Abschied von BVB-Trainer Klopp:Der große Kopf muss weg

  • In einer emotionalen Pressekonferenz erklärt Trainer Jürgen Klopp, warum er am Saisonende bei Borussia Dortmund aufhören möchte.
  • Geschäftsführer Watzke ist den Tränen nahe.
  • Einen Traum hat Klopp noch: den Sieg im DFB-Pokal.
  • Zu Nachfolge-Kandidaten äußert sich der Klub nicht, Favorit ist aber Thomas Tuchel.

Von Thomas Hummel

Die Fußballwelt ahnte an diesem Mittwochmorgen nichts Böses. Doch ohne es zu wissen, quasi hinter ihrem Rücken, hatte sich bereits ein Drama aufgebaut. Zumindest für all jene, die dem Ballspielverein Borussia Dortmund nahestehen. Jürgen Klopp, Gesicht einer freudestrahlenden Epoche des Klubs, gibt seinen Rücktritt als Trainer zum Saisonende bekannt. Auf eigenen Wunsch.

Als eine erste Meldung am Vormittag durchsickerte, berief die Vereinsspitze mittags eine Pressekonferenz ein. Es war eine der ungewöhnlichsten Sitzungen, die die Bundesliga in bald 52 Jahren erlebt hat. Sie endete mit den Worten des Pressesprechers: "Das ist ein trauriger Tag heute für den BVB."

Normalerweise wird überall mit harten Gesichtern ein Trainer entlassen oder mit freudiger Mimik ein neuer Trainer begrüßt. Die Atmosphäre in Dortmund war weder hart noch freudig. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke war einige Male nahe dran, in Tränen auszubrechen. Mit sehr fahler Gesichtsfarbe und herabfallenden Mundwinkeln erklärte er, dass auf Klopps Initiative in den vergangenen Tagen Gespräche geführt worden seien. Dort sei entschieden worden, dass "der Weg, den wir nun sieben Jahre mit unglaublichem Erfolg gegangen sind, am Ende der Saison zu Ende ist."

Watzke betonte einige Male, wie emotional schwierig es gewesen sei, diese Entscheidung zu treffen. Wobei man davon ausgehen kann, dass der Geschäftsführer und sein Sportdirektor Michael Zorc die Entscheidung von Klopp irgendwann schlicht anerkennen mussten. "Das hat uns sehr angefasst, da können sie sich mal sicher sein", berichtete ein angefasster Watzke.

Sein Auftritt mündete in einer für die Fußballbranche handfesten Liebeserklärung. "Jürgen, du kannst dir sicher sein, dass dir der Dank aller Borussen, der ewige Dank, zu Teil wird. Das einzige, was mich tröstet, ist, dass unsere Freundschaft bestehen bleibt." Watzke stand auf und umarmte Klopp.

Der 47-Jährige hatte Borussia Dortmund in den vergangenen sieben Jahren zu einem Höhenflug geführt, mit dem niemand gerechnet hatte. Zwei Meistertitel, ein DFB-Pokal-Sieg, ein Champions-League-Finale - zwischen 2011 und 2013 gehörte der BVB zu den Besten der Welt. Er sollte auf Dauer der Rivale des FC Bayern sein, doch damit hatte sich der Klub wohl verhoben. Es folgte der Absturz in dieser Saison bis auf den letzten Tabellenplatz. Derzeit liegt Dortmund auf Rang zehn der Tabelle.

Klopp erklärte seine Entscheidung damit, dass der Verein nach sieben Jahren nun eine Veränderung brauche. Wäre er geblieben, hätten sich viele andere Dinge tun müssen, die nun bleiben können, wie sie sind. Durch die erfolgreiche Zeit sei der Name Klopp sehr groß geworden, obwohl das den Tatsachen nie ganz gerecht worden sei, sagte er. Damit der Klub eine Zukunft gestalten könne, ohne ständig mit der eigenen Vergangenheit konfrontiert zu werden, "muss ein großer Kopf weg, und das ist in dem Fall meiner. Das ist auch ein bisschen Fluch der guten Tat." Er habe sich zuletzt häufiger die Frage gestellt, ob er noch der perfekte Trainer für diesen Klub sei, und habe diese Frage nicht mehr eindeutig mit ja beantworten.

"Ich habe keinen Kontakt zu einem anderen Verein"

Den Verdacht, er sei müde und ausgelaugt, wies er zurück. "Ich habe auch keinen Kontakt zu einem anderen Verein. Nichts ist strukturiert, kalkuliert oder taktisch." Dabei schloss er nicht aus, bereits in der kommenden Saison bei einem anderen Klub anzuheuern. Er habe bislang nicht geplant, ein Sabbatical zu machen wie seine Trainerkollegen Guardiola oder Tuchel.

Klopp war in dieser Saison angesichts des rapide abfallenden Niveaus seiner Mannschaft auch kritisiert worden. Einige Zugänge brachten nie die erhofften Leistungen, taktisch wirft man ihm das einseitige Festhalten am dauernden Power-Fußball vor und auch atmosphärisch soll nicht mehr alles gestimmt haben. Was Klopp allerdings heftig zurückwies.

Doch an diesem Mittwoch ging es in Dortmund nicht um Gegenpressing oder Probleme im Angriff. Es ging vor allem um das Gefühl, dass gerade das Ende einer Ära verkündet wird. "Ich bin nicht aus Holz, mir sind heute schon viele traurige Menschen begegnet", erzählte Klopp. Als Mensch hätte er sich gewünscht, diesen Schritt nie vollziehen zu müssen. "Doch man ist Profi und muss so eine Entscheidung treffen."

Zu möglichen Nachfolgern wollten sich die Dortmunder an diesem Tag der Abschiedsnachricht nicht äußern. Allerdings hat die BVB-Führung in den vergangenen Tagen den Kontakt zu Trainer Thomas Tuchel intensiviert. Vieles deutet darauf hin, dass der noch beim FSV Mainz unter Vertrag stehende Tuchel in der kommenden Saison nach Dortmund wechselt. Sicher ist das allerdings keineswegs, denn vor ein paar Tagen hatte noch vieles darauf hingedeutet, dass Tuchel demnächst beim Hamburger SV unterschreiben würde.

Diese Saison will Klopp jedenfalls noch zu Ende bringen. Und er habe noch einen Traum: "Noch einmal mit einem guten Grund mit dem Lastwagen um den Borsigplatz zu fahren, das wäre ziemlich lässig." Ein guter Grund kann in dieser Saison nur noch der Sieg im DFB-Pokal sein. Dazu muss Dortmund allerdings auch das Halbfinale beim FC Bayern in München gewinnen. Bei den derzeitigen Kräfteverhältnissen ein sehr schwieriges Unterfangen.

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