Abraham bleibt Weltmeister:"Du musst was tun, Junge!"

Arthur Abraham v Martin Murray - WBO Super Middleweight World Championship

Knapp, aber weiter Weltmeister. Arthur Abraham (rechts) besiegt Martin Murray 2:1 nach Punkten.

(Foto: Martin Rose/Getty Images)

Arthur Abraham verteidigt seinen WM-Titel im Supermittelgewicht gegen Martin Murray nach Punkten - auch weil ihn sein Trainer Ulli Wegner, 73, im richtigen Moment ermahnt.

Von Martin Schneider, München/Hannover

Arthur Abraham sagte nach dem Kampf, er höre immer auf das, was ihm sein Trainer sagt, und wahrscheinlich hat ihn das an diesem Tag den Titel gerettet. Sein Trainer, Ulli Wegner, 73 Jahre alt, ist eine Institution im deutschen Boxsport, der Kampf von Abraham gegen den Briten Martin Murray am Samstagabend in Hannover war sein 100. Profikampf. Normalerweise brüllt der Senior seine Kämpfer mit seiner Reibeisenstimme an, Boxer brauchen solche Arten von Ansagen während eines Kampfes, wenn nur noch wenig in ihr Bewusstsein dringt. Aber in der neunten Runde, da flehte Wegner seinen Schützling beinahe an. "Du musst was tun, Junge, sonst geht uns das Ding weg."

Das Ding, das ist der Weltmeister-Gürtel im Supermittelgewicht und an diesem Abend stand eine Pflichtverteidigung an. Dafür, so die Regeln, kann sich Abraham als amtierender Weltmeister einen Kämpfer aus den Top 15 aussuchen, und dass er ausgerechnet Murray wählen würde, das war schon überraschend. Murray kommt aus der Gegend um Liverpool und Manchester, sein Körper ist von mehr Tattoos bedeckt als von nackter Haut, und aufgrund diverser Vorstrafen darf er nicht in die USA einreisen. 2011 wurde ein Kampf von ihm gegen Felix Sturm in Mannheim unentschieden gewertet, viele Beobachter fanden, er hätte ihn auch gewinnen können. "Ich möchte keinen leichten Gegner mehr boxen", sagte Abraham dazu nur.

"Manchmal brauche ich eben länger"

Ein leichter Gegner wurde es nicht. Im Gegenteil. Abraham hielt in den ersten Runde seine bekannte Doppeldeckung hoch, doch er versteckte sich hinter seinen Fäusten, statt mit ihnen zu boxen. Murray war aktiver, setzte zahlreiche Körpertreffer, nichts Gravierendes, aber in den ersten drei Runden sah es so aus, als würde hier nur einer agieren. In einem kurzen Schlagabtausch in der dritten Runde setzte Murray einen Tiefschlag, vermutlich unabsichtlich. Der Ringrichter unterbrach, verwarnte Murray. Abraham schüttelte sich kurz und blieb weiter passiv. Der Brite führte zu diesem Zeitpunkt mit 130:113 Schlägen und mit 38:28 Treffern. "Ich weiß nicht, warum ich nicht reingekommen bin. Manchmal brauche ich eben länger", sagte Abraham später.

Murray ließ seine Hände unten, wackelte mit dem Oberkörper und wirkte wie ein Aal, flexibel, glitschig, nicht zu fassen und einfach nicht müde zu kriegen. Die rechte Gerade des Deutschen, der sogenannte "Abrahammer" kam nicht. In der achten Runde setzte Murray einen rechten Schwinger an Abrahams Kinn. Der Weltmeister wackelte, bekam weiche Knie, er musste klammern, um über die Runde zu kommen. Dann flehte ihn Wegner an, und Abraham gehorchte seinem Trainer "meinem Schatz-Trainer", wie er später sagte. Abraham setzte immer noch weniger Schläge, aber mehr Treffer. In der elften Runde zog der Ringrichter Murray einen Punkt ab, weil er wiederholt mit Kopf und Schulter tief abduckte und sich gegen Abraham drückte. Die Halle tobte da längst.

"Es war knapp, da muss man fair sein"

Beim Gong der zwölften Runde rissen beide die Arme hoch. Wer gewonnen hat? Schwer zu deuten. Auch die Ringrichter waren sich nicht einig. 115:112 Abraham. 112:115 Murray und 116:111 Abraham waren die Wertungen. 2:1 nach Punkten. Murray setzte mehr Schläge, Abraham die effektiveren Trffer, 82:67 Treffer mit der Schlaghand für Abraham waren es am Ende. Qualität schlägt Quantität. Murray verließ nach Urteil-Verkündung sofort die Halle.

"Es war knapp, da muss man fair sein", sagte Wegner später. Sein Schützling meinte: "Wir waren technisch und taktisch besser. Das hat den Ausschlag gegeben. Er war ein Kämpfer. Man muss ihn loben." Und warum hat er nicht früher auf die Anweisungen seines Trainers gehört? "Ich höre immer auf meinen Trainer. Aber ich boxe nicht gegen einen Sandsack." Abraham bleibt damit WBO-Weltmeister im Supermittelgewicht. Es war sein 44. Sieg im 48. Kampf. Wer als nächstes kommt, steht noch nicht fest, aber er will ja keinen leichten Gegner mehr.

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