Abfahrt bei der Ski-WM:Stimmung in der Schweizer Hütte

Alpine Skiing World Championships 2015

Patrick Küng (li.) und Beat Feuz: Gute Laune nach der Abfahrt

(Foto: dpa)

Zwei Schweizer überraschen bei der Abfahrt der Ski-WM die Weltelite - für ihren Erfolg haben Patrick Küng und Beat Feuz einiges überwunden. Österreich ist dagegen über das Abschneiden seiner Starter entsetzt.

Von Johannes Knuth, Beaver Creek

Womit soll man anfangen nach diesem Abfahrtsrennen am Samstag in Beaver Creek? Mit dem Amerikaner Bode Miller? Miller war beim Super-G am Donnerstag durch die Luft gewirbelt, er hatte sich mit einem Ski eine Sehne in der Wade durchtrennt und am Vorabend des Abfahrtsrennens im amerikanischen Fernsehen seinen Rücktritt angedeutet. Vielleicht mit Aksel Lund Svindal, dem Norweger war vor drei Monaten die Achillessehne gerissen, bei der Abfahrt am Samstag absolvierte er seinen zweiten WM-Einsatz, entgegen sämtlicher Gesetze der Anatomie? Und dann waren da noch die Österreicher, sie fuhren geschlossen an den besten elf Plätzen vorbei, "direkt ins Abfahrtsdebakel hinein", wie der Standard schrieb.

Es war ein buntes Rennen, diese Entscheidung in der Abfahrt bei der 43. Ski-Weltmeisterschaft in Beaver Creek. Da verstand es sich fast von selbst, dass sich auf dem Podium eine Besetzung einfand, die man dort nicht unbedingt erwartet hatte. Der Schweizer Patrick Küng gewann, 24 Hundertstelsekunden vor dem US-Amerikaner Travis Ganong, rund drei Zehntel vor Beat Feuz, ebenfalls Schweiz.

"Mein Ski war fast zu schnell für mich"

Küng, Ganong, Feuz, wer diesen Ausgang im Wettbüro vorhergesagt hätte, hätte sich im Anschluss vermutlich einen Skipass auf Lebenszeit im Champagner-Ressort von Beaver Creek leisten können. Man muss bei der Wiedergabe der wichtigsten Herren-Abfahrt der Saison also tatsächlich mit Patrick Küng anfangen, dem ersten Schweizer Abfahrtssieger seit 1997, damals gewann Bruno Kernen in Sestriere.

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"Weltmeister", sagte Küng, er hielt kurz inne, in welche Worte würde er seine Heldentat wohl kleiden? Der 31-Jährige sagte: "Das ist schon nicht schlecht."

Der sechste Tag dieser WM gehörte den Schweizern. In der Heimat fand das rasch Wiederhall. "Schweizer Abfahrts-Wahnsinn", titelte der Blick mit goldenen Lettern auf seinem Internetportal. Wobei Küng und Feuz dem Trubel mit wohltuender Nüchternheit entgegentraten. "Ich glaube, ich habe schon an mich geglaubt. Sonst würde ich ja nicht auf dem Podium stehen", sagte Feuz, der Dritte. "Ich fühle mich ganz wohl hier", sagte Küng, der neue Weltmeister, als er über seine Beziehung zur tückischen Raubvogelpiste in Beaver Creek referierte. "Mein Ski war sehr schnell, fast zu schnell für mich", ergänzte er, "ich musste gar nicht so sehr ans Limit gehen." Nicht so sehr am Limit?

Näher am Karriereende als an einer Medaille

Küng und Feuz sind keine Sprücheklopfer, sie sind einfach zwei außergewöhnliche Skifahrer, die auch ohne Folklore sämtliche Qualifikationen für eine angemessene Heldengeschichte mitbringen. Küng galt lange als guter Skifahrer, der sein Talent viel zu selten in korrespondierende Ergebnisse überführte. Vor seinem Sieg am Freitag hatte er sich im Weltcup zwei Mal in die Siegerliste eingetragen. "Wenn man in der Schweiz Ski fährt, hat man großen Druck, wie in Österreich", sagte Küng nun, "in den letzten Jahren hatten wir es schwer."

Feuz wiederum sprach von einer "sehr speziellen Medaille", er war für lange Zeit ja dem Karriereende näher gewesen als einem WM-Rennen. Vor rund drei Jahren unterlag Feuz nur knapp Marcel Hirscher im Zweikampf um den Gesamtweltcup. Nach der Saison ließ er sich am Knie operieren, mal wieder, die Wunde infizierte sich. Nach zwei Notfalloperationen dachten die Ärzte darüber nach, sein linkes Bein zu amputieren. Das Rennen am Samstag war wirklich nicht arm an Dramen, da war ja noch die Sache mit den Österreichern.

"Größte Abfahrtspleite in Österreichs Skigeschichte"

Wenn ein Schweizer (oder ein beliebiger Nicht-Österreicher) im Skirennsport die Abfahrt gewinnt, ergeben sich die ersten Verlierer automatisch: die Starter aus Österreich. Matthias Mayer war als bester ÖSV-Starter Zwölfter geworden, Hannes Reichelt, am Donnerstag noch Weltmeister im Super-G, kam als 13. an. Die ersten Urteile reichten von "Abfahrtsdebakel" (Salzburger Nachrichten) bis "Größte Abfahrtspleite in Österreichs Skigeschichte" (Krone), zeitweise musste man fürchten, das Land stehe kurz vor dem nationalen Notstand.

Auch Kjetil Jansrud, der Favorit aus Norwegen, war als 14. geschlagen, Jansrud konnte aber mildernde Umstände geltend machen, er hatte sich im Super-G an der Schulter verletzt. Die Deutschen? Riefen diesmal ihr Potenzial ab, Andreas Sander wurde sehr ordentlicher 17., Josef Ferstl 22. und Klaus Brandner fuhr auf Platz 27. Sie hatten teilweise Fahrer wie Max Franz, Dominik Paris und Christof Innerhofer, hinter sich gelassen. "Das sind auch keine Deppen", stellte Ferstl fest.

Miller? "Macht eh, was er will"

Vor ihnen hatten sich ebenfalls ein paar befähigte Fahrer eingereiht, vor allem die Amerikaner traten nach dem WM-Aus von Miller fantastisch auf, am Ende war es Ganong, der sich zwischen Küng und Feuz auf das Podium zwängte. "Bode hat mir gesagt, dass ich das schon machen werde", berichtete Ganong. Ob er mit Miller über den möglichen Rücktritt geredet habe? "Er macht eh, was er will", sagte Ganong, er lachte, dann fügte er an: "Ich hoffe, dass wir ihn wiedersehen." Wirklich zuversichtlich klang er dabei nicht.

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