American Football: Brett Favre:Er will doch nur spielen

Eine Gehirnerschütterung, acht Stiche im Gesicht, zwei Brüche im linken Fuß, eine Sehnenentzündung im Wurfarm: Quarterback Brett Favre möchte am kommenden Sonntag dennoch auflaufen.

Jürgen Schmieder

Ein paar Minuten lang war Brett Favre nicht Herr seiner Sinne. Nach einem Zusammenstoß mit Myron Pryor wankte der Quarterback der Minnesota Vikings benommen vom Spielfeld, von seinem Kinn tropfte Blut, er wurde mit einem Buggy aus dem Stadion gefahren. "Ich fuhr auf dem Wagen durch den Tunnel", sagte Favre, nachdem die Wunde am Kinn mit acht Stichen genäht worden war. "Ich dachte eine Sekunde lang: Was in aller Welt mache ich da?" Diesen Gedanken hatte in den vergangenen Jahren fast jeder Fan dieses Sports, der noch Herr seiner Sinne ist: Was in aller Welt macht er da?

New England Patriots defensive tackle Myron Pryor hits Minnesota Vikings quarterback Brett Favre in the fourth quarter of their NFL football game in Foxborough

Myron Pryor bringt Brett Favre zu Fall - die Wunde muss mit acht Stichen genäht werden.

(Foto: REUTERS)

Die Partie gegen die New England Patriots am vergangenen Sonntag war inklusive Playoffs die 316. in Folge, bei der Favre von Beginn an auf dem Spielfeld stand, ein unfasslicher Rekord in einer harten, bisweilen gar brutalen Sportart. Favre ist 41 Jahre alt, er soll der erfahrene Leitwolf der Vikings sein. Die Haare sind ergraut und er bewegt sich mittlerweile wie ein Leitwolf, bei dem die Pfoten lahmen. Neben der Wunde im Gesicht plagen ihn derzeit weitere Verletzungen. "Ich habe eine leichte Gehirnerschütterung, einen gebrochenen Fuß und eine Sehnenentzündung im Wurfarm", sagt Favre. "Aber ich habe auch früher schon mit Verletzungen gespielt."

Dieser Satz ist ebenso eine Untertreibung, als würde jemand behaupten, dass Favre ein ganz passabler Spielmacher sei. Er hat in 20 Spielzeiten nahezu jeden Werfer-Rekord gebrochen, im Jahr 1997 gewann er die Super Bowl, drei Mal wurde er zum wertvollsten Spieler der Saison gewählt.

Vor allem aber verpasste er seit dem 27. September 1992 kein einziges Spiel, obwohl sein Name insgesamt 45 Mal auf der offiziellen Verletztenliste zu stand. Während der Partie gegen die New York Giants im Jahr 2004 etwa erlitt er eine schwere Gehirnerschütterung, die Ärzte verboten ihm, weiterzuspielen. Favre kehrte dennoch zurück und warf einen Touchdown-Pass - an den er sich bis heute nicht erinnert.

Die Schmerzen betäubte er, indem er kiloweise Schmerzmittel oder literweise Alkohol in sich schüttete. "Ich habe 13 Tabletten Vicodin in einem Rutsch genommen, das ist eine Dosis, die tödlich sein kann", sagte er einmal über seinen Konsum. "Wenn ich Bier getrunken habe, dann 30 Stück." Wegen seiner Sucht nach Tabletten und Alkohol begab er sich drei Mal in ein Entzugsklinik. Auch private Probleme konnten ihn nicht davon abhalten, aufs Spielfeld zu laufen, weshalb nicht wenige behaupten, das wahre Suchtproblem Favres liege darin, immer weiter Football spielen zu müssen.

"Er stellt persönliche Rekorde über das Wohl des Teams", sagt der frühere Spielmacher Terry Bradshaw. "Aber man wird diesen Kerl einfach nicht los." Favre wollte immer spielen. Als bei seiner Frau vor fünf Jahren Brustkrebs diagnostiziert wurde, gewann er sechs der folgenden acht Partien. Vor drei Wochen wurde bekannt, dass Favre einem Model anzügliche Nachrichten geschickt haben soll. Einen Tag später führte Favre seine Minnesota Vikings zu einem Sieg gegen die Dallas Cowboys.

"Ich will nicht nur spielen, um meinen Rekord auszubauen", rechtfertigt sich Favre. "Nach meinen wirren Gedanken, was in aller Welt ich hier mache, dachte ich: Es gibt nichts Schöneres, als sich mit anderen zu messen." Am kommenden Sonntag will sich Favre mit den Arizona Cardinals messen. Er würde wohl auch dann auflaufen, wenn man ihn mit einem Buggy von der Umkleidekabine aufs Spielfeld fahren müsste und sich alle Menschen im Stadion fragen: Was in aller Welt macht er da?

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