Ärger im Frauen-Eishockey:Dosenbier auf Eis

Kanadas Eishockey-Frauen feiern Gold mit Bier, Schampus und Zigarren - und verärgern das IOC zu einem ungünstigen Zeitpunkt: Die Zukunft des Sports im Olympischen Programm ist fraglich.

Fabian Heckenberger

Das Entern der Eismaschine hätten sie beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) wohl noch durchgehen lassen; Zigarren, Bierdosen und Champagnerflaschen waren den hohen Herren der Spiele aber zuviel. "So etwas wollen wir nicht sehen, das ist keine gute Werbung für den Sport", wetterte IOC Exekutiv-Direktor Gilbert Felli und kündigte eine Untersuchung an: "Sie können in der Kabine feiern, aber nicht in der Öffentlichkeit."

Die mahnenden Worte galten Kanadas Eishockey-Frauen, die das olympische Finale gegen die USA mit 2:0 gewannen und anschließend auch im Wettbewerb dum die stürmischste Feier dieser Spiele auf Goldkurs gingen. Verteidigerin Colleen Sostorics präsentierte ihre Medaille vom Sitz einer Eismaschine aus, ihre Kolleginnen schafften derweil Bier und Champagner aus der Kabine aufs Spielfeld.

Auf den dritten Olympiasieg in Folge gönnten sich die Kanadierinnen außerdem die traditionellen Siegeszigarren. Oben in den Vip-Logen beobachteten die kanadischen Männer, wie ihre Kolleginnen das feierten, was die ganze Nation auch noch von ihnen erwartet: Gold. "Olympiasieger bei Heimspielen zu werden, davon träumst du als kleines Mädchen", sagte Kanadas bekannteste Spielerin Hayley Wickenheiser. Dann geriet sie in eine Champagnerdusche - und ins Blickfeld des IOC.

Steve Keough, der Sprecher des kanadischen Olympia-Komitees (COC), war nach der Party on the rocks um Schadensbegrenzung bemüht. "Eine spontane Siegesfeier ist bei uns nichts Ungewöhnliches. Wenn die Spielerinnen das entsprechende Alter haben, ist das nichts Illegales."

Dass sie das mit den Benimmregeln in Kanada nicht ganz so eng sehen, hatte bereits Gilliam Maxwell vor Beginn der Spiele verdeutlicht. "Bei so einer großen Veranstaltung haben Athleten, Betreuer und auch Zuschauer mehr Sex und konsumieren mehr Drogen", hatte die Projektmanagerin des kanadischen Organisationskomitees gesagt. Das ist in seiner entwaffnenden Offenheit ein fast sympathischer Standpunkt, und man kann durchaus die Frage stellen, warum ein Formel-1-Fahrer vor einem Millionen-Publikum auf dem Podium eine Magnum-Flasche in die Hand bekommt, während andere Sportler nur heimlich das Bier in der Kabine öffnen dürfen. "Ist das wirklich Stoff für eine Kontroverse oder haben die Frauen einfach ihren Spaß?", wundert sich die Tageszeitung Vancouver Sun.

Doch auch die Sichtweise des IOC ist nachzuvollziehen. Die internationale TV-Präsentation von Goldmedaillengewinnerinnen mit alkoholischen Getränken in der Hand, die nicht einmal im Sponsoren-Board der Spiele auftauchen, ist für die Funktionäre ein rotes Tuch. Sportler, die eine zehn Zentimeter lange Havanna im Siegerlächeln stecken haben, taugen nur bedingt als Vorbild für die Jugend. Besonders IOC-Chef-Jacques Rogge, seit Jahren der größte Befürworter Olympischer Jugendspiele, dürften solche Bilder missfallen. Mehr als eine Rüge dürfte den feierfreudigen Frauen allerdings nicht drohen.

Dennoch kam der Ärger zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt für das Frauen-Eishockey, denn bereits vor der Feier mit Bier und Schampus war eine Diskussion über die Zukunft der Sportart im olympischen Programm entflammt. Angesichts der Dominanz der Frauen mit dem Ahornblatt auf dem Trikot und des vermeintlich vorhersehbaren Ausgangs des olympischen Turniers hatte Rogge über das Aus der Sportart bei den Spielen spekuliert: "Ich persönlich würde dem Frauen-Eishockey die Zeit geben, besser zu werden. Aber ohne Entwicklung können wir nicht weitermachen." Seit 1998 ist Frauen-Eishockey olympisch, in drei von vier Endspielen standen sich seitdem die USA und Kanada gegenüber.

Kanadas Hayley Wickenheiser, bei allen vier Finals als Teilnehmerin auf dem Eis dabei, reagierte wütend auf die Überlegungen: "So etwas passiert, wenn man nur alle vier Jahre einmal kurz auf die Sportart schaut." Mächtige Herren wie Rogge sollten mit ihren Einflussmöglichkeiten selbst mehr für Sportarten wie Frauen-Eishockey tun, so Wickenheiser, und nicht immer nur kritisieren.

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