Abfahrt bei der Ski-WM:Österreich verstummt, Svindal perfekt

Klaus Kröll, WM Schladming 2013

Die Last einer Nation: Kraus Kröll ist unter ihr zusammengebrochen, er wird Vierter.

(Foto: dpa)

Große Enttäuschung für die Gastgeber bei der alpinen Ski-WM in Schladming: Österreichs Fahrer kommen mit der extrem schwierigen Abfahrt auf der Planai nicht zurecht, Klaus Kröll wird als Bester ausgerechnet Vierter. Es gewinnt der Norweger Aksel Lund Svindal. Der einzige deutsche Starter verletzt sich.

Von Thomas Hummel

Straßenfeger nannte man früher ein Fernsehereignis, dass ein Land lahm legt, dass die Straßen leer fegt, weil praktisch alle Menschen vor dem Fernseher in ihren Wohnzimmern oder in den Wirtshäusern sitzen. Österreich erwartete für diesen Samstagvormittag so einen Straßenfeger: die Abfahrt der Männer bei den Ski-Weltmeisterschaften in Schladming.

Es knisterte am Berg Planai am westlichen Ende der Steiermark, mehr als 30.000 Zuschauer zwängten sich durch das Tal hinein in den Zielraum, in das mächtige WM-Stadion. Doch gegen 12 Uhr, eine Stunde nach Rennbeginn, hörte man nur noch den Hubschrauber rattern über dem Ort. Die Menschen verhielten sich still. Denn Österreich verpasste eine Medaille. Österreichs Abfahrer enttäuschten ihre Fans. Der Schnellste von ihnen, Klaus Kröll, beendete das Rennen ausgerechnet auf dem bitteren vierten Platz.

Gejubelt hat stattdessen der Favorit: Aksel Lund Svindal bewältigte die eisige, extrem schwierige Piste mit Abstand am besten, konnte die vielen Sprünge und Wellen meist kontrollieren, die eisigen Kurven bei höchsten Geschwindigkeiten fahren. Im Ziel warf der sonst so bedächtige Skandinavier Fäuste und Stöcke in die Höhe und wirkte emotional wie selten. "Das war ein toller Moment. Die Strecke war sehr schwierig, es gab viele Wellen, flaches Licht und hohe Geschwindigkeit", sollte er später sagen. Der Norweger ist damit zum zweiten Mal Weltmeister in der Abfahrt nach dem Sieg in Are 2007, es ist seine insgesamt fünfte WM-Goldmedaille, was vor ihm erst fünf andere Athleten geschafft hatten: Toni Sailer, Jean-Claude Killy, Kjetil Andre Aamodt, Gustav Thöni und Ingemar Stenmark.

Svindal lag am Ende 46 Hundertstel Sekunden vor dem ebenfalls sehr gut fahrenden Italiener Dominik Paris, Bronze ging überraschend an David Poisson aus Frankreich.

Stephan Keppler, einziger deutscher Starter, wurde Opfer der schwierigen Strecke. Nach einem Fahrfehler in der Mitte des Kurses, sein Außenski ging nach oben, er sah aus wie ein tief fliegender Hubschrauber. Es folgte eine Sicherheitsfahrt nach unten. "Es ist irgendwas kaputt", sagte Keppler im Zielraum, er wisse aber nicht wie schwer seine Verletzung sei, "ein war typischer Reinlehner, wie ich es oft schon hatte."

Später stellte sich heraus, dass sich Keppler eine Kreuzbandzerrung und eine Knorpelverletzung im rechten Knie zugezogen hatte.

Nichts ist im Kosmos des Weltsports wichtiger in Österreich als die Goldmedaille in der alpinen Abfahrt. Franz Klammer, Olympiasieger 1976 in Innsbruck, sagte dazu im Interview mit der Süddeutschen Zeitung (Samstagsausgabe): "Wir waren immer eine Abfahrtsnation, und wir werden immer eine bleiben." Es sei für das Selbstwertgewühl des kleinen Landes wichtig, in so einer spektakulären Disziplin vorne zu sein. "Mit einem Abfahrtsgold bei den Männern wäre die WM-Bilanz gerettet - egal, was sonst noch passiert", erklärt Klammer.

Jetzt müssen wohl andere die Bilanz für die Nation retten, Marcel Hirscher zum Beispiel, der Techniker. Denn die Abfahrer schafften allesamt keine gute Fahrt die Planei hinunter. Matthias Mayer trug es bei einem Sprung weit von der Strecke weg - Platz 13. Max Franz kam überhaupt nicht zurecht, er wurde nur knapp vor Keppler 22. Hannes Reichelt, die eigentlich größte Hoffnung des Landes, hatte von Beginn an Probleme, dann verpasste er einen Sprung und flog in hohem Bogen über die Piste. Er kam zwar auf den Skiern wieder auf, doch da war ihm die eigene Gesundheit lieber als eine Medaille, er fuhr am nächsten Tor vorbei.

Und Klaus Kröll sagte nach dem Rennen: "Leider habe ich an mehreren Stellen Sekunden liegen lassen. Es hat einfach nicht funktioniert heute." Zum Druck aus der Heimat und der Stille im Zielraum nach der Fahrt erklärte er: Ich hab den Druck wegstecken können, ich war aus meiner Sicht auch kein Favorit. Aber es ist sehr bitter, die Leute hier hätten sich alle eine Medaille verdient. Das ist sehr schade."

Die Matadoren auf Ski flogen und ratterten die extrem eisige Piste hinunter, Geschwindigkeiten von mehr als 120 Stundenkilometern machten aus ihnen bisweilen einen Spielball der Natur. Viele Fahrer konnten einen Ausfall nur mit Akrobatik und Glück verhindern. Die Männer-Abfahrt bot das erwartete Spektakel. Nur viele Österreicher gingen stumm und unglücklich nach Hause.

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