Abschlussfeier:Ist sowieso alles dufte

Die Spiele enden mit perfekt inszenierten Bildern im altehrwürdigen Maracanã-Stadion - doch die zwei langen Wochen in Rio de Janeiro haben gezeigt, wie groß die Vertrauenskrise Olympias wirklich ist.

Von Holger Gertz

Pünktlich zur Schlussfeier dieser Olympischen Spiele fing es in Rio auch wettertechnisch zu grummeln und zu wehen an, schließlich schüttete es, die Regenumhänge an den Leibern aller Gäste flatterten. Die kanadischen Athleten hatten sogar die Glückshandschuhe der Winterspiele von Vancouver angezogen. Und irgendwie war es beruhigend, dass IOC-Präsident Thomas Bach das Wetter nicht lobte, er hätte von einem herrlich warmen Tag reden können; dann hätte man sich endgültig gefragt, was der Mann eigentlich sieht, wenn er die Augen aufmacht. Er lobte das Wetter am Schlusstag allerdings nicht, und zum ersten Mal in Rio hatte man den Eindruck, Bachs Blick auf die Welt stimme überein mit dem, was viele andere erkennen, wenn sie die Dinge des Lebens anschauen.

Was Bach sonst zu sagen hatte, ähnelte dem, was er bei den Winterspielen in Sotschi gesagt hatte. Damals wandte er sich an die Athleten mit der Erkenntnis: "Durch euer Zusammenleben unter einem Dach im olympischen Dorf habt ihr eine kraftvolle Botschaft an die Welt gerichtet: Die Botschaft einer Gesellschaft aus Frieden, Toleranz und Respekt." Diesmal sagte er: "Durch euer Zusammenleben in Harmonie unter einem Dach im olympischen Dorf sendet ihr eine kraftvolle Botschaft des Friedens an die ganze Welt." Es ist also egal, wo die Spiele stattfinden, ob ein Dissident im Lager landet oder die Russen trotz Dopingskandals mitmachen dürfen oder ein IOC-Mitglied festgenommen wird - am Ende ist eh alles dufte. Sagt Bach. Was Sotschi angeht: Wenige Tage später standen russische Soldaten auf der Krim, die Botschaft des Friedens aus dem olympischen Dorf hatte nicht lange gewirkt. Was Rio angeht: Die Debatten um die Finanzierung der Paralympics zeigen, welch finanzieller Kraftakt die Party war. Die Abrechnung kommt später. Aber dann ist der Zirkus ja schon weitergezogen, auf dem Weg nach Tokio 2020.

Das Prasseln und Rauschen bei der Schlussfeier war der angemessene Soundtrack

Jede olympische Schlussfeier ist zugleich eine "Housewarming Party". Der eine geht, der andere kommt, symbolisiert durch die Übergabe der olympischen Fahne von Rios Bürgermeister Eduardo Paes an Yuriko Koike, die Gouverneurin von Tokio. Die Japaner hatten ein eigenes Programmheft für diesen Moment der Zeremonie ausgelegt, den "Flag Handover Segment Media Guide", was schon darauf hindeutet, dass sie die Sache professioneller angehen wollen. Der Slogan heißt "Love Sport, Tokyo 2020", sie haben sich etwas vorgenommen. Love Sport - der olympischen Bewegung könnte dieser Vorsatz guttun, wäre er ernst gemeint. Zentrales Element der japanischen Präsentation war die rote Sonnenscheibe in der Nationalflagge, sie wurde ein grafisches Element und schließlich zum computeranimierten Ball, der im Video dahin geschossen und dorthin geboxt wurde. Und der schließlich im Maracanã-Stadion leibhaftig zu sehen war, Premierminister Shinzo Abe erschien als Super Mario verkleidet und hielt den roten Ball in seinen Händen. Abe war ein Überraschungsgast in Rio. Wie er dorthingekommen war, hatte ein Videoeinspieler gezeigt. Im Taxi in Tokio hatte er gemerkt, dass es zeitlich knapp werden könnte, also verband der Comic-Held Doraemon die Städte Tokio und Rio mit einer Röhre, der Premierminister trat die Reise durchs Erdinnere an und erschien pünktlich im Herzen des Maracanã.

Schöne Geschichte, perfekt inszeniert. Und damit, gerade in dieser perfekten Inszenierung, Sinnbild der Probleme Olympias. "Sport hat die Kraft, die Welt zu verändern", steht im Programmheft der Japaner, der Sound von Bach ist überall. Tatsächlich sieht es im Moment nicht danach aus, als würde sich in Tokio etwas ändern an der olympischen Tradition von Schmutzeleien aller Art, wie der CSU-Chef Horst Seehofer in anderem Zusammenhang gesagt hat. Französische Ermittler untersuchen den Verdacht, bei der Vergabe der Spiele habe es Bestechung gegeben. Die Pläne für das neue Olympiastadion werden überarbeitet, die veranschlagten Kosten bewegen sich ins Uferlose. Das erste Logo - das rote Bällchen war ein Element - musste zurückgezogen werden, es sah verdächtig nach dem Signet des Theaters von Lüttich aus.

The same procedure also. In Rio ist sehr deutlich geworden, wie groß die Vertrauenskrise Olympias ist. Natürlich gab es besondere sportliche Momente, aber sie sind auch schon wieder verweht und verschattet von den Skandalen im Hintergrund. Das Prasseln und Rauschen bei der Schlussfeier war der angemessene Soundtrack. Wenn Super Mario und Doraemon den Laden übernähmen, könnte es besser werden. Von Bach - seine Rede machte das deutlich - ist wenig zu erwarten.

Als schließlich Sonntagnacht die Flamme der Sommerspiele von Rio de Janeiro 2016 ausging, war das ein passendes Bild im Reich der symbolverliebten Oberolympier. Das olympische Feuer ist erloschen, in vielerlei Hinsicht.

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