Albanien zur Fußball-EM:"Unmöglicher Traum wird wahr"

An albanian soccer fan celebrate in Tirana

Albanien darf erstmals zur EM reisen - die Fans feiern.

(Foto: REUTERS)

Albanien feiert: Die Nationalmannschaft qualifiziert sich zum ersten Mal für ein großes Fußballturnier. Doch auch diese EM-Quali zeigt, dass Politik und Gesellschaft längst nicht so weit sind wie die Fußballer.

Von Thomas Hummel

In Albanien stauten sich am Sonntagabend die Autos auf den Straßen, die Feuerwerkskörper flogen. Die Fußballer des Landes hatten sich zum ersten Mal für ein großes Fußballturnier qualifiziert, die albanische Nationalmannschaft belegt nach dem 3:0-Sieg in Armenien Platz zwei in der Qualifikationsgruppe I und fährt im kommenden Jahr zur Europameisterschaft nach Frankreich.

Es ist eine dieser Überraschungen, die möglich sind durch die Aufstockung der EM auf 24 Mannschaften - doch es ist auch das Ergebnis einer bemerkenswerten Entwicklung dieser albanischen Mannschaft, die die Qualifikation immerhin vor Dänemark und weit vor Serbien abschloss. "Das ist ein großer Erfolg, offensichtlich", erklärte Trainer Gianni De Biasi, "jeder Sieg macht uns glücklich. Aber dieser war der wertvollste."

Beste Fußballgeneration des Landes

Die Statistik sagt: Ein Eigentor von Armeniens Kamo Hovhannisyan (9.) hatte Albanien in Jerewan in Führung gebracht, die beiden für den FC Zürich spielenden Berat Xhimshiti (23.) und Armando Sadiku (76.) erhöhten auf 3:0. In der Startaufstellung stand kein einziger Spieler aus der heimischen Liga, die meisten verdienen ihr Geld in der Schweiz wie Taulant Xhaka, der jüngere Bruder des Mönchengladbachers Granit Xhaka. Einige kicken in Italien. Es dürfte die beste Fußballergeneration in der Geschichte des Landes sein. Trainer De Biasi sagte: "Ich wünsche, das Land nimmt sich ein Beispiel an diesen Jungs und entwickelt sich."

Denn weder Gesellschaft noch Politik halten mit dem unerwarteten Erfolg der Nationalmannschaft mit. Albanien ist in Deutschland gerade nur Thema, weil die hiesigen Politiker das Land so schnell wie möglich zu einem sicheren Herkunftsland erklären möchten, damit man Tausende Flüchtlinge wieder zurückschicken kann. Der sozialistische Präsident Edi Rama hat mit mafiösen Strukturen zu kämpfen, die auch im Fußball großen Einfluss ausüben.

So endete die überraschend gute Vorstellung des albanischen Meisters Skënderbeu Korça in der Champions-League-Qualifikation mit einem bösen Verdacht: Die Brüsseler Vereinigung Federbet, die gegen Korruption im Sport kämpft, berichtete von verdächtig hohen Wetten bei zwei Partien. Die Mannschaft kassierte dann auch jeweils gegen Ende der Spiele seltsame Gegentore und sorgte so dafür, dass sich die Millioneneinsätze lohnten. Offenbar steht der Topverein schon länger unter Beobachtung der Uefa wegen angeblicher Spielmanipulationen.

Eklat im Spiel gegen Serbien

Die Qualifikation der Nationalmannschaft war auch beeinträchtigt vom politischen Konflikt mit Serbien. Das Los brachte beide Länder in Gruppe I, das Hinspiel in Serbien endete im Eklat. Mit einer Drohne hatten Albaner bei der Partie am 14. Oktober 2014 in Belgrad die Flagge Groß-Albaniens ins Stadion gebracht, sie schwebte während der Partie über dem Feld. Eine Provokation für die Serben, Nationalisten auf beiden Seiten beanspruchen bis heute Gebiete vor allem im Kosovo. Die Drohne führte zu schweren Krawallen im Stadion, Zuschauer griffen albanische Spieler an.

Das Spiel wurde in der 41. Minute beim Stand von 0:0 abgebrochen. Zuerst wollte die Uefa keiner Mannschaft einen Punkt geben, doch der Internationale Sportgerichtshof CAS wertete die Partie schließlich mit 3:0 für Albanien. Auch diese drei Zähler halfen, Albanien nach Frankreich zu bringen.

"Wir hatten ein ganzes Land hinter uns"

Vor dem Rückspiel am vergangenen Freitag im albanischen Elbasan war die Atmosphäre aufgeladen, Sportler und Politiker heizten die Stimmung mit Sprüchen an. Serbien gewann zwar durch zwei Treffer in der Nachspielzeit. Doch nach der gelungenen EM-Qualifikation schossen die Albaner die verbalen Pfeile sogleich zurück. "Auch wenn sie uns am Freitag geschlagen haben, werden die Serben uns in Frankreich mit einem Bier vor dem Fernsehen zuschauen", ätzte Kapitän Lorik Cana.

Sportlich ist Trainer De Biasi der große Gewinner. Der Italiener hatte sich vor dreieinhalb Jahren für den Job entschieden und berichtete nun, im ersten Länderspiel kaum Spieler zur Verfügung gehabt zu haben. Doch das Potenzial einiger im Ausland geborener Albaner (vor allem in der Schweiz) samt heimischer Talente brachte nie erwartete Erfolge. In der Qualifikation siegte das Team in Portugal, spielte zweimal Remis gegen Dänemark, auch EM-Gastgeber Frankreich besiegten die Skipetaren in einem Testspiel mit 1:0. Der Weltverband Fifa führte die Mannschaft zwischenzeitlich auf Rang 22. "Wir hatten ein ganzes Land hinter uns. Jetzt haben wir Albaner auf der ganzen Welt glücklich gemacht. Das ist der erfolgreichste Tag in meinem Leben", sagte De Biasi.

Das Land jubelte tatsächlich wie selten in der jüngeren Geschichte. "Albanien hat Geschichte geschrieben", freute sich die Zeitung Koha jone. Das meist bejubelte Bild in den sozialen Netzwerken war die Fotomontage des Eiffelturms, an dem die überdimensionierte albanische Nationalfahne weht. "Ein unmöglicher Traum wird wahr", jubelte Regierungschef Rama. Zum Empfang der Mannschaft am Flughafen in Tirana wurden am Montagmittag Zehntausende Fans erwartet. Staatspräsident Bujar Nishani zeichnet alle Spieler mit dem Nationalorden aus. "Ihr habt das Ansehen Albaniens und der Albaner in der Welt gehoben und uns stolz und geeint gemacht wie niemals zuvor", heißt es in der Begründung des Staatsoberhauptes.

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