Alba Berlin in der Euroleague:Einmalige Chance, trotzdem Ärger

Maccabi Electra Tel Aviv - Alba Berlin

Niels Giffey beim Dunking. Gegen solche Szenen hätte bei Alba an diesem Abend sicher keiner was.

(Foto: Abir Sultan/dpa)
  • Mit einem Sieg gegen Maccabi Tel Aviv kann Alba Berlin an diesem Abend als erste deutsche Basketball-Mannschaft das Viertelfinale der Euroleague erreichen.
  • Ein Erfolg der Berliner wäre eine große Überraschung, im Verein herrscht Euphorie.
  • Trotzdem herrscht Unmut - denn terminlich wird es eng.

Von Jonas Beckenkamp

Natürlich kann die ganze Sache auch schiefgehen, das weiß Sasa Obradovic ganz genau. Der Trainer von Alba Berlin ist einer, der jede Niederlage persönlich nimmt. Auch am Donnerstagabend wird der Serbe wieder an der Seitenlinie herumtigern und wütend aufs Spielfeld fauchen. Aber er hat sich mit einem möglichen Scheitern zumindest schon befasst. "So ein großes Spiel kann einem die Hände binden, so dass man nicht mehr die richtigen Entscheidungen trifft", sagt der Coach über die vielleicht größte Partie seiner Trainerkarriere.

Obradovics "Albatrosse" haben sich in eine komfortable Lage manövriert, jetzt müssen nur noch ein paar gute Kniffe her. Im Duell mit Euroleague-Titelverteidiger Maccabi Tel Aviv können die Berliner zum Abschluss der Zwischenrunde Historisches schaffen. Ein Erfolg gegen die Israelis - und der Hauptstadtklub würde als erstes deutsches Team das Viertelfinale der im Jahr 2000 gegründeten Euroleague erreichen. Diese große Chance elektrisiert Alba, seit Tagen gibt es im Klubumfeld kein anderes Thema. "Diese Möglichkeit werden wir wahrscheinlich nur einmal in unserem Leben haben", schwärmt Kapitän Alex King.

Er dürfte damit Recht haben, denn in dem stark besetzten Wettbewerb dominieren ansonsten Teams aus Südeuropa oder Russland. Nur vier deutsche Mannschaften standen in der 57-jährigen Europapokal-Geschichte überhaupt unter den besten acht der Königsklasse. Unter ihnen 1998 auch Alba im Vorgänger-Wettbewerb namens "Europaliga". Damals hatte der Spieler Obradovic den Verein nach einigen erfolgreichen Jahren gerade verlassen - im Viertelfinale schied Berlin dann gegen AEK Athen aus. Erinnerungen daran dürften auf Berliner Seite vor allem zwei heutige Funktionäre haben: Henning Harnisch (heute Vizepräsident) und Mithat Demirel (Sportdirektor) standen damals im Kader.

Und doch waren es andere, erfolgsverwöhntere Zeiten. Mitte der 90er-Jahre entwickelte sich der Klub zum Dauersieger in Deutschland. Zwischen 1997 und 2003 hieß der deutsche Meister siebenmal in Serie Alba. Berlin hatte die besten Spieler und die modernste Halle, die Titel schrieben sich wie von selbst ins Stammbuch des Vereins. Heute ist das anders: In der BBL ist die Konkurrenz enger beisammen, es gibt Bayern, Bamberg, Berlin, auch Oldenburg oder Ulm sind ambitioniert.

Die letzte Meisterschaft feierte die Hauptstadt 2008, seitdem fällt die Bilanz unter Anspruchsniveau. Drei mäßig prestigeträchtige Pokalsiege 2009, 2013 und 2014, mehr war zuletzt nicht drin. In der Euroleague durfte Alba zwar immer wieder mitspielen, wirkte aber klein, wenn es gegen die Großen aus Tel Aviv, Moskau oder Athen ging. Das hat sich in dieser internationalen Saison geändert. Obradovic hat der Mannschaft eine Spielidee verpasst, die auch auf elitärem Level funktioniert: Alba-Basketball ist pures Malochertum. Obradovic zetert und seiner Männer verteidigen.

Erinnerungen an 1995

Im Gegensatz zum FC Bayern, der bereits in der Gruppenphase ausgeschieden ist, verfügt das Team über eine international tragfähige Beißer-Defensive. Spiele der Berliner sind nicht immer das größte Spektakel, aber sie sind taktisch und physisch anspruchsvoll. Im laufenden Wettbewerb gelangen so bereits Erfolge gegen den FC Barcelona, Panathinaikos Athen und eben gegen Maccabi. Das Hinspiel der Zwischenrunde gewann Alba in Tel Aviv 66:59 - so soll es auch am Donnerstag in der Arena am Ostbahnhof laufen.

Obwohl die Spieler beim Training locker miteinander scherzten und der Trainer die Normalität in der Vorbereitung betonte, klang bei den Verantwortlichen die Dimension der Begegnung durch. Für Obradovic wäre es "definitiv ein historischer Moment", wenn Alba das Viertelfinale erreichen würde. Geschäftsführer Marco Baldi hofft auf den "größten internationalen Erfolg eines deutschen Klubs seit dem Korac-Cup-Sieg vor 20 Jahren". 10 000 ALBA-Fans feierten damals den ersten deutschen Vereinstriumph auf internationaler Bühne (noch in der Deutschlandhalle). Heute sollen mehr als 11 000 Zuschauer für eine krachige Atmosphäre gegen den 51-maligen israelischen Meister sorgen.

Aufgrund der Erfahrung und des mit Spitzenkräften veredelten Kaders geht Maccabi als Favorit auf den dritten Sieg ins vierte Saison-Duell mit den Berlinern. Eine Situation, mit der die Albatrosse umzugehen wissen. "Wir spielen gegen Teams, in denen ein Spieler doppelt so viel verdient wie unser ganzer Kader", sagt Sportdirektor Demirel. Das mag übertrieben sein, doch die Stoßrichtung stimmt. "Maccabi steht unter Druck, sie müssen gewinnen, das haben wir überhaupt nicht."

Für den achtmaligen Meister geht es in der wichtigsten Saison-Woche um sehr viel. Nur 43 Stunden nach Ende der Euroleague-Partie will der Cup-Verteidiger gegen Bamberg das Endspiel im BBL-Pokal erreichen. Dass Gastgeber Oldenburg im zweiten Halbfinale gegen Bonn drei Stunden nach den Berlinern antreten darf, sorgt angesichts des straffen Terminkalenders für Zoff. "Dafür gibt es keine nachvollziehbare Erklärung", kritisiert Alba-Boss Baldi. Die Entscheidung sei "sachgerecht und vernünftig", kontert BBL-Geschäftsführer Jan Pommer. "Ich finde es auch verständlich, dass wir sagen, dass das Heimteam das zweite Spiel am Samstag bestreiten darf."

Aber beeinträchtigt das Termingeplänkel um das Pokal-Final-Four den Fokus auf Tel Aviv gar nicht? "Wir denken nicht an Bamberg, das ist nicht wichtig", erklärt Coach Obradovic knapp. In den Köpfen der Profis sieht es möglicherweise anders aus, sie müssen schließlich die Strapazen überstehen. Es sei "eine große Angst", innerhalb kürzester Zeit beide Chancen zu verspielen, erklärte Nationalspieler King. "Wenn wir gewinnen sollten, sind alle in einem Hoch", prophezeit er mit Blick auf das Pokalwochenende. "Jetzt ist alles schön und gut, aber was passiert, wenn in wenigen Tagen alles verpufft? Dann sind wir wieder ganz unten." Ganz unten - das wäre für einen Besessenen wie Obradovic kaum auszuhalten.

(Mit Material von dpa)

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