American Football:"Er ist ein Chirurg"

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Quarterback Tom Brady von den New England Patriots gelingt an Thanksgiving ein nahezu perfektes Spiel gegen die Detroit Lions - ein weiteres Kapitel einer skurrilen Karriere.

Jürgen Schmieder

Nach dem Spiel gegen die Detroit Lions sagte Tom Brady einen Satz, auf den eigentlich sein grundsätzlich schlecht gelaunter Trainer Bill Belichick das Copyright hat. "Wir haben uns gut in das Spiel zurückgekämpft", sagte Brady. "Aber grundsätzlich sind wir noch nicht da, wo wir sein sollten."

Dirigent und Chirurg zugleich: Tom Brady beim Spiel gegen die Detroit Lions. (Foto: AP)

Es war eine überaus vorsichtige Analyse dieses Spiels, das die New England Patriots mit 45:24 bei den Detroit Lions gewonnen hatten. Vor allem war es Brady gelungen, das so genannte Quartback Rating, die statistische Zählmarke für die Leistung eines Spielmachers, auf den höchstmöglichen Wert von 158,3 zu heben. Er brachte 21 von 27 Pässen zum Mitspieler, vier davon führten zu Touchdowns. Durch seine Würfe erzielte er 341 Yards Raumgewinn, eine Interception - ein vom Gegner abgefangener Ball - ist ihm seit fünf Spielen nicht mehr unterlaufen.

"Er ist wie ein Chirurg, der die gegnerische Abwehr in seine Einzelteile zerlegt", sagte Mitspieler Dominic Raiola nach der Partie. Brady erreichte diesen Höchstwert zum zweiten Mal in seiner Karriere - einer Laufbahn, die ihm nach seiner Zeit an der University of Michigan kaum jemand zugetraut hätte. New England hatte ihn im Jahr 2000 nur widerwillig verpflichtet, als 199. Spieler des Jahrgangs, er war eingeplant als Ersatzspieler des Ersatzspielers. Aufgrund von Verletzungen wurde Brady Stammspieler, die Patriots gewannen elf der folgenden 14 Saisonspiele und wurden Meister.

Drei weitere Male hat Brady seine Mannschaft ins Endspiel geführt und dabei noch zwei Titel gewonnen. Aus dem ungewollten Ersatzmann ist ein Führungsspieler geworden, der mittlerweile in den Listen mit den besten 100 Spielern aller Zeiten geführt wird. Natürlich gibt es Quarterbacks, die schneller und kräftiger sind als er und auch präziser werfen - Brady glänzt in anderen, schwer messbaren Kategorien. So erzählen sich Mitspieler immer noch die Geschichte, als Brady in der entscheidenden Phase eines Spiels eine Auszeit nahm - jedoch nicht, um sich vom Trainer taktische Anweisungen zu holen, sondern um ihm mitzuteilen, dass das "schon ein Wahnsinnsspiel heute" sei.

Er hat einige individuelle Rekorde gebrochen, wie etwa den für die meisten Touchdown-Pässe in einer Saison oder die beste Passquote in einem Playoff-Spiel. Seine Mitspieler preisen jedoch lieber jene Fähigkeiten, die sich nicht unbedingt in Zahlen ausdrücken lassen. "Er ist ein Anführer, ein Dirigent - das Wort Druck existiert nicht in seinem Wortschatz", sagt Wes Welker, der am Donnerstag acht Pässe von Brady gefangen hatte.

Die Patriots haben nun neun von elf Spielen gewonnen und führen ihre Division gemeinsam mit den New York Jets an. Diese Bilanz war nach dem Abgang von Star-Receiver Randy Moss nicht unbedingt zu erwarten. Moss war zwar eine Diva, der seinem Trainer Bill Belichick schon mal erklärte: "Ich bin zu alt, um mittwochs und donnerstags zu trainieren. Aber ich bin jung genug, um sonntags spielen." Moss war aber auch die wichtigste Anspielstation für Brady - und nicht wenige Experten vermuteten, dass Bradys Effizienz leiden würde, könnte er keinen langen Pässe mehr auf den schnellen Moss werfen.

Brady indes hat sich mit der Situation arrangiert, die Patriots haben ihr Offensivsystem umgestellt. Statt langer Pässe in den Rückraum des Gegners wirft Brady nun kürzere Bälle und bezieht mehrere Passempfänger ins Spiel ein. "Ich will nicht sagen, dass wir besser geworden sind", sagt Belichick. "Auf jeden Fall sind wir vielseitiger geworden."

Nach dem Spiel übrigens lief Brady aus der Arena in Detroit, wo er von Robert Kraft, dem Eigentümer der Patriots, mit einer Umarmung und einer Limousine empfangen wurden. Das ist keine schlechte Entwicklung für einen, der einst als Ersatzspieler des Ersatzspielers verpflichtet wurde.

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