Alles zu Bayern - Hoffenheim:Noch lebt der Mythos

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Der FC Bayern beschwört nach dem Last-Minute-Sieg gegen Hoffenheim den Glauben an die eigene Unbesiegbarkeit. Doch der Meister weiß: Er ist hier davongekommen.

Thomas Hummel

Noch hat Philipp Lahm keine offizielle Bewerbung eingereicht, aber seine Auftritte sind eindeutig: Er möchte Manager des FC Bayern München werden. Diese Selbstsicherheit, mit der der 24-Jährige in der Öffentlichkeit spricht, dieser herausfordernde, fast stechende Blick, den er seinen Worten hinterherschickt. Und dann diese Worte: "Wir sind der FC Bayern - wir sind immer für ein Tor gut."

Mark van Bommel, Philipp Lahm: Offensivqualitäten - egal, wer da kommt. (Foto: Foto: AP)

Es wirkt, als hätte sich Philipp Lahm Videos von Uli-Hoeneß-Interviews angeschaut und danach vor dem Spiegel geübt. Der Manager war bislang für diese stolze, bisweilen fast hochmütige Außendarstellung des Rekordmeisters zuständig. Bekanntlich will Hoeneß 2009 abtreten, Lahm könnte zumindest diesen Teil der Arbeit problemlos übernehmen. Noch so ein Satz: Hat sie die Hoffenheimer Offensivqualität beeindruckt? "Wir haben noch das Tor gemacht. Bei uns ist also die bessere Offensivqualität."

Diese Qualität drückte sich am Freitagabend darin aus, dass Luca Toni eine missratene Rettungsaktion des Hoffenheimer Linksverteidigers Andreas Ibertsberger in der zweiten Minute der Nachspielzeit zum 2:1 nutzte. Die Münchner haben dadurch in der Tabelle zum Spitzenreiter aufgeschlossen, beide Mannschaften gehen punktgleich in den letzten Spieltag der Vorrunde. Und Philipp Lahm nutzte die Gunst des glücklichen Last-minute-Treffers, um den Mythos des FC Bayern mal wieder zu strapazieren. Der da lautet: Egal, wer kommt, am Ende gewinnen sowieso immer wir. Auch dieser junge, dynamische Bundesliga-Aufmischer weiß das jetzt.

Die entscheidende Wende

Die Betonung dieses Mythos' ist eine Lieblingsbeschäftigung des FC Bayern. Als Erklärung für den glücklichen Sieg der Münchner ist er aber diesmal unzureichend. Bei der Suche nach Gründen landet man indessen wieder bei Philipp Lahm. Und auch bei Uli Hoeneß. Der Manager hatte ja schon vor dem Spitzenspiel getönt: "Spiele werden durch die besseren Spieler entschieden, und die haben wir."

Lahm selbst hatte dem Spiel mit einer Einzelaktion die entscheidende Wendung gegeben. Bevor der Linksverteidiger mit einer Energieleistung sich fast von der Mittellinie aus bis zum Strafraum vordribbelte und von dort zum 1:1 traf, hatte es nach einer kleinen Zeitenwende im deutschen Fußball ausgesehen. In dieser 60. Minute hatte nichts darauf hingewiesen, dass der FC Bayern schnell zum Ausgleich kommen würde. Im Gegenteil: Hoffenheim schien auf dem Weg zu sein, die Bayern in der Tabelle vorerst abzuhängen.

Nachdem die Gäste schon in der ersten Halbzeit leichte Vorteile hatten, wurde ihre Dominanz nach der Pause fast erdrückend. Nach einem Abspielfehler von Lucio kombinierte sich Tobias Weis in den Strafraum, seinen Querpass schoss Vedad Ibisevic wie gewohnt ins Tor (49.). Es war sein 18. Saisontreffer im 16. Spiel. Danach rollten weitere Angriffe auf das Gehäuse von Bayern-Torwart Michael Rensing zu, die Münchner wirkten in dieser Phase fast hilflos. Ausdruck dieser Hilflosigkeit war der Schultercheck von Michael Rensing gegen Stürmer Chinedu Obasi, mit der gelben Karte war der Bayern-Torwart noch gut bedient. Doch dieser Schultercheck war in alter Oliver-Kahn-Manier auch ein Zeichen: Der FC Bayern wird sich wehren, wird sich hier nicht kampflos geschlagen geben. Nach Lahms Ausgleich schafften es die Gastgeber endlich auch, fußballerische Zeichen zu setzen. Meist über hohe, weite Bälle auf Luca Toni brachten sie die Hoffenheimer in Bedrängnis, das war ihre beste Phase.

Angstfrei in der Arena

Dennoch wussten auch die selbstsichersten Mythos-Beschwörer unter den Bayern, dass sie am Freitagabend noch einmal davongekommen sind. Zu spüren war dies zum Beispiel in der selbst für Jürgen Klinsmann außergewöhnlichen Ekstase, mit der der Trainer den Sieg feierte. Mitten im Humba-Humba-Täterä vor der Fankurve.

Abgesehen von der Phase nach dem 1:1 hatten es die Münchner nie geschafft, den Gegner zu dominieren, die Zwangsläufigkeit ihres Erfolgs auch auf dem Rasen zu verdeutlichen. Dafür war dieser Gegner zu laufstark, zu dynamisch, zu spielstark und vor allem: zu mutig.

Es kommt nicht oft vor, dass ein Gast in München derart angstfrei und offensivfreudig auftritt. Hoffenheim schien die Atmosphäre, das hektische Treiben rund um dieses Spitzenspiel und den "Wir-gewinnen-immer"-Mythos des Gegners nicht im geringsten zu beeindrucken. Im Mittelfeld setzten sie den Münchner spürbar zu, und obwohl die drei Sahnestürmer Damba Ba, Ibisevic und Obasi nicht ihren besten Tag hatten, kreierten sie einige Verwirrung in der Münchner Abwehr. Allein der wie aufgeputscht verteidigende Lucio vermochte es, die Gäste zu stoppen. Manchmal schien es, Lucio stemmte sich allein gegen alle Hoffenheimer.

Bewerbung für Löw

Auch Bundestrainer Joachim Löw auf der Tribüne durfte sich freuen. Die Hoffenheimer Kandidaten für die Nationalmannschaft gaben alle beste Bewerbungen für eine kommende Nominierung ab. Marvin Compper verteidigte solide und beteiligte sich klug am Spielaufbau. Noch bemerkenswerter war allerdings, wie Tobias Weis und Andreas Beck die starke linke Münchner Seite bremsten. Bayerns Franzose Franck Ribéry hatte schon lange nicht mehr so einen ungemütlichen Abend. "Man hat gesehen, dass Hoffenheim zurecht da oben steht", sagte Stürmer Miroslav Klose später fast kleinlaut.

Dessen Trainer Ralf Rangnick betonte zwar nach dem Schlusspfiff wie stets, dass es eine absurde Vorstellung sei, seine TSG Hoffenheim befinde sich mit dem großen FC Bayern auf Augenhöhe. Doch seine Mimik, seine Körpersprache, seine Worte sagten etwas anderes. Selten war ein Gäste-Trainer nach einer Niederlage in München so genervt wie der 50-Jährige. Und als ihn jemand fragte, was denn der FC Bayern besser gemacht habe, verzog sich sein Gesicht zu einem schmerzvollen Grinsen, er zuckte die Schulter und brauchte Sekunden, um sich eine Antwort zu überlegen: "Sie haben ein Tor mehr gemacht als wir." Und beklagte, dass sein Mittelfeldspieler Sejad Salihovic drei Minuten vor Tonis Treffer freistehend den Matchball vergeben hatte.

Sein Manager Jan Schindelmeiser gab hingegen eine Stunde nach dem Schlusspfiff bereits wieder den Optimisten: "Ich hoffe, dass unsere junge Mannschaft aus diesem Spiel lernt. Schon nach den bisherigen Niederlagen hat sie deutliche Entwicklungssprünge gemacht." Und was die TSG Hoffenheim aus diesem Spiel lernen kann, formulierte in seiner Eigenschaft als FC-Bayern-Sprecher noch einmal Philipp Lahm: "Die Körpersprache nach dem 0:1 hat gestimmt, der Glaube an die eigene Stärke, der Wille. Dann gewinnt man auch so ein Spiel."

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