Berliner Niederlage in der Euroleague:"So ein Spiel geht an die Eingeweide"

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Harter Kampf um den Ball: Alba-Spieler Akeem Vargas (links) und Marko Banic (C) werden von Tel Avivs Yogev Ohayon gestört

(Foto: AFP)
  • Sie hätten so weit kommen können wie kein deutscher Klub zuvor: Alba Berlin hadert nach dem Aus in der Euroleague mit der historischen Chance.
  • Für größeren Ärger sorgt die Sturheit der Bundesliga, weil sie nur 45 Stunden später das Pokalhalbfinale gegen Bamberg angesetzt hat.
  • Im Vorjahr hatte sich bereits München über die Ansetzung beschwert.

Von Matthias Schmid

Sasa Obradovic blieb genügend Zeit, sich auf das Ende emotional vorzubereiten. Die historische Chance war schließlich längst vertan, sein Team konnte das nicht mehr schaffen: Als erster deutscher Basketballklub das Viertelfinale in der Euroleague zu erreichen. Es sollte am späten Donnerstagabend keine Frage des letzten Wurfes mehr werden, nachem Devin Smith diesen frechen Dreier zum 69:63 für Maccabi Tel Aviv drei Minuten vor der Schlusssirene verwandelt hatte.

Obradovic, Trainer von Alba Berlin, konnte sich also in den verbleibenden Spielminuten mit dem Unvermeidlichen beschäftigen. Er habe schon in der Kabine in der Pause bemerkt, bekannte der 46-Jährige später, "dass meine Spieler zu aufgeregt gewesen waren, um dieses Spiel zu spielen." Der Serbe meinte das gar nicht abwertend, er hat als Profi viele diese sogenannten "Do-or-die"-Spiele erlebt, wie die Amerikaner gerne eindringlich Partien bezeichnen, in denen es um alles geht.

Er hat als Spieler die Welt- und die Europameisterschaft errungen und war auch dabei, als Berlin 1995 als erster deutscher Verein einen Europapokalwettbewerb gewann. Alba verlor das wichtigste Spiel der jüngeren Klubgeschichte am Ende 64:73, weil die meisten Spieler eine solch dramatische Situation zum ersten Mal mitgemacht haben.

"Den deutschen Basketball auf großartige Weise vertreten"

Der oft cholerisch wirkende Obradovic nahm die Niederlage - zumindest nach außen - erstaunlich gelassen hin. "Ich möchte meiner Mannschaft dafür gratulieren, dass sie eine so herausragende Saison in der Euroleague gespielt und den deutschen Basketball auf großartige Weise vertreten hat."

Während sich der Berliner Cheftrainer schnell mit der Niederlage arrangiert hatte, brauchte sein Manager Marco Baldi etwas länger, um das Erlebte verarbeiten zu können. "Nach so einem Spiel ist die Enttäuschung riesig", bekannte er, Baldi schnaufte, als habe er gerade den Berlin-Marathon beendet, erst dann fuhr er fort: "So ein Spiel wie heute, das geht an die Eingeweide."

In der Tat hatten die mehr als 14 000 Zuschauer in der Halle nicht das Gefühl, dass der Titelverteidiger aus Israel dramatisch besser war als die Berliner. Acht Minuten vor dem Ende hatte Reggie Redding die Chance zum 58:56 vergeben, es wäre die erste Führung an diesem Abend für Alba gewesen. Die Mannschaft hatte mit ihrem Eifer und ihrer Aggressivität in der Verteidigung immer wieder Mittel und Wege gefunden, dran zu bleiben an den formidablen Individualisten aus Israel.

Körperlich und emotional vor Pokalendrunde leer

Spieler wie Smith, der sieben von zehn Dreier traf, und der Center Sofoklis Schortsanitis waren prägende Figuren der Gäste. Schortsanitis ist eine Erscheinung, 150 Kilogramm bringt er auf die Waage und schüchtert die Gegenspieler allein schon wegen seiner wuchtigen Präsenz unterm Korb ein. Es war dennoch kein großer Unterschied zu erkennen zwischen Tel Aviv, das die Euroleague schon dreimal gewinnen konnte, und Berlin, das nur mithilfe einer Wildcard mitspielen durfte. Ein Sieg fehlte den Berlinern am Ende, um die Runde der besten acht Mannschaften in Europa zu erreichen. "Das Bewusstsein war da, dass diese Chance nicht so oft kommt, deshalb sind jetzt alle ziemlich weit unten", sagte Baldi: "Aber wir müssen es rausschütteln, es geht gleich weiter."

Vielleicht hat es für manchen Alba-Profi etwas Heilsames, dass bis zum nächsten Spiel nur 45 Stunden vergehen. Um der verpassten Chance groß nachzutrauern, bleibt schlicht kaum Zeit, der erste Titel der Saison könnte am Samstag und Sonntag bei der Pokalendrunde in Oldenburg warten. Albas Gegner im Halbfinale um 17 Uhr in Oldenburg ist der Bundesligatabellenführer Brose Baskets Bamberg. "Wir sind jetzt körperlich und emotional leer, aber es wird nicht unmöglich dort zu gewinnen. Jetzt attackieren wir die anderen Titel", sagte Obradovic.

Baldi sieht die gesamte Spielansetzung kritischer, es gibt nicht wenige, die sogar behaupten, dass sie bei der Basketball-Bundesliga BBL gar nicht unglücklich darüber sind, dass Berlin ausgeschieden ist. Es wäre ein immenser Aufwand gewesen, die möglichen fünf Spiele im Viertelfinale in den bestehenden Spielplan der BBL unterzubringen. "Das hatte keiner vorgesehen, spielplantechnisch", kritisierte Baldi, "wenn wir wollen, dass deutsche Teams international nachhaltig erfolgreich sind, müssen wir auch Weichen stellen."

Spielansetzung im Pokal sorgt für viel Unmut

Baldi sind auch die öffentlichen Beschwichtigungen des BBL-Geschäftsführers Jan Pommer nicht verständlich, der glaubt, es mache nichts aus, ob Berlin gegen Bamberg nun drei Stunden früher oder später spielen würde. "Wer Leistungssport betreibt und das nicht nur vom Schreibtisch aus, sondern aktiv, weiß, dass ein 17-Uhr-Spiel vom Tagesablauf her ganz anders ist als ein 20-Uhr-Spiel", sagte Baldi. Wenn das Spiel später angesetzt sei, könne man am Vormittag noch trainieren und sich für den Gegner präparieren. "Wenn man nur einen Tag Zeit hat wie wir, ist das ein gigantischer Unterschied."

Baldis Wortwahl war fast identisch mit der von Marko Pesic im vergangenen Jahr. Der Manager des FC Bayern prangerte die Spielansetzung und das fehlende Gespür der BBL ebenso an. Damals erging es München so wie Alba heute. München verlor 45 Stunden nach dem Euroleagueauftritt anschließend das Halbfinale gegen Ulm. Am Ende gewannen die Berliner den Pokal, die so ausgeruht in das Turnier gegangen waren wie Bamberg heute.

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