American Football:Badalona im Kuhdorf

European Football League,  EFL, Allgäu Comets vs Badalona Dracs

Vorbild Bamberg: Was die Oberfranken im Basketball sind, will Kempten im Football werden. Zu den Heimspielen kommen regelmäßig 2000 Besucher.

(Foto: nph/imago)

Die Bundesliga-Partie zwischen den Allgäu Comets und den Munich Cowboys - eine Wachablösung?

Von Christoph Leischwitz

Joachim Hössl und Werner Maier haben vor über 20 Jahren auch schon mehrmals gegeneinander gespielt, Hössl als Center der Kemptener, Maier als Tight End der Münchner. Heute sind Hössl und Maier die Präsidenten ihres jeweiligen American-Football-Vereins, und schon allein deshalb birgt das Derby am kommenden Sonntag eine gewisse historische Brisanz. Allgäu Comets gegen Munich Cowboys, oder: "Landbuben gegen Großstädter", wie der Landbub Hössl sagt. Aufgrund der "Hassliebe" habe dieses Spiel einfach auch noch einmal mehr Charme als ein Heimspiel gegen jede andere süddeutsche Mannschaft.

Besonders ist diesmal, dass diese Bundesliga-Partie eine Wachablösung im bayerischen Football markieren könnte. In den vergangenen Jahren haben die Cowboys alle wichtigen Spiele gegen die Comets für sich entschieden, vor allem jene zwei im Oktober 2012, als man sich in der Relegation traf. Die Comets schafften es erst ein Jahr später in die höchste deutsche Liga. Doch auch dort haben sie sich schnell verbessert. "Playoffs", antwortet Hössl ohne zu überlegen auf die Frage nach dem Saisonziel. Das gelang in der vergangenen Saison nur den Cowboys.

Die Comets sprangen kurzfristig als Europacup-Team ein

Dass die Comets nun klarer Favorit sind, liegt nicht nur daran, dass die Kemptener im Winter das Tauziehen um Quarterback Cedric Townsend gewonnen hatten, der zuvor schon in München unterschrieben hatte. Es liegt noch nicht einmal daran, dass der neue Quarterback der Cowboys, Ward Udinski im Moment noch Abschlussprüfungen an seiner Heimatuni in den USA ablegen muss. Es liegt vor allem daran, dass die Landbuben vor allem ein besseres Umfeld genießen. "Wir haben natürlich das Glück, dass es in Kempten sonst keine Sportart gibt, in der höherklassig erfolgreich gespielt wird", erklärt Hössl. So rechnet er fürs Derby mit mindestens 2000 Zuschauern. Wie viele Zuschauer kommen, und wie viele davon dann vor Ort etwas essen, das sind wichtigsten ökonomische Faktoren für halbkommerzielle Amateurklubs. Die Comets sprangen deshalb auch kurzfristig als Europacup-Team ein, als die Cologne Falcons insolvent gingen und nicht mehr antreten konnten. Sportlich sind diese Spiele eher unbedeutend, die Comets gewannen in Amsterdam 62:0, und zu Hause gegen die Badalona Dracs 48:13. Wichtig war dabei, dass auch zu dieser Partie über 2000 Zuschauer kamen. "In München wird doch höchstens ein Stadion voll, wenn die Fußballer von Barcelona kommen. Aber wenn Badalona bei uns im Kuhdorf spielt, dann kommen die Leute." Welchen Stellenwert Football in Kempten schon hat, zeigt zum Beispiel die Tatsache, dass die Sportart mittlerweile an vier Schulen zum Lehrplan gehört. "Und die Direktoren bedanken sich dafür bei uns auch noch", sagt Hössl. Denn der Football-Sportunterricht findet in Englisch statt, und unter den Spielern habe sich der Schnitt in Englisch um einen Notenpunkt verbessert.

Den Comets scheint einfach immer alles in den Schoß zu fallen. Auch Spieler wie Francis Bah, der laut Hössl "eine neue Heimat gesucht hat". Der Abwehrspieler verpasste eine Profikarriere beim NFL-Klub Chicago Bears nur knapp, und er ist zusätzlich begehrt, weil er einen deutschen Pass besitzt. Der deutsche Teil des Kaders sei insgesamt besser geworden, freut sich Hössl. Man sei dabei aber auch nicht Hausieren gegangen, die Spieler meldeten sich nun selbst. "Die sehen unser Happening", sagt Hössl.

"Es wird sehr, sehr schwer für uns. Wir sind Außenseiter", sagt Cowboys-Präsident Maier mit Blick auf das Spiel am kommenden Sonntag. Die Münchner befinden sich in einem Jahr des Umbruchs, das Trainerteam ist komplett neu (in Wolfgang Hartung wechselte übrigens auch ein Münchner als neuer Trainer der Offense Line nach Kempten), mehrere wichtige Spieler verließen die Cowboys. Von bereits zwei absolvierten Spielen konnten sie immerhin eines gewinnen. Ziel ist es, das beste bayerische Team zu bleiben - ob das überhaupt realistisch ist, wird sich schon am kommenden Sonntag bei den Comets zeigen.

Gegen die Rhein-Neckar Bandits gelang den Comets ein 42:0

Dort tut man indes alles, um sich noch nicht zu weit aus dem Fenster zu lehnen. Man sei "null euphorisch", sagt Hössl, auch nicht nach dem ersten klaren Sieg gegen die Rhein-Neckar Bandits (42:0) - erstmal sehen, wie die Saison läuft. Sein langfristiges Ziel ist es auch nicht, so etwas wie der FC Bayern des American Football zu werden. Der Vergleich hinke ja allein schon aus infrastrukturellen Gründen. "Aber so etwas wie das Basketball-Bamberg des Football." Ja, das sei absolut möglich, glaubt Hössl.

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