht der Dallas Cowboys - seit einer Verletzung er nur noch Ersatzspieler.
  • Statt ihm spielt der 23-jährige NFL-Neuling Dak Prescott.
  • Ausgerechnet Romo kennt diese Geschichte auch von der anderen Seite.

Von Julian Ignatowitsch

Wenn Quarterback Tony Romo sich momentan die Spiele seiner Dallas Cowboys von der Bank ansieht, dann muss er sich "eingestehen, was da passiert", wie er sagt. Das klingt erstmal schlimm. Also, was passiert denn da? Da fliegt der Ball in hohem Bogen durch die Luft, Pässe kommen punktgenau bei den Angreifern an und nicht selten entwischt ein Spieler seinen Verfolgern und geht den ganzen Weg bis in die Endzone. Kurzum: Was hier passiert, ist äußerst erfolgreich.

Romo ist vorerst allerdings nicht mehr aktiver Teil des Erfolgs. Der 36-Jährige, seit zehn Jahren Gesicht und Führungsfigur der Dallas Cowboys, ist plötzlich nur noch Ersatzmann hinter dem 23-jährigen NFL-Neuling Dak Prescott - und muss sich in dieser Rolle zurechtfinden. Er macht das auf seine Weise. Im November trat er vor die Presse, hielt ein Stück Papier in der Hand und verlas beinahe mechanisch ein gut fünfminütiges Statement, aus dem auch der oben genannte Satz stammt. Dann war er weg. Keine Fragen, keine weiteren Worte. Seitdem hat er sich nicht mehr öffentlich geäußert.

Romos Anfänge in Dallas waren sehr bescheiden

Seine Teamkollegen indes hinderte das nicht daran, weiterhin Sieg um Sieg in der NFL einzufahren. Die reguläre Saison hat Dallas als zweitbestes Team mit 13 Siegen aus 16 Partien abgeschlossen und trifft nun im Playoff-Viertelfinale (der sogenannten Divisional Round) als Favorit auf die formstarken Green Bay Packers. Das könnte Tony Romo glücklich machen, und das macht es ihn sicher auch - einerseits; andererseits hat er, der von sich gerne mal in der zweiten Person Singular redet, gerade feststellen müssen: "Dein potenzieller Nachfolger ist angekommen."

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Die Geschichte ist so alt wie der Sport, sie wird auch im prototypischen Football-Film An jedem verdammten Sonntag erzählt: Die alternde Spielmacher-Legende mit vielen Verdiensten für ihr Team verletzt sich und wird von einem jüngeren, unbedarften Nobody ersetzt, der auf einmal groß auftrumpft. Was tun, fragen sich da die Coaches, wenn der Veteran wieder fit ist? Dallas-Trainer Jason Garrett jedenfalls hat sich dafür entschieden, an Youngster Prescott festzuhalten. Romo ist damit nach einer langwierigen Rückenverletzung nur noch die Nummer zwei. Zumindest folgendes Zitat hat er sich zu seinem Nachfolger abgerungen (vielleicht haben es ihm die Verantwortlichen auch aufgeschrieben, das wäre filmreifer): "Er hat sich das Recht verdient, unser Quarterback zu sein." Nun gut, das nennt man wohl Diplomatie.

Ausgerechnet Romo kennt diese Geschichte auch von der anderen Seite. Er selbst löste 2006 den erfahrenen Super-Bowl-Champ Drew Bledsoe (damals 34 Jahre alt) als Starter bei den Dallas Cowboys ab, als dieser Schwierigkeiten hatte. Romo, der als Jugendlicher nur an einem kleinen College spielte und nicht mal unter die besten 262 Spieler seines Jahrgangs gewählt wurde, hatte sich bis dahin drei Jahre lang gerade so im Kader der Cowboys halten können. In dieser Zeit war er Mitspieler Quincy Carter nur dadurch aufgefallen, dass er jeden Freitag Frühstücksbrötchen mit zum Training brachte - "auf dem Feld spielte er schrecklich".

Das änderte sich über die Jahre. Romo lernte schnell dazu, trainierte wie ein Wilder und kam dann mit der neuen Verantwortung erstaunlich gut zurecht. In den Folgejahren erreichte Dallas vier Mal die Playoffs und gewann mit Romo 61 Prozent seiner Spiele. Der neue Star-Quarterback warf für 247 Touchdowns (bei nur 117 Interceptions) und knackte zahlreiche Rekorde in einem Traditionsklub, der auch den Spitznamen "America's Team" trägt und für so erfolgreiche Spielmacher wie Troy Aikman und Roger Staubach bekannt ist.

Romos Zeit in Dalles könnte bald endgültig vorbei sein

Viele Fans und Experten befürworten jetzt dennoch die Entscheidung, Prescott den Vorzug vor Romo zu geben. Denn während sich Prescott durch sein fehlerlos-konstantes Spiel schnell den Ruf von Nervenstärke und Zuverlässigkeit erworben hat, begannen bei Romo in den Playoffs gerne mal die Hände zu zittern und Bälle zu flattern. 2006 griff er bei einem Rückpass für ein scheinbar sicheres Field Goal in der Schlussminute daneben, regelmäßig machte er in der Endrunde seine schwächsten Spiele. Nur zwei von sechs dieser Partien konnte er überhaupt gewinnen. Zuletzt scheiterte er in den Playoffs 2014 eben an Green Bay, als er von seinem Gegenüber Aaron Rodgers in den Schlussminuten ausgespielt wurde.

Wenn Nachfolger Prescott nun auch in der entscheidenden Saisonphase überzeugt, dürfte Romos Zeit in Dallas endgültig abgelaufen sein. Vor zehn Jahren kommentierte Romo seine Übernahme noch mit den Worten: "Wenn kein sehr guter Ersatzspieler [er selbst] zur Verfügung gestanden hätte, wäre der Wechsel nicht passiert." Das gilt jetzt für Prescott. "Es ist ein doppelter Kampf", sagte Romo noch auf der Pressekonferenz: "Gegen deinen Gegner, aber vor allem gegen dich selbst." Drew Bledsoe übrigens, der ausrangierte Ex-Meister, trat bereits ein halbes Jahr nach seiner Degradierung erschöpft zurück.

© SZ vom 15.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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