"Omaha! Omaha!" Die Verteidiger der San Diego Chargers wunderten sich im dritten Viertel der Partie bei den Denver Broncos, als sie diese Worte aus dem Mund des gegnerischen Spielmachers hörten. Der Typ auf der anderen Seite rief den gleichen Spielzug-Befehl wie Peyton Manning gewöhnlich, er trug das Trikot von Manning, er sah so aus, und er spielte auch so.
Es war tatsächlich auch Peyton Manning, der die Broncos nach seiner Einwechslung zum 27:20-Sieg führte und ihnen dadurch ein Freilos in der ersten Playoff-Runde sowie das Heimrecht in allen Partien bis zur Super Bowl bescherte, dem Finale der US-Football-Profiliga NFL.
Denvers Trainer Gary Kubiak erklärte Mannings Einwechslung mit "Bauchgefühl": Er habe sich aufgrund der vielen Ballverluste nach jemandem gesehnt, der seinen verunsicherten Akteuren Selbstvertrauen vermittelt. Das verwunderte, denn Kubiak hatte mit seiner Entscheidung am zehnten Spieltag, den angeschlagenen Manning auszuwechseln und nach der Genesung erst einmal nicht in den Kader zu holen, selbst für Verunsicherung bei seinen Spielern und eine Debatte im Umfeld gesorgt: Würde Ersatzmann Brock Osweiler nun übernehmen und der fünf Mal zum Spieler der Saison gewählte Manning seine Karriere im Alter von 39 Jahren beenden?
"Als ich drin war, sind wir besser gelaufen"
Ein Kinofilm belebt die Debatte über die Folgen von Kopfverletzungen im Football neu. Doch er verschweigt viele Wahrheiten - auf Druck der NFL.
Osweiler hatte nicht schlecht gespielt, was Manning danach in diplomatische Eigenwerbung verpackte: "Er hat gut geworfen und keine Fehler gemacht. Als ich drin war, sind wir besser gelaufen, haben besser gefangen und den Ball beschützt." Heißt übersetzt: Der Junge ist schon gut, aber mit mir agieren die anderen besser. Das ist durchaus als Botschaft an den Trainer zu verstehen, ihn künftig wieder von Beginn aufzustellen.
Verletzungen waren die prägenden Themen der soeben beendeten NFL-Hauptrunde. Dabei ging es natürlich in erster Linie um die Spielmacher, die Quarterbacks: Die Dallas Cowboys versanken nach der Verletzung von Tony Romo in der Unterdurchschnittlichkeit, die Pittsburgh Steelers qualifizierten sich erst nach der Rückkehr von Ben Roethlisberger gerade noch für die K.o.-Runde, Kirk Cousins stellte nach der Gehirnerschütterung von Robert Griffin mehrere Rekorde für die Washington Redskins auf und führte sie noch in die Playoffs. Bei den Cincinnati Bengals wird wohl auch im ersten Playoff-Spiel (gegen die Steelers) A.J. McCarron für den an der Wurfhand verletzten Andy Dalton auflaufen.
Dazu ging es um weitere prominente Akteure: DeAngelo Williams (Pittsburgh) etwa vertrat den erst gesperrten und dann verletzten Running Back Le'Veon Bell exzellent, die Seattle Seahwaks mussten in der zweiten Saisonhälfte ohne Ballträger Marshwan Lynch auskommen, bei den Green Bay Packers fehlte der Passempfänger Jordy Nelson die komplette Spielzeit.
Verletzungen gehören zum American Football wie der eiförmige Ball, doch in dieser Saison scheint mehr denn je zu gelten, was Bill Belichick, Trainer der New England Patriots, schon vor einigen Jahren gesagt hat: "Meister wird am Ende nicht jener Klub, der vor der Saison den besten Kader hat. Den Titel gewinnt der, der Verletzungen vermeidet oder effizient mit ihnen umgeht." Wie das geht, bewies Belichick: Im November fehlten gleich vier Passempfänger, dennoch erreichte der Klub mit einer Bilanz von 12:4 Siegen die Playoffs.
Belichick waren gesunde Spieler sogar wichtiger als das Heimrecht: Er verzichtete am letzten Spieltag bei den Miami Dolphins (10:20) auf mögliche Comebacks und beorderte seine Stammspieler auf die Ersatzbank. Quarterback Tom Brady durfte sein lädiertes Sprunggelenk schonen, Tight End Rob Gronkowski sein geschundenes Knie. Für die Playoffs hoffen die Patriots zudem auf die Rückkehr von Passempfänger Julian Edelman, auch der deutsche Offensivspieler Sebastian Vollmer (Sprunggelenk) dürfte bis dahin genesen sein. "Heimvorteil ist mir egal. Wir spielen, wo wir spielen müssen", sagte Belichick.
Ein mögliches Halbfinale könnte die Patriots nach Denver führen, wo nun debattiert wird, wer in den Playoffs als Quarterback agieren wird. "Ich bin noch nicht komplett fit, aber ich habe nun ja zwei Wochen lang Zeit", sagte Manning, der neben der Verletzung und der Zeit auf der Ersatzbank auch noch mit einer Dokumentation des Senders Al Jazeera umgehen musste, derzufolge er von einer Anti-Aging-Klinik leistungsfördernde Mittel bekommen habe: "Das war eine Woche, wie ich sie noch nie erlebt habe."
Trainer Kubiak wollte sich noch nicht festlegen, wer spielen wird. Doch wäre es angesichts der erfolgreichen Einwechslung überaus verwunderlich, wenn die "Omaha"-Rufe gegen San Diego die letzten in Peyton Mannings Karriere gewesen wären.
