Abschied vom Handball-Bundestrainer:Liebeserklärung an Sigurdsson

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Ende Januar wird Trainer Sigurdsson nach dem EM-Finale gegen Spanien gefeiert. (Foto: dpa)

Was für eine Ode: Handballtorwart Wolff verabschiedet den scheidenden Bundestrainer mit berührenden Worten. Und verrät dessen Motivationstricks.

Von Carsten Scheele

Plötzlich fand sich Dagur Sigurdsson eine Etage höher wieder. Auf den Schultern seiner starken Männer, mit der Schale des Europameisters in der Hand, wurde er durch die Tauron Arena im polnischen Krakau geworfen. Er, Sigurdsson, der sonst immer abseits steht und still genießt, war auf einmal der Hauptdarsteller.

Das war im Januar 2016. Deutschland war gerade Handball-Europameister geworden, und Sigurdsson machte seine Sache oben in der Luft ganz gut. Er lächelte sogar - doch natürlich widerstrebte dem Isländer ein Auftritt wie dieser. Wie sehr er mit seinem ruhigen, manche sagen kauzigen Naturell zu seinem Team passte, zeigt sich jetzt in der Stunde des Abschieds. Sigurdsson, 43, sitzt am Freitagabend beim Handball-All-Star-Game zum letzten Mal als Coach auf der deutschen Bank, und seine Mannschaft trauert ihm jetzt schon hinterher.

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"Schade, dass wir dich verlieren"

So sehr, dass manch einer zu unerwarteten Mitteln greift. Torwart Andreas Wolff, der seit dem EM-Titel als Gesicht des deutschen Handballs gilt, hat einen öffentlichen Brief geschrieben. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RNL) hat das sehr persönliche Schreiben verbreitet. Der Brief lässt auch erahnen, wie gerne dieses Team mit Sigurdsson weitergearbeitet hätte.

So schreibt Wolff: "Du und wir, dein Team, das hat gut funktioniert. Du bist ein sehr, sehr guter Trainer. Schade, dass wir dich verlieren". Sigurdsson sei genau der Coach gewesen, den das Team gebraucht habe: "Du hast immer klar gesagt, was Du wolltest und wie Du es Dir vorstellst - vielleicht war das auch ein Grund, warum wir mit Dir so erfolgreich waren."

Wolff blickt zurück auf zweieinhalb sehr erfolgreiche Jahre, in denen sich Trainer und Mannschaft gut kennenlernten. Das Team wusste bald, wie Sigurdsson tickt: "Wenn wir nach dem EM-Finalsieg gegen Spanien oder nach dem Bronze-Gewinn bei den Olympischen Spielen in Rio die Sau raus gelassen haben, hast Du Dir das angeguckt, es genossen, Dir ein Bier aufgemacht und gelacht. Und Du hast gesagt, wie stolz Du auf uns bist."

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In jeder Zeile ist zu spüren, was Sigurdsson diesem Team bedeutet hat. Wolff beschreibt, dass Sigurdsson ein besonderer Trainer war, der ausgetretene Pfade verließ: "Statt immer wieder Intervallläufe, bis man kotzt, sind wir mit Dir auch mal durchs Berliner Regierungsviertel gelaufen. Training, dazu ein bisschen Kultur - da haben wir fast vergessen, dass es ein intensives Lauftraining war. Von diesen Motivationstricks hattest Du viele."

Es gab auch nicht nur Höhen in Sigurdssons Amtszeit, auch Tiefen, wie das frühe Aus bei der WM vor wenigen Wochen in Frankreich. Auch in dieser Stunde wusste Sigurdsson die Mannschaft zu führen: "Nach dem Aus gegen Katar hast Du zu uns in der Kabine nur gesagt: 'Niederlagen gehören für große Mannschaften mit dazu, aber sie müssen daraus für die Zukunft lernen.' Das war das Beste, was Du in dieser Situation sagen konntest."

Die Dramaturgie will es, dass Sigurdsson am Freitagabend in Leipzig auf seinen Nachfolger trifft. Beim All-Star-Game sitzt Christian Prokop auf der Bank einer Bundesliga-Auswahl, er wird dem Isländer beim DHB nachfolgen. Prokop weiß um den Stellenwert des Noch-Bundestrainers, dieser sei "einer der besten Trainer der Welt". Er weiß: Es wird nicht leicht, Sigurdsson zu ersetzen.

Nationaltorwart Wolff hat schon eine Ahnung, wie sich Sigurdsson beim All-Star-Game verabschieden wird: "Es würde mich nicht wundern, wenn es von Dir keine großen Worte mehr gibt. Das wäre nicht Deine Art. Deine Emotionen behältst Du eben lieber für Dich." Zu einem weiteren Ritt auf den Händen seiner Spieler durch die Halle müssten sie Sigurdsson vermutlich zwingen.

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