Akademie für Fußballkultur:Brummender Bernhardiner

20 10 2017 Deutsche Akademie für Fussbalkultur Fussballgala Verleihung Walter Bensemann Preis

„Spanien konnte nur erfolgreich sein, wenn viele Katalanen mit von der Partie waren“: Vicente del Bosque.

(Foto: imago/Zink)

Die Jury ehrt den langjährigen spanischen Nationaltrainer Vicente del Bosque. Der wird prompt politisch und äußert sich zu Katalonien.

Von Birgit Schönau

Der spanische Weltmeistertrainer Vicente del Bosque ist berühmt für seine Ausstrahlung. Von ihm geht die Sage, er habe noch jeden Spieler beruhigt, und dazu weder die Hand auflegen noch eine Augenbraue hochziehen müssen. Einfach da sein, mit diesem gütigen Bernhardiner-Gesicht und vielleicht noch ein wenig brummen in tiefer Dur-Tonlage reichte. Inzwischen ist Del Bosque, geboren am Silvestertag 1950, in Pension - und noch ein wenig beruhigender geworden. In Nürnberg, wo der wegen seiner Verdienste für's Vaterland geadelte Sportsmann am Freitag den Walther-Bensemann-Preis der Deutschen Akademie für Fußballkultur erhielt, warteten 450 deutsche Fans in der vollbesetzten Tafelhalle auf ein paar gute Worte zur Weltlage im Allgemeinen und zu der des Fußballs im Besonderen. Erst einmal musste Del Bosque einem Freund gratulieren. "Ich freue mich, dass Jupp wieder den FC Bayern trainiert", brummte er über Rückkehrer Heynckes und schob verschmitzt nach: "Beruhigend, dass er dem Jugendwahn in unserem Geschäft entronnen ist."

Was ihn selbst betrifft, lässt Del Bosque den Jugend- wie überhaupt jeden anderen Wahn sowieso an sich abgleiten, denn wenn einer so ruhig ist, macht der Furor wie von selbst einen großen Bogen um ihn. Das Schönste an der Rente, bekannte er, sei "nicht ständig an das nächste Spiel denken zu müssen". Als die Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein doch mal nachhaken wollte, ob da nicht ein Comeback in Sicht sei, setzte der Preisträger seinen ausdruckslosesten Bernhardiner auf und brummte seinen allertiefsten No-Brummer. Ausführlicher wurde er bei der nächsten Frage. "Spanien konnte nur erfolgreich sein, weil viele Katalanen mit von der Partie waren", sagte der 66-Jährige zum Ringen der Region um eine Unabhängig von Spanien. "Man muss jetzt das Gespräch suchen, nicht die Konfrontation." Da wurde der Preisträger also kurz politisch, ganz im Sinne des Patrons Walther Bensemann, dieses deutsch-jüdischen Fußballpioniers, Funktionärs und Journalisten, der im Fußball immer auch ein Mittel der Völkerverständigung sah.

Die Prämierung dieses Nobelsportlers - er folgt unter anderen auf Sir Alex Ferguson, Cesar Luis Menotti, Alfredo di Stefano und Franz Beckenbauer - war der Höhepunkt eines langen Fußball-Kulturabends, in dem noch vier andere Preise vergeben wurden. Längst hat sich die Akademie etabliert, so dass diesmal auch DFB-Chef Reinhard Grindel im Publikum saß und bekannte, er mache sich nach der Heimniederlage gegen Island tatsächlich Sorgen um die Frauenfußball-Nationalmannschaft: "Da muss noch ein Brikett nachgelegt werden." Und schon ging's weiter im Programm.

Als "Fußballbuch des Jahres" wurde die Helmut-Schön-Biografie von Bernd-M. Beyer ausgezeichnet, ein mit 544 Seiten ebenso gewichtiges wie wichtiges Werk über den bis dato erfolgreichsten Bundestrainer. Man wundert sich schon, dass Beyer tatsächlich als Erster über den Mann mit der Mütze geschrieben hat, dessen Leben so frappierend deutsche Geschichte spiegelt: Spieler unter den Nazis, Nationaltrainer zunächst der DDR, dann Landestrainer des Saarlandes, schließlich Bundestrainer. Mehr geht eigentlich nicht. Schön war Willy Brandt eher zuneigt als Adenauer, liebte Theater und Oper mehr als das Skatspielen. Tatsächlich hatten die Deutschen also einmal einen echten Feingeist zum Bundestrainer und es ist Bernd-M. Beyer zu verdanken, dass das nun auch jüngere Generationen entdecken können. Laudator Ludger Schulze, ehemals Leiter der SZ-Sportredaktion, würdigte den Autor auch als langjährigen Lektor beim Verlag "Die Werkstatt", der etliche Bücher zur Fußballgeschichte herausgebracht hat.

Keine feste Kategorie hat der "Fußball-Fanpreis". Diesmal ging es um Fußball-Erinnerung, und da gewann der Schweizer Daniel Kessler. Seit zwei Jahrzehnten beschäftigt der sich mit dem Andenken an das Kreuzlinger Grenzland-Stadion, das es schon seit 1959 gar nicht mehr gibt. Der FC Kreuzlingen immerhin existiert noch - als Amateurverein. Kessler, sein umtriebigster Fan, bringt seit 1999 das Magazin Grenzlandkurier heraus und betreibt dazu auch noch einen Blog.

Der Fußball ist bunt und im besten Fall grenzüberschreitend. In diesem Sinn bekam das Projekt "Schule ist auf'm Platz" des Vereins Essener Chancen den Bildungspreis "Lernanstoß" zugesprochen. 25 Schulkinder aus dem sozialen Brennpunkt Essener Norden werden ein Jahr lang in den Ferien betreut und zum Lernen motiviert. Fußball spielt dabei eine große Rolle, Rot-Weiss-Essen unterstützt das Projekt ebenso wie das Institut für Sportwissenschaften der Uni Duisburg-Essen.

"Wir danken der Mannschaft, dass sie uns auch in dieser Saison so zahlreich hinterher gereist ist."

Das Ruhrgebiet machte auch das Rennen um den "Fußballspruch des Jahres." Traditionell wählt das Saalpublikum aus vier Halbfinalisten. Während das etwas angestrengte Bonmot des ehemaligen Dortmunder Trainers Thomas Tuchel ("Wenn konsequent, dann konsequent konsequent") verworfen wurde, stießen die Schalker Fans auf Begeisterung. "Wir danken der Mannschaft, dass sie uns auch in dieser Saison so zahlreich hinterher gereist ist", hatten sie zum Saisonabschluss in Ingolstadt auf ein Transparent geschrieben.

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