Alpen-Triathlon:Kann mal jemand den Berg einstampfen?

Die Sonne brennt, das Salz klebt auf der Haut, der Körper ist schon matt vom Schwimmen, das Rennrad bietet keinen kleineren Gang mehr. Und dabei kommt das Anstrengendste noch. Der Alpen-Triathlon in Schliersee soll der härteste unter den Kurzdistanz-Wettbewerben sein.

Silke Keul

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Alpen-Tirathlon Schliersee 2012

Quelle: Silke Keul

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Die Sonne brennt, das Salz klebt auf der Haut, der Körper ist schon matt vom Schwimmen, das Rennrad bietet keinen kleineren Gang mehr. Und dabei kommt das Anstrengendste erst noch. Der Alpen-Triathlon in Schliersee soll der härteste unter den Kurzdistanz-Wettbewerben sein.

Ein Selbstversuch von Silke Keul.

Das ist er also, der Anstieg zum Spitzingsattel. Nicht dass schon genug Triathleten auf ihren teuren Rädern an mir vorbei gerauscht wären. Immer wieder wummern ihre Scheibenräder neben mir, es knallt dumpf - aha, der hat also noch einen kleineren Gang. Ich nicht mehr. Vier Kilometer lang geht es bergauf, 35 Kilometer liegen hinter mir. Immerhin: Rechts am Straßenrand machen immer wieder ein paar Männer eine Zwangspause und halten sich ihre Beine. Krämpfe. "Brauchste ein Gel?", frage ich einen freundlich. "Ich brauch' nur Kraft", antwortet er. Ok. Wenn du hier nicht hochkommst, wie lang dauert es dann, bis ich an der Seite stehe?

Der Alpen-Triathlon jährt sich 2012 zum 25. Mal und er wurde schon 1988 dafür konzipiert, besonders hart und gleichzeitig besonders schön zu sein. Es gibt Angst einflößende Anekdoten, zum Beispiel die vom australischen Weltmeister Miles Stewart, der sich die Radstrecke zwar angeschaut, sie aber dann doch lieber nicht mitgefahren ist, weil sie ihm zu steil war. 840 Höhenmeter bis zum Gebirgspass und dann noch eine Cross-Laufstrecke über die Valepper Almen, das klingt auch nach anhaltendem Muskelkater. Triathlon-Bundestrainer Roland Knoll, der das Rennen dreimal gewonnen hat, hat gesagt: "Wer nie am Schliersee gestartet ist, ist kein Triathlet." Gut. Deshalb bin ich hier. Hobbytriathletin, drei Wettkämpfe in der Saison gehabt. Das muss doch wohl reichen, um zu überleben.

Alpen-Tirathlon Schliersee 2012

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Einen Tag vor dem "schönsten und härtesten Triathlon der Welt" über die Kurzdistanz, wie der Veranstalter am Telefon versicherte, treffe ich mich mit einem Urgestein des Alpen-Triathlons: Gerhard Müller, 66, startet heuer zum 25. Mal in Schliersee. Er hat sein ganz persönliches Jubiläum mit dem Veranstaltungs-Jubiläum kombiniert. Es ist sein dreihundertster Triathlon und der in Schliersee ist sein Lieblings-Wettkampf. Er fährt mit mir die Radstrecke mit dem Auto ab. Er sagt, die sollte man schon mal gesehen haben, weil sie nicht ganz ohne sei mit den schmalen Straßen und gefährlichen Abfahrten.

Im Fußraum des Beifahrersitzes liegt der viereinhalb Jahre alte Dackel Schwips. Wenn sein Herrchen von einer Katze oder einer Kuh erzählt, dann springt der Hund hoch und schaut aus dem Fenster. Kühe gibt es hier viele.

"Hier in der Kurve musst du aufpassen", Müller bietet Triathleten das "Du" an, wie er sagt. "Wenn man hier rausfliegt, dann landet man im Stacheldrahtzaun." Aha, aha. Merke: Kurven nicht zu schnell nehmen. Ich brauche kein unfreiwilliges Piercing. Wenigstens ist die Strecke für Autofahrer komplett gesperrt.

Alpen-Tirathlon Schliersee 2012

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Die Auffahrt zum Spitzingsattel kann Gerhard Müller mit mir nicht mehr abfahren. Geht ja eh bloß stumpf nach oben. Müller muss zur Wettkampfbesprechung ins Kurhaus. Dort sollen der Erlangener, Gerd Fischer aus Feldkirchen-Westerham und Lokalmatador Markus Geipel aus Neuhaus geehrt werden, weil sie die Einzigen sind, die von Anfang an ununterbrochen am Alpen-Triathlon teilnahmen.

280 T-Shirts (es gab nicht immer eines), die nicht getragen, sondern nur gesammelt werden, und 299 Urkunden von Triathlons hat Müller zu Hause. Er dokumentiert alles, damit man nicht sagt, er würde schwindeln. Nun will er in beiden Kategorien noch einen draufsetzen.

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Müller weiß, wo man hinmuss. Also holen wir noch schnell gemeinsam die Startunterlagen ab. Die Tüten von 1000 Einzelstartern und 100 Staffeln stehen fein säuberlich im Kurhaus. Im ersten Stock haben die Bundesliga-Athleten gerade Teammanager-Besprechung.

Seit 2011 starten die Bundesligisten in Schliersee. 2012 soll hier wieder der deutsche Mannschaftsmeister gekürt werden. Die Franzosen David Hauss, Olympia-Vierter, und Laurent Vidal, Olympia-Fünfter, sind für das Bundesliga-Team Buschhütten am Start. Kathrin Müller ist auch dabei. Sie hat dem deutschen Frauen-Team bei den Olympischen Spielen den dritten Startplatz gesichert. So viel Prominenz und ich mittendrin. Das Kribbeln im Bauch geht langsam los.

Alpen-Triathlon

Quelle: Veranstalter

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Samstag. Es ist jetzt schon ziemlich warm. 20 Grad am Schliersee. Wassertemperatur 18 Grad. Neben mir stehen Sonja und Stefan. Beide haben schon öfter an diesem Triathlon teilgenommen und im letzten Jahr wohl ziemlich gefroren. Wenn es kalt ist, dann richtig beim Alpen-Triathlon. Einmal soll ein Athlet mit Neopren geradelt sein, weil es so frostig war.

Gleich hellt sich meine Stimmung auf, dann lieber im Warmen leiden. Den Neopren lasse ich besser noch aus. Wegen eines Hitzschlages nicht mitzumachen, das kommt nicht in Frage. Jetzt, wo ich schonmal hier bin.

Um 11:15 Uhr reihen sich die Elite-Männer am Ufer auf, 15 Minuten später die Frauen. Eine Fanfare, das Startsignal, dann schlagen die Arme nur so um sich. Als ich endlich ins Wasser rennen und mit den Armen rumfuchteln darf, bin ich kurz euphorisch. Dann merke ich, wie die Spitzengruppe davon zieht, die Sonne blendet. Wo sind diese Bojen?! Bereits vor der ersten, die in 600 Metern Entfernung verankert ist, spüre ich meine Oberarme heftig meckern. Wo ist das Training, zetern sie, wir wollen nicht mehr! Also schwimme ich an benachbarte Schwimmer heran und will mich an deren Fersen hängen. Wasserschatten und so.

Den krieg' ich nicht mehr, schwups, der ist auch weg. Und was macht diese Frau mit der weißen Brille neben mir, die im gleichen Rhythmus atmet und mich deshalb jedes Mal anschaut? Iritierend. Und dann wird's noch besser: Ein Schwimmer kommt von rechts, einer von links und ich hänge mittendrin. Vollbremse, ein kleiner Schluck 2012er Schliersee und weiter.

Alpen-Tirathlon Schliersee 2012

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Auf dem Rad geht es dann gemütlich los. Schwerster Triathlon? Hm. Naja. Dann kommt ein Anstieg, der aber noch ganz gut geht, auch wenn hier schon so einige Männer und gelegentlich eine Frau an mir vorbeiradelt. Rechts und links Wiese, Bauernhäuser und tatsächlich in den Dörfern Anfeuer-Volk. Sehr nett. Bei Kilometer 15 grillen ein paar Zuschauer, während auf der anderen Seite Kühe grasen.

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Nach dem ersten Anstieg werde ich wieder überholt. "Servus!", sagt der Mann auf leichtem Triathlon-Rad. "Bist ja gar nicht so langsam, dafür dass du Fotos machst." Es ist Gerd Fischer. Er startet in seinem 25. Jahr am Schliersee in der Altersklasse 60 bis 64. Ja, danke, denke ich mir. Nicht langsam, aber ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob es ohne Fotomachen schneller geht. Und meine Hass-Disziplin, das Laufen, das kommt ja auch noch. Nach dem Spitzingsattel! Gerd Fischer bleibt auf einen kurzen Plausch und dann: tschüss. Wir sehen uns im Ziel. Irgendwann.

Alpen-Tirathlon Schliersee 2012

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Der Weg auf den Spitzingsattel ist wirklich zermürbend. Aber die Atmosphäre oben beflügelt. Überall fremde Menschen, die mit Rasseln, Klatschen und aufmunternden Worten alle Triathleten anfeuern. Sie stehen Spalier, wie bei der Tour de France. Wahnsinn. Oben angekommen beginnt eine Neben-Radlerin, ihre Füße aus den Schuhen zu ziehen und sie darauf zu stellen. Klar, das macht man, damit man unten in der Wechselzone schnell vom Rad springen kann. Wenn die das macht... also schlüpfe ich auch aus den Schuhen. Die Laschen schlagen an mein Rad. Ein Kilometer Angst, dass sich da nichts verheddert, dann nehmen Helfer das Rad entgegen und ich laufe in eine der zwei Gassen, in denen die Boxen mit unseren Laufschuhen stehen.

Wo ist meine Box? Ich stehe ratlos in der Gasse rum. Ein Helfer schaut auf mein Nummernband. "Ganz vorne", ruft er. Ich renne weiter. Und wie aus dem Nichts rennt ein Mann über mich hinweg. "Sorry, hab' dich nicht gesehn." Äh - ich bin 1,78 Meter groß, wie... nun gut, Hämatom auf dem Fuß, dann hab' ich wenigstens was, womit ich angeben kann.

Dann beginnt der 10-Kilometer-Lauf über die Valepper Almen. Tatsächlich nur wenige Meter vorbei an den Kühen, die die Senner wenige Tage zuvor von der Hochalm zum Grasen auf die Niederalm geführt haben. Dieser ist wirklich jetzt schon der schönste Triathlon, den ich bisher mitgemacht habe, aber der härteste? Die Laufstrecke führt zum Spitzingsee und dann geht's zweimal rum. Und da kommen sie plötzlich, die Schmerzen. Der Boden ist uneben und die Beine haben wenig Lust schneller zu laufen, als sie müssen. Hoch, runter, Seitenstiche. Ich muss wenige Meter gehen. Wieder laufen unzählige Triathleten an mir vorbei. Naja, mehr Zeit zum Umschauen.

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Endlich das Ziel. Das Salz vom Schweiß brennt in den Augen, die Kids mit den Wasserschwämmen haben mir das Leben gerettet, so warm ist es. Das Erste was einem im Ziel in die Nase steigt ist nicht die tolle Bergluft, sondern der Geruch von Kaiserschmarrn. Traditionell werden die Triathleten damit versorgt. Mein Magen möchte dieses Schmankerl aber noch nicht. Ich brauche was zu trinken.

Die Stimmung ist toll. Ich gehe in mich. War das jetzt der härteste Triathlon über die Kurzdistanz der Welt?! Meine letzte olympische Distanz habe ich am und auf dem Nürburgring gemacht. Die war um Längen anstrengender, aber die Radstrecke war auch länger - die kann je nach Örtlichkeit und Rennstatus unterschiedlich sein. Wenn ich mich an die Opfer der Radstrecke von Schliersee nach Spitzingsee zurückerinnere, würde ich sagen, die Strecke ist sehr fordernd und macht ordentlich Muskelkater. Bei Regen und Kälte ist das Ganze aber sicherlich das Härteste, was man sich als Kurzstrecken-Triathlet antun kann.

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Aber weil das Wetter gut ist, sind alle glücklich über ihre Leistung: Ronny, Michi und Alain aus dem Landkreis Rosenheim sind als Staffel gestartet und hatten ihren Spaß. Sie kommen zum Schliersee, weil sie die Stimmung so gut finden. Und die Landschaft. Und den Kaiserschmarrn.

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Für die Bundesliga-Athleten endet die Saison an diesem sonnigen Tag. Das Frauen- und Männerteam aus Buschhütten hat nach vier Liga-Rennen jeweils den Titel des deutschen Mannschafts-Meisters gewonnen. Deren Athleten Charlotte Morel und Laurent Vidal haben dabei einen französischen Doppelsieg hingelegt. In 2:17:16 Stunden und 2:00:39 Stunden. Damit bleibt der seit 2005 bestehende Streckenrekord von Michael Raelert (1:59:28 Stunden) auch im Jubiläumsjahr ungebrochen.

Christian Prochnow, Kaderathlet der Deutschen-Triathlon-Union, hat mir im Anschluss an die Siegerehrung versichert: "Schliersee ist ein Rennen, wenn man da nicht fit an den Start geht, oder das Rennen nur so mitnehmen will, dann hat man hier keine Chance." Er habe hier schon mächtig Lehrgeld bezahlt, als "Flachland-Tiroler" aus Potsdam haben ihm die Berge zu schaffen gemacht. "Da wurde ich auf dem Rad nur durchgereicht."

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So. Und nun reicht's auch. Schön war das Rennen. Anstrengend auch. Und ich bin froh, nicht gleich bei Eiseskälte meine Premiere beim "härtesten Triathlon der Welt" erlebt zu haben. 3:04:00 Stunden, das geht doch für den Anfang.

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Gerhard Müller gibt im Ziel noch schnell ein Interview als Rekord-Triathlet. Schwips ist die letzten Meter mitgelaufen. "Das ist immer ein schönes Bild", sagt der 66-Jährige. 2046 möchte er an seinem Lieblings-Triathlon immer noch teilnehmen, dann wird er hundert Jahre alt.

© Süddeutsche.de/mane
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