Bundesliga-Absteiger:Am Ende atmet der Dino

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Nachsitzen in der Relegation: Der HSV hat den Abstieg vorerst verhindert. (Foto: AFP)

Der Abstiegskampf ist entschieden: Braunschweig und Nürnberg müssen direkt in die 2. Liga, der Hamburger SV darf in der Relegation einen letzten Rettungsversuch starten. Zum Saisonende beweisen alle drei Krisenklubs noch einmal, warum sie zurecht ganz unten stehen.

Von Jonas Beckenkamp

Diese eine Szene, sie hätte an diesem letzten Bundesliga-Spieltag alles entscheiden können. Wie so oft in dieser Seuchensaison des Hamburger Sportvereins trafen sich Unglück und Unvermögen auf die haarsträubendste Art, so dass der Mainzer Mittelfeldspieler Elkin Soto nur noch kurz den Fuß hinhalten musste. Nach gerade einmal acht Minuten hatte HSV-Verteidiger Heiko Westermann wieder einmal einen Ball fahrlässig mit der Brust zu seinem Torhüter René Adler abtropfen lassen - doch der blieb einfach stehen. Zwischen die beiden perplexen Hamburger sprang Soto und erzielte das 1:0 für Mainz.

Hamburg wankte am Abgrund. Es lässt sich kaum nachempfinden, wie oft diese Untergangsformulierung in den vergangenen Monaten schon bemüht wurde. Doch diesmal hatte das Fußball-Schicksal andere Pläne. Die Konkurrenz schwächte sich erneut selbst mit allen erdenklichen Unzulänglichkeiten. Der 1. FC Nürnberg lieferte beim 1:4 (0:2) in Schalke den endgültigen Beweis fehlender Bundesliga-Tauglichkeit, und auch Eintracht Braunschweig verabschiedete sich mit einer Pleite: Beim 1:3 (0:1) in Hoffenheim endete das einjährige Abenteuer der Niedersachsen in Liga eins.

An diesem besonderen Tag für den HSV gaben letztlich die Wackler der Anderen den Ausschlag dafür, dass sich die Norddeutschen immerhin in die Relegation retteten - trotz einer zumindest halbwegs überzeugenden Vorstellung verlor die Elf von Trainer Mirko Slomka nämlich erneut. In Mainz gaben die Hanseaten nach guter erster Halbzeit die Partie aus der Hand, am Ende hieß es 2:3 (1:1). In zwei Spielen gegen den Tabellendritten der 2. Liga besteht nun die Chance, alles doch noch umzubiegen. Der Dino der Bundesliga atmet, das werden sie auch in Paderborn, Fürth und Kaiserslautern registriert haben. Trotzdem quälen die Elf weiterhin enorme Probleme.

"Wir haben uns nicht belohnt für den großen Aufwand, den wir betrieben haben. Mit den klaren Ergebnissen von den anderen Plätzen haben wir vielleicht nicht mehr das Engagement gezeigt, das hat mich sehr geärgert. Unser Ziel war vor dem Spiel, die Möglichkeit zu bekommen, mit zwei Finalspielen den Klassenerhalt zu schaffen. Diesen kleinen Schritt haben wir erreicht", sagte der enttäuschte Slomka bei Sky.

Ihren Anfang nahm die vorläufige Hamburger Rettung nur wenige Momente nach Westermanns Fauxpas. Da nutzte Pierre-Michel Lasogga, der nach wochenlanger Pause wieder dabei war, eine misslungene Abwehraktion von FSV-Keeper Loris Karius. Der HSV-Stürmer streichelte den Ball mit dem Haupthaar über die Linie, es stand 1:1 (11.), was den Norddeutschen Mut verlieh. Endlich spielten Slomkas Männer so, wie es sich im Überlebenskampf gehört: Mit Mumm, mit Leidenschaft und mit dem 13-fachen Torschützen Lasogga.

Nicht weit entfernt vom Mainzer Stadion zerschlugen sich derweil früh die Braunschweiger Hoffnungen auf den Klassenerhalt. In Hoffenheim dauerte es keine Viertelstunde, ehe Sebastian Rudy nach Flanke von Andreas Beck im Zurückfallen das 1:0 für die TSG köpfelte. Dabei war die Eintracht mit gehörigen Ambitionen angereist: Coach Torsten Lieberknecht hatte extra Krafttraining angeordnet, über 5000 Fans waren mitgekommen und vorne tummelten sich mit Thorsten Oehrl und Domi Kumbela gleich zwei Angreifer.

Es half nichts. Braunschweig agierte wie so oft in dieser Spielzeit. Die Mannschaft probiert es mit allen Mitteln eines hilflosen Außenseiters - aber vorne sprang überhaupt nichts raus. Zur Halbzeit stand wieder einmal ein Rückstand zu Buche, dabei hätte den Niedersachsen nur ein Sieg noch helfen können.

Stimmen zum Bundesliga-Saisonende
:"Ich glaube, wir schaffen das"

HSV-Kapitän Rafael van der Vaart äußert leise Hoffnung für die Relegationsspiele, Nürnbergs Sportvorstand Martin Bader ist enttäuscht und traurig, Braunschweig-Trainer Torsten Lieberknecht lobt trotz des Abstieges seinen Verein.

Die Reaktionen im Überblick

Den brauchte seinerseits auch der 1. FC Nürnberg auf Schalke, doch die drastisch geschwächten Franken hielten ohne ihre vier unersetzlichen Kräfte Marvin Plattenhardt, Javier Pinola, Timothy Chandler und Torsteher Raphael Schäfer nur sechs Minuten mit. Prompt segelte eine Flanke von WM-Anwärter Max Meyer vor das Gehäuse der Franken, die Joel Matip beinahe ungehindert per Kopf verwertete. Der Club wirkte nur ganz kurz gewillt, noch einmal zurückzukommen, doch da fiel auch schon das 2:0: Roman Neustädter schnappte sich einen abgeprallten Ball und überwand FCN-Ersatzkeeper Patrick Rakovsky (44.).

Durch die Rückstände der Konkurrenz ließ sich der HSV in Mainz ein wenig einlullen. Nach 12:3 Torschüssen vor der Pause verflachte der Elan der Hamburger, während der FSV sich in selbem Maße steigerte. Plötzlich rauschten die Angriffe der Männer von Trainer Thomas Tuchel im Minutentakt nach vorne, das 2:1 durch Yunus Mallis knackigen Flachschuss (65.) war die Konsequenz.

Die Hamburger gaben zwar nicht auf, aber sie gerieten nun immer weiter unter Druck. Shinji Okazakis 15. Saisontor nach feinem Dribbling im Sechzehner (82.) rundete schließlich das Mainzer Volksfest ab - für den FSV sollte es mit diesem Sieg in die Europa League gehen, der HSV verkürzte noch durch einen Abstauber von Ivo Ilicevic, dann stand das 3:2 für Mainz fest.

Dieses Ergebnis hätte Braunschweig in Hoffenheim beflügeln können, doch das Gegenteil passierte. Die TSG zeigte eine hochüberlegene Vorstellung und es fielen weitere Tore, weil Lieberknechts Team kaum noch etwas zu bieten hatte. Das 2:0 besorgte Roberto Firmino mit einem technisch herausragenden Scherenschlag (64.), das 3:0 bescherte den Hoffenheimern schließlich Stürmer Kevin Volland (69), der mit seinem 11. Saisontor seine Ambitionen auf eine WM-Teilnahme mit der Nationalelf untermauerte. Dass Jan Hochscheidt kurz vor Schluss noch der Ehrentreffer gelang - geschenkt. Braunschweig trauerte, Hoffenheim feierte einen äußerst versöhnlichen Saisonabschluss.

In Gelsenkirchen war die Sache ebenfalls gelaufen. Schalke dominierte die Partie gegen Nürnberg nach Belieben, der Club ergab sich seiner Bestimmung - es sollte der achte Abstieg der Franken werden. Erst traf Julian Draxler mit seinem ersten Treffer seit kalten Winterzeiten per Linksschuss zum 3:0 (75.), dann durfte der FCN sich wenigstens mit Anstand verabschieden: Josip Drmic gelang noch das 1:3 (90.), es war ein trauriges Schluss-Geschenk des scheidenden Stürmers.

Seine 17 Treffer in dieser Spielzeit reichten letztlich auch nicht zur Torjägerkrone, aber er dürfte bei Bayer Leverkusen auch weiterhin erstklassig spielen. Dass im Gegenzug Chinedu Obasi auf 4:1 erhöhte, war nur noch ein weiteres Zeichen: Der 1. FC Nürnberg war in dieser Spielzeit nicht gut genug für die Bundesliga.

Tränen in Nürnberg und Braunschweig, leise Hoffnungen beim HSV - und das trotz einer Niederlage. So endete der Abstiegskampf an diesem 34. Spieltag irgendwie standesgemäß: Den Gang in die 2. Liga hätten rein sportlich alle drei Klubs verdient. Den Hamburgern bleibt jetzt die Möglichkeit, das Gegenteil zu beweisen.

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