Alba verliert gegen Real Madrid:Verschlafen gegen die Raufbolde

Alba Berlin - Real Madrid

Berlins Alex King: Doch keine Überraschung gegen Real Madrid

(Foto: dpa)

Offensive Extravaganz versus solide Arbeit. Eigentlich. Doch das Spiel der Basketballer von Alba Berlin gegen Real Madrid in der Euroleague war anders. Erst halten sie mit - und gehen dann unter.

Von Sebastian Fischer, Berlin

Sasa Obradovic konnte dann doch nicht anders: er schmollte. Nur kurz zwar, aber deutlich schob er die Lippen nach vorne, als er am Donnerstagabend in der Arena am Berliner Ostbahnhof vor den Reportern saß. Es sei eben niemals einfach zu verlieren, erklärte er, auch nicht in der Euroleague, nicht gegen Real Madrid, und vor allem nicht mit 61:79.

Doch eigentlich wollte er ja nicht enttäuscht sein, sagte der Trainer der Basketballer von Alba Berlin: Denn seine Mannschaft habe solide Arbeit geleistet. Er sprach in feinstem Obradovic-Englisch, einer Sprachabwandlung, die ohne Pausen zwischen Wörtern auskommt: "We-did-you-know-a-solid-job-you-know-I-cannot-be-disappointed."

Obradovic, 45, gönnt sich keine Pausen. Nicht während des Spiels, wenn er an der Seitenlinie fuchtelt, wütet, springt. Nicht nach dem Spiel, wenn er darüber spricht. Der Serbe lebt für und mit seiner Mannschaft, er ist mit ihr beinahe eins. Doch es ist diese vollkommene Rastlosigkeit, die ihn noch von ihr trennt. Die Mannschaft macht manchmal noch Pausen. Sonst hätte Alba Berlin am Donnerstagabend vielleicht gewonnen.

Es war ein ungleiches Duell. Madrid, einer der Favoriten auf den Gewinn der Königsklasse der Basketballer, eine der teuersten Mannschaft Europas, mit einem Etat von rund 27 Millionen Euro. Offensive Extravaganz. Berlin, der Außenseiter, mit einem Etat von etwa neun Millionen Euro und einer Spielweise, die auf defensiver Disziplin basiert: Solide Arbeit. Doch ungleiche Duelle liegen den Berlinern in dieser Saison, sie haben ein Vorbereitungsspiel gegen NBA-Champion San Antonio Spurs gewonnen und vor zwei Wochen gegen den FC Barcelona.

Es dauerte ein paar Minuten, dann war Alba gegen Real tatsächlich ein Spiel auf Augenhöhe. Madrid schoss ungenau, Berlin fing mehr Rebounds, gewann Bälle - führte. Wie so oft ragte dabei kein Spieler heraus, das ist Obradovics Idee von Basketball, seit er 2012 in Berlin trainiert. Wie so oft war aber auf einige Elemente im Berliner Spiel Verlass: Point Guard Cliff Hammonds, 29, übernahm an beiden Enden des Felds Verantwortung, er ist der heimliche Führungsspieler des Teams; Power Forward Jamel McLean, 26, war unter dem Korb kaum aufzuhalten, der Sommer-Neuzugang aus Bonn ist einer der besten Rebounder Europas und wurde in der laufenden Euroleague-Saison von allen Spielern am meisten gefoult; und Shooting Guard Reggie Redding, 26, hielt sich mit genialen Ideen wie meist gegen Europas Spitzenteams zurück. Der zur Melancholie neigende US-Amerikaner spielt in der Liga regelmäßig überragend - am Donnerstag erzielte er nur sechs Punkte.

Doch es brauchte diese Ideen zunächst nicht, es war die Leistung der Berliner Arbeiter, dass die Virtuosen aus Madrid nicht zauberten, sondern rauften: Ioannis Bourousis schlug mit der flachen Hand nach McLean, Sergio Rodriguez wurde für ein unsportliches Foul bestraft, Berlin war souverän von der Freiwurflinie. 9066 Zuschauer pfiffen Real wütend aus und glaubten an die Überraschung. Eine Halbzeit lang. "Wir haben zu viele Bälle verloren, das hat uns den Schwung gekostet", versuchte McLean später zu erklären, was in der zweiten Halbzeit geschah, 23 Turnovers hatten sich die Berliner am Ende geleistet. Madrid spielte jetzt besser, traf plötzlich fünf Dreier hintereinander. Alba traf so gut wie nichts mehr, jetzt fehlten auch Reddings Ideen. "Wir hatten diese Phase, in der wir geschlafen haben", sagte Berlins Akeem Vargas. Diese Phase reichte Madrid, sie entschied das Spiel.

Lektion für die Playoffs

Hätten sie nicht geschlafen, es hätte diese bislang erstaunliche Saison für Berlin vielleicht noch erstaunlicher gemacht. Der frühere Serienmeister führt die Bundesliga ja mit vier Punkten vor den Baskets Bamberg und sechs vor dem FC Bayern an, jenen Teams, die in den letzten Jahre zu enteilen drohten.

Es ist das Resultat kluger Kaderplanung von Obradovic, Geschäftsführer Marco Baldi und Sportdirektor Mithat Demirel, der gerne erzählt, dass McLean im Sommer Anfragen keines anderen großen Vereins hatte. Demirel war auch federführend bei der Rückholaktion von Niels Giffey, der die letzten vier Jahre College-Basketball in den USA spielte. Nun gewöhnt sich der junge Berliner immer besser an Tempo und Bewegungen im europäischen Profibasketball. Und er holte als kurzfristigen Ersatz für den verletzten Aufbauspieler Jonathan Tabu den US-Amerikaner Alex Renfroe, der überzeugt, aber im Februar schon wieder weg sein könnte, wenn Tabu zurückkehrt.

All das bedeutet noch wenig in einer Saisonphase, in der sich langsam die Ausgangspositionen für die Playoffs herauskristallisieren, und in der eigenartige Dinge passieren: Zuerst schlagen die erstarkten Bamberger den FC Bayern mit fast zwanzig Punkten, ein paar Tage später, am vergangenen Mittwoch, nehmen die Bayern Revanche und gewinnen in Bamberg mit fast 40 Punkten. Alba verliert mit fast 30 Punkten in Bamberg, schlägt ein paar Tage später Barcelona; hält eine Halbzeit lang gegen Real Madrid mit und geht am Ende fast unter.

"Manch einer musste sich nach dem Spiel erst einmal schütteln und fragen: Was ist denn jetzt passiert?", sagte Geschäftsführer Baldi. Die Mannschaft müsse das nun so schnell wie möglich vergessen, sagte Obradovic: "as-fast-as-possible-you-know-forget-this". Bereits am Samstag ist schließlich Tübingen zum nächsten Ligaspiel zu Gast.

Doch die Mannschaft denkt eben noch nicht immer genau wie ihr Trainer. Meist ist das für sie zum Nachteil, doch es kann auch Vorteile haben. Vargas, 24, wollte das Spiel nämlich so schnell nicht vergessen. "Es ist wichtig, dass wir gegen die Top-Teams spielen und sehen, wie abgezockt die sind", sagte er: "Damit wir uns da das eine oder andere abgucken. Für die Playoffs."

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