Abstiegskampf in der Bundesliga:Allerallerallerletzte Chance

Hamburg gelingt es wieder nicht, sich zu befreien, Köln wird mit 0:6 gedemütigt. Trotzdem bleibt beiden immer noch eine Resthoffnung - auch, weil Wolfsburg auf einen seltsamen Plan vertraut.

Von Christof Kneer

Fussball 1. Bundesliga /  TSG 1899 Hoffenheim - 1. FC Koeln 6:0

Kölns Keeper Timo Horn muss mit Trainer Ruthenbeck ein 0:6 betrauern.

(Foto: Franz Waelischmiller/Sven Simon)

Man könne das alles eigentlich gar nicht erklären, sagte Kölns Torwart Timo Horn nach dem Spiel. Ein guter, kompakter Satz war das, ein Satz, der groß genug war, um für sich alleine stehen zu können. Man hätte diesen Satz unter jedes dieser sechs grausamen Bilder setzen können: unter das 0:1, das 0:2, das 0:3, das 0:4, das 0:5 und das 0:6. Ein halbes Dutzend Tore hatte der 1. FC Köln in Hoffenheim kassiert, jedes einzelne riss noch mal die Wunde auf, die sie in den vergangenen zwei Wochen so wunderbar ignoriert hatten. Nach dem Sieg gegen Leverkusen hatten die Kölner eine lange (zu lange?) Länderspielpause Zeit gehabt, um wieder neue Hoffnung anzusammeln in jenem seit dem ersten Spieltag währenden Abstiegskampf. Für die Emotionen eines Torwarts waren sechs Gegentore aber wohl doch zu viel, um einfach nichts zu sagen, und so erklärte Timo Horn das Unerklärliche am Ende doch. Und zwar mit Worten, von denen jedes einzelne mindestens so scharf verwundete wie die zuvor erlittenen Gegentore von Serge Gnabry (2), Mark Uth (2), Lukas Rupp und Steven Zuber.

Also sprach Horn: "Wir haben es keine Minute geschafft, die Vorgaben des Trainers umzusetzen. Der war die ärmste Sau an der Seitenlinie." Horn sagte auch: "Das war heute gar nichts. Das kam einer Aufgabe gleich. So bleiben wir natürlich nicht in der Liga." Und er sagte: "Jeder Kölner, der hierher gefahren ist, tut mir leid und müsste eigentlich sein Geld zurückbekommen. Das war eine Frechheit von uns."

Er kann einen ja wirklich wahnsinnig machen, dieser Abstiegskampf. Er ist gleichzeitig nicht spannend und spannend, das muss man erst mal aushalten als Nervenkostüm. Nicht spannend ist der Abstiegskampf, weil der FC und seit einigen Wochen auch der Hamburger SV eigentlich abgehängt sind. Aber spannend bleibt es da hinten dennoch, weil die Teams aus Mainz und Wolfsburg sich beharrlich weigern, daraus ihren Nutzen zu ziehen. Sie halten den FC und den HSV einigermaßen auf Abstand, aber ihre Ausreißversuche sehen meistens so aus wie am vergangenen Wochenende. Mainz gegen Gladbach: nullnull. Hertha gegen Wolfsburg: nullnull.

Bilder des Tages SPORT VfB Stuttgart Hamburger SV Deutschland Stuttgart 31 03 2018 Fussball

Leiden im Abstiegskampf: HSV-Spieler Lewis Holtby wird von Douglas Santos aufgerichtet.

(Foto: imago/Sportfoto Rudel)

Am kommenden Wochenende steuert dieser gar nicht spannende Abstiegskampf nun auf die nächste hoch spannende Pointe zu: Der 1. FC Köln empfängt zu Hause Mainz 05 und wird versuchen, den Sechseinhalb-Punkte-Rückstand auf dreieinhalb Punkte zu verkürzen (den halben Zusatzminuspunkt hat sich der FC in Hoffenheim durch die fachgerechte Zertrümmerung des Torverhältnisses eingehandelt). "Wir waren schon öfter totgesagt und sind zurückgekommen. Darauf müssen wir jetzt auch bauen": Auch das hat Timo Horn gesagt - und dass man "das 0:6 aus den Köpfen streichen" und "gegen Mainz anders auftreten" müsse.

Es geht theoretisch ja immer noch, das ist das Skurrile an diesem Abstiegskampf. Seit Wochen haben die Kölner am jeweils nächsten Wochenende die letzte Chance, mal nutzen sie sie, mal nutzen sie sie nicht - dennoch folgt der letzten verlässlich eine allerletzte und allerallerletzte Chance. Die Kölner würden das anstehende Duell "sicher zum Spiel des Jahres ausrufen", warnt der Mainzer Keeper René Adler schon mal, während der Mainzer Trainer Sandro Schwarz ebendiesem Reflex dringend widerstehen will. Man dürfe "die Begegnung auf keinen Fall zum Endspiel machen".

Fussball 1 Bundesliga 1 FSV Mainz 05 Borussia Mönchengladbach 28 Spieltag am 01 04 2018 in de

Der Mainzer René Adler rettet mit einer Glanztat gegen Gladbachs Drmic ein 0:0.

(Foto: Thomas Frey/imago)

Auch das ist ja kurios am aktuellen Abstiegskampf: dass die Mannschaften ihm mit völlig unterschiedlichen Methoden begegnen. Neben den Kölnern haben inzwischen auch die Hamburger beschlossen, aus der Not zumindest eine stilistische Tugend zu entwickeln. Unter dem neuen Trainer Christian Titz, dem dritten der Saison, spielt der HSV nun tatsächlich "einen mutigeren Fußball", wie Angreifer André Hahn nach dem 1:1 beim VfB Stuttgart zurecht feststellte, "wir kloppen die Bälle nicht mehr blind nach vorn". Auch der Torschütze Lewis Holtby befand, "die neue Spielart" sei "absolut positiv" und werde die Elf "weiterbringen". Hingegen versuchen sie es in Wolfsburg plötzlich mit dem Gegenmodell: Während HSV-Coach Titz den Feinfuß Holtby von der Tribüne zurück auf den Rasen holte, hat Wolfsburgs Trainer Bruno Labbadia - der dritte Trainer der Saison - den Feinfuß Yunus Malli vom Rasen auf die Tribüne geschickt. Und den Feinfuß Daniel Didavi vom Rasen auf die Bank.

Es sei gerade "nicht die Zeit des Schönspielens", sagt Labbadia nach dem dritten Spiel ohne eigenen Treffer. Ein sehr interessanter Trick ist das: Beim ohnehin etwas grauen VfL Wolfsburg versuchen sie sich jetzt bewusst noch etwas grauer zu machen - womöglich in der Hoffnung, das Abstiegsgespenst könne sie einfach übersehen. An dem kühnen Plan, die besten Fußballer draußen zu lassen, hat sich nun auch Mittelfeldspieler Joshua Guilavogui beteiligt, indem er sich in der Nachspielzeit listig die gelb-rote Karte einfing. Er wird am kommenden Samstag in Freiburg fehlen.

Am Ende haben die Wolfsburger sogar gute Chancen, mit dieser Idee durchzukommen. Am 32. und 34. Spieltag empfangen sie den HSV und den 1. FC Köln - die dann vielleicht nicht mehr um die allerallerallerletzte Chance kämpfen, sondern vielleicht tatsächlich abgestiegen sind.

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